In der Stuttgarter Liederhalle zeigt die Baden-Württemberg Stiftung, welche Forschungsprojekte sie fördert. Theresia Bauer und Klaus Töpfer fordern Freiräume für die Wissenschaft – nehmen die Forscher aber auch in die Pflicht: Sie sollten sich häufiger in Debatten einmischen.

Stuttgart - Olga ist eine junge Ingenieurin an der Uni Stuttgart, wo sie sich unter anderem mit nachhaltigem Bauen beschäftigt. Dies ist eines der Programme, die von der Baden-Württemberg Stiftung schwerpunktmäßig gefördert werden. Zum Forschungstag der Stiftung ist die Nachwuchsforscherin aber vor allem deshalb in die Stuttgarter Liederhalle gekommen, um ihren „Horizont zu erweitern“, um Anregungen aus anderen Disziplinen zu bekommen. So diskutiert sie alsbald eifrig mit anderen Forschern über eine neuartige optische Nachweismöglichkeit von Wasserstoff, die in einem der rund 70 Poster im Foyer des Hegelsaals dargestellt ist.

 

Dieser Austausch sowie die fächerübergreifende Zusammenarbeit sind auch das Hauptziel des fünften Forschungstags der Stiftung, der dieses Mal unter dem Motto „Forschung interdisziplinär“ steht. Dort will die Stiftung alle zwei Jahre einen Überblick über die vielfältigen, von ihr unterstützten Forschungsprojekte geben. Dabei ist die Spannweite der Programme groß: Sie reicht von den adulten Stammzellen über bioinspirierte Materialsynthese, Materialeffizienz sowie organische Fotovoltaik- und Farbstoffsolarzellen bis zur Robotik.

Seit der Gründung im Jahr 2000 habe die Stiftung mehr als 250 Millionen Euro in Forschungsvorhaben investiert, berichtete der Geschäftsführer Christoph Dahl. Damit hätten 800 Projekte in 50 Forschungsprogrammen durchgeführt werden können. Zudem habe die Stiftung dem Land 760 Millionen Euro für die Zukunftsoffensiven sowie die Biotechnologieoffensive zur Verfügung gestellt, wobei diese Mittel vor allem in die Forschungs- und Hochschulinfrastruktur geflossen seien.

Die Ministerin kritisiert die kurzatmige Förderung

Ein wichtiges Thema auf dem Forschungstag war die Freiheit der Forscher in ihrer Arbeit – aber auch die damit einhergehenden Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft. Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) betonte in ihrer Rede, dass die Wissenschaft nicht auf zweckgerichtete Forschung reduziert werden dürfe, sondern Freiräume brauche, um der Neugier nachgehen und ausgetretene Pfade verlassen zu können. Dies sei zwar eine „ganz alte Erkenntnis“, aber sei sie hochaktuell.

So sieht die Ministerin die Freiheit der Forschung derzeit vor allem durch die drei Faktoren „Kurzatmigkeit, Abhängigkeit und Verzweckung“ bedroht. Für kurzatmig hält sie vor allem die um sich greifende wettbewerbsorientierte Finanzierung von Projekten. Hier sei eine bessere Balance im Hinblick auf eine verlässliche Grundfinanzierung wichtig. Bedenklich sei auch, dass die Karrierewege der Nachwuchsforscher enorme Unsicherheiten mit sich brächten – wodurch „manch talentierte Köpfe für die Forschung verloren gingen“.

Intensiv ging die Ministerin auch ein auf den von der Politik wie der Gesellschaft immer wieder gewünschten Anwendungsbezug der Forschung – verbunden mit einer manchmal großen Ungeduld, schnell Lösung für die Probleme der Welt zu erarbeiten. Dies dürfe aber nicht heißen, das die Grundlagenforschung an Boden verliere und nur noch anwendungsbezogene Forschung gefördert werde.

Anschauungsmaterial aus dem 3-D-Drucker

Immerhin unternimmt Baden-Württemberg einiges, um diese Probleme zu lösen. Dafür erwartet die Ministerin auch, dass die Wissenschaft „Verantwortung in der Gesellschaft übernimmt, sich in aktuelle Debatten einmischt und die Forschungsergebnisse in die öffentliche Debatte einbringt“. Als gutes Beispiel nennt sie die Klimadeklaration der Nobelpreisträger, die jüngst in Lindau verabschiedet wurde.

Auch der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer setzte sich für eine breitere und vor allem frühzeitige Diskussion ein. Es sei zu kurz gegriffen, wenn die Wissenschaftler nur ihre Ergebnisse referierten und dann die Zustimmung der Gesellschaft erwarteten. Besonders rieb sich Töpfer, der Direktor des Potsdamer Instituts für fortschrittliche Nachhaltigkeitsstudien ist, an dem Begriff „alternativlos“ – und beklagte die verbreitete Forderung nach risikofreudigen und schnellen Entscheidungen. Vielmehr müsse man sich die Zeit nehmen, Alternativen zu entwickeln. Damit sichere man sich die Freiheit, nicht aufgrund kurzfristiger Zwänge auf eine „Lösung für alles“ festgelegt zu sein – die dann in Zukunft oft genug nur weitere Probleme schaffe.

Die Nachwuchsforscher im Hegelsaal dürften diese eher grundsätzlichen Anmerkungen mit Interesse verfolgt haben. Nicht weniger interessant waren für viele aber auch die 18 Exponate aus dem 3-D-Drucker im Foyer. Damit bot die Stiftung den Wissenschaftlern der laufenden Programme eine Plattform, ihre Arbeiten aus einer anschaulichen Perspektive zu präsentieren. Mit dabei war ein aus einem Guss gefertigtes Getriebe mit sechs Gängen und Rückwärtsgang, das auch prima funktionierte.