Doch Experten sahen im frühen Start der ersten Fremdsprache in der Grundschule ein Plus an Motivation für die Kinder. Doch Lehrermangel und Qualitätsprobleme zwingen die Kultusministerin zum Handeln.

Stuttgart - Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will unter anderem mit einem späteren Start der ersten Fremdsprache den Lehrermangel bekämpfen. „Ich kann mir vorstellen, dass wir die Fremdsprachen in der Grundschule erst ab Klasse 3 beginnen lassen und dadurch rund 630 Deputate gewinnen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Diese sollen in den Grundschulen als Poolstunden zur weiteren Stärkung von Lesen, Schreiben und Rechnen belassen werden. Bislang beginnen baden-württembergische Schüler - anders als in vielen anderen Bundesländern - in der ersten Klasse, Englisch und entlang des Rheins Französisch zu lernen. Grundschulen sind die einzige Schulart, die nicht über Poolstunden verfügt, in denen Lehrer flexibel auf Stärken und Schwächen der Schüler eingehen.

 

Dieser Vorstoß wäre nur eine der Stellschrauben, mit denen Eisenmann die in jüngsten Studien offenkundig gewordenen Qualitätsprobleme sowie die drohende Lücke infolge einer gewaltigen Pensionierungswelle in den Griff bekommen will. Die Schwierigkeit, Lehrer zu gewinnen, werde sie in den kommenden vier Jahren beschäftigen, erläuterte die Christdemokratin. Danach würden sich Angebot und Nachfrage wieder die Waage halten. Sie habe das Problem von ihren Vorgängern geerbt: „Zurruhesetzungen fallen nicht vom Himmel - da hätte man vor Jahren die Weichen anders stellen können.“ Erhöhung von Studienkapazitäten brächten jetzt nichts, weil der Bedarf in absehbarer Zeit nachlasse.

Bis zur parlamentarischen Sommerpause will Eisenmann ein Dutzend Maßnahmen vorstellen, um die Unterrichtsversorgung abzusichern. „Wir sind bei der Versorgung mit Pflichtunterricht auf Kante genäht“, begründete sie ihr Vorhaben. Der Landeselternbeirat spricht von den schlimmsten Ausfällen von Unterricht seit zehn Jahren. Eisenmann erklärte, sie verstehe die Sorgen der Eltern, wenn punktuell Unterricht ausfalle. „Man muss da aber auch keine überzogenen Horrorszenarien an die Wand malen.“

1700 Lehrer fehlen

Zwar sei zum laufenden Schuljahr mit 6600 die höchste Zahl von Stellen zu besetzen gewesen, doch es mangele an Bewerbern. Betroffen sind die kleinen Grundschulen auf dem Land, die Fächer Mathematik und Physik sowie die Sonderpädagogik. Derzeit fehlten 1700 Lehrer. „Das heißt aber nicht, dass 1700 Klassen ohne Lehrer dastehen.“ Die Lücke werde ganz überwiegend durch Mehrarbeit, Vertretungsverträge und aus der Elternzeit vorzeitig zurückkehrende Pädagogen geschlossen. Es werde auch vom Ergänzungsbereich Personal abgezogen, wenn der Pflichtunterricht gefährdet sei. Lehrerverbände beklagen seit Jahren einen schrumpfenden Spielraum für außerunterrichtliche Aktivitäten wie Arbeitsgemeinschaften und Chor.

Zudem sollen Gymnasiallehrer, die sich zum Unterricht an Grundschulen bereit erklären, bessere Chancen haben an ihre Wunsch-Schulart zu kommen; und Lehrer kurz vor der Pensionierung sollen mit dem Hinweis auf zusätzliche Verdienstmöglichkeiten an ihren Schulen gehalten werden. Zudem sollen die Qualifikationen ausländischer Pädagogen weniger strikt behandelt werden, fügte Eisenmann hinzu. Sie werde jedoch die Finger von einer Zusammenlegung kleiner Grundschulen lassen. Wenn aber Kommunen damit liebäugelten, sollten sie beraten werden. An den 2400 Grundschulen im Land werde das Prinzip „Kurze Beine, kurze Wege“ weiter bestehen bleiben.

Frage nach der richtigen Verteilung

Vom Gutachten des Landesrechnungshofes erhofft sie sich eine bessere Ressourcensteuerung. „Wir haben in den letzten Jahren rund zehn Prozent weniger Schüler, aber etwa zehn Prozent mehr Lehrer - da stellt sich schon die Frage, ob alle am richtigen Platz eingesetzt sind.“ Die Kontrollbehörde soll bis zum Herbst Ergebnisse vorlegen. Dabei wird auch das Thema Abordnungen eine Rolle spielen. „Es besteht eine Grundtendenz in der Kultusverwaltung, bei Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern aus dem Pool der aktiven Lehrer zu schöpfen“, monierte die ehemalige Stuttgarter Schulbürgermeisterin. Dieser Tendenz werde sie Grenzen setzen. Die Zahl abgeordneter Lehrer bezifferte sie auf 11 000.

Die Verhandlungen für den Haushalt 2018/19 will Eisenmann nutzen, um den geplanten Pfad für den Abbau von Lehrerstellen bis 2020 zur Diskussion zu stellen. Nach Ministeriumsangaben werden von diesem Jahr bis 2020 rund 1300 Stellen gestrichen. Sie sei zuversichtlich, betonte Eisenmann, dass die grün-schwarze Regierung einen deutlichen Schwerpunkt auf Bildung setze.