Nicht nur zwischen Ludwigsburg und Markgröningen fährt kein Zug mehr, auch viele andere Strecken sind stillgelegt. Das könnte sich nach einer neuen Studie für zahlreiche Verbindungen ändern.

Stuttgart - Mehr als zwei Dutzend stillgelegte Bahnstrecken in Baden-Württemberg haben nach einer Studie eine Chance, wegen einer erwarteten starken Nachfrage reaktiviert und wieder genutzt werden zu können. „In vielen der stillgelegten Bahnstrecken steckt ein beträchtliches Potenzial. Das wollen wir heben“, sagte der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart bei der Präsentation der Analyse.

 

In der Machbarkeitsstudie hatte das Land untersuchen lassen, mit welchem Fahrgastaufkommen Region, Bahn und Land bei einer Reaktivierung alter Schienenstrecken rechnen können. Insgesamt wurden mehr als 40 stillgelegte Stecken im Südwesten geprüft und auf ihr zu erwartendes Fahrgastaufkommen untersucht.

Zwölf Strecken mit sehr hohem Potenzial

Demnach erwarten die Experten für zwölf Strecken ein sehr hohes Nachfragepotenzial von mehr als 1500 Passagieren pro Schultag. Dazu gehören die Echaztalbahn zwischen Reutlingen und Engstingen, die Bottwartalbahn zwischen Marbach (Neckar) und Heilbronn, die Bahn zwischen Ludwigsburg und Markgröningen und die Strecke von Göppingen über Bad Boll nach Kirchheim/Teck.

In einer weiteren Kategorie finden sich zehn Verbindungen mit einem hohen Fahrgastaufkommen (750 bis 1500 Fahrgäste pro Schultag), darunter die Strecke Balingen – Rottweil, die Wehratalbahn zwischen Schopfheim und Bad Säckingen, die Kochertalbahn zwischen Waldenburg und Künzelsau, die Zabergäubahn zwischen Lauffen (Neckar) und Zaberfeld und die Ablachtalbahn zwischen Mengen und Stockach.

Ein mittleres Ergebnis (von 500 bis 750 Fahrgästen je Schultag) erwartet das Ministerium für zehn weitere Strecken. Die Krebsbachtalbahn zwischen Neckarbischofsheim und Hüffenhardt gehört ebenso dazu sowie die Kandertalbahn in Südbaden zwischen Haltingen und Kandern. „Durch vertiefte Untersuchungen ist hier zu klären, ob ein höheres Nachfragepotenzial möglich ist“, teilte das Ministerium mit.

„Man braucht Geduld, das geht nicht so schnell“

Die Zeit sei besonders günstig für neue Reaktivierungen, sagte Hermann. Die Baukosten würden vom Bund mit bis zu 90 Prozent gefördert, das Land beteilige sich zudem an den verbleibenden Kosten. Wichtig sei, dass sich die Akteure vor Ort frühzeitig abstimmten. „Und man braucht Geduld, das geht nicht so schnell“, sagte Hermann. Erfolge wie die Ammertalbahn, die Schönbuchbahn und das „Seehäsle“ zeigten aber, dass es sich lohne, stillgestreckte Strecken wiederzubeleben. „Gerade weil die Straßen voll sind, ist die Schiene wieder attraktiv“, warb der Grünen-Politiker.

In den vergangenen 25 Jahren sind nach Angaben des Verbandes Allianz pro Schiene allein in Baden-Württemberg 178 Kilometer Eisenbahnstrecke für den Personenverkehr und weitere 25 für den Güterverkehr freigegeben worden. Das sei mehr als im selben Zeitraum abbestellt worden seien. „In Baden-Württemberg gibt es viele Möglichkeiten, um mit Reaktivierungen die Schiene zurück zu bringen in die Fläche“, sagte Allianz pro Schiene-Geschäftsführer Dirk Flege. „Davon profitieren die Umwelt, die Menschen vor Ort und die Wirtschaft gleichermaßen.“

Mit Reaktivierungen sollen sich Lücken im deutschen Schienennetz schließen und die steigenden Passagierzahlen besser bewältigen lassen. Außerdem betont das Land die Bedeutung für den Klimaschutz. Der Nabu Deutschland betonte, eine enge Einbindung auf Augenhöhe durch das Land und die Bahn sei wichtig, um Klageverfahren wie bei der Hermann-Hesse-Bahn zu vermeiden. „Für die geplante Aktivierung stillgelegter Bahnstrecken heißt dies, schon sehr frühzeitig Fragen rund um den Fledermausschutz und den Schutz anderer Arten an den Strecken zu klären“, sagte der Nabu-Landesvorsitzender Johannes Enssle.