Der Qualitätsbericht 2016 für das Rettungswesens in Baden-Württemberg liegt vor. Bei der Hälfte der Einsätze fährt der Notarzt erst zwei Minuten nach der Alarmierung los. „Das dauert zu lange“, sagen Kritiker.

Stuttgart - Die Notärzte in Baden-Württemberg brauchen oft zu lange, um auszurücken. Das geht aus dem aktuellen Qualitätsbericht Rettungswesen Baden-Württemberg für das Jahr 2016 hervor. Bei der Hälfte der Einsätze fährt der Notarzt erst zwei Minuten nach der Alarmierung los. „Das dauert zu lange“, kritisiert Eduard Kehrberger, der Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte. Die Mediziner seien häufig in den Klinikbetrieb eingebunden und müssten deshalb mitunter lange Wege zurücklegen, bis sie losfahren könnten, erklärt Kehrberger die Verzögerungen.

 

„Es ist nicht akzeptabel, wenn es drei oder sogar vier Minuten dauert“, sagt der Landesvorsitzende, es zähle im Rettungswesen jede Minute. Kehrberger befürwortet eine Fristfestschreibung etwa im Rettungsdienstgesetz. „Man könnte festlegen, dass in 95 Prozent der Fälle zwei Minuten eingehalten werden müssen“, schlägt er vor. Um die Frist einzuhalten, wäre es sinnvoll, die Mediziner aus dem Klinikbetrieb herauszunehmen und sie näher an den Fahrzeuge und Rettungswachen zu positionieren. Das wäre zwar möglich, aber werde aus Kostengründen nicht umgesetzt. Denn die Kliniken bekämen von den Krankenkassen im Schnitt lediglich etwa 80 Prozent der Personalkosten für Notärzte refinanziert. Würde man die gesamten Kosten erstatten, könnten die Mediziner komplett vom Klinikbetrieb entbunden werden.

Innenminister Thomas Strobl will das Qualitätsgefälle bereinigen

Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sieht Optimierungsbedarf. „Der Rettungsdienst in Baden-Württemberg hat auch 2016 wieder eine gute Arbeit geleistet“, heißt es in der Pressemitteilung. Gleichwohl zeigten sich jedoch an einigen Punkten der Rettungskette signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Rettungsbereichen. „Wenn für die gleiche Tätigkeit in unterschiedlichen Rettungsdienstbereichen erkennbar zeitliche Unterschiede bestehen, dann müssen wir dieses Qualitätsgefälle bereinigen“, betont der Minister.

Der Bericht erscheint zum fünften Mal und wird von der Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst Baden-Württemberg (SQR-BW), einer bundesweit einmaligen Einrichtung der Leistungserbringer und Kostenträger, erhoben. Dabei werden Daten des Rettungsdienstes in ganz Baden-Württemberg erfasst und ausgewertet.

Die Daten werden von den Leitstellen, Notärzten und seit 2017 auch von den Rettungswagen nach einem landeseinheitlichen Datensatz erfasst. Ein Fokus liegt auf lebensbedrohlichen Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Schädel-Hirn-Traumen. 2016 wurde erstmals bei diesen besonders kritischen Notfällen die Prähospitalzeit, also die Zeit vom Notruf bis zur Ankunft in einer Klinik, erfasst. Ziel ist es, dass der Patient spätestens 60 Minuten nach dem Unfall in der Klinik sein sollte. Unfallretter sprechen von der „golden hour“, der goldenen Stunde. In knapp 73 Prozent der Notfälle im Land wird die angepeilte Stunde eingehalten.

Allerdings liegen neun Rettungsdienstbereiche unter dem Landeswert. „Das kann an den langen Transportwegen liegen, mitunter auch an den Witterungsverhältnissen“, sagt Eduard Kehrberger. Dazu müsste man sich aber die Zahlen der Rettungsdienstbereiche im Einzelnen anschauen. Baden-Württemberg ist in 34 Rettungsdienstbereiche eingeteilt.