Die grün-rote Landesregierung beginnt den freiwilligen Polizeidienst aufzulösen. Viele halten das für einen Fehler. Für Gewerkschaft und Polizei steht fest: Die Ehrenamtlichen haben den Beamten „über eine verdammt schwere Zeit hinweggeholfen“.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart - Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit hat das Land dieses Frühjahr einen Aufnahmestopp für den freiwilligen Polizeidienst verhängt. Seit 1963 gibt es diese Rückhaltereserve in Baden-Württemberg, die immer einspringt, wenn es personell eng wird bei den Dienststellen im Land. Aktuell zählen rund 1200 Ehrenamtliche zu der Truppe, die über keinen Beamtenstatus verfügt und eingeschränkt ausgebildet ist, jedoch Uniform und Dienstwaffe trägt. Für den Bürger ist der Unterschied zwischen „echten“ und ehrenamtlichen Polizisten damit praktisch nicht zu erkennen.

 

So war es stets auch gewünscht, denn ohne die Freiwilligen hätte die Landespolizei manchen Einsatz schlicht nicht bewältigen können, vor allem in den ländlichen Regionen. Ärger gab es deswegen aber auch schon immer, etwa seitens der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Seit der Gründung ist uns dieser Dienst ein Dorn im Auge“, sagt deren baden-württembergischer Landesvorsitzender Rüdiger Seidenspinner. Eine „Schnellbleiche“ für Ehrenamtliche ersetze niemals die Ausbildung eines Polizeibeamten. In den zurückliegenden Jahrzehnten hätten die Freiwilligen schlichtweg Personallöcher zu stopfen gehabt, und das auch noch im Streifendienst mit seinen unwägbaren Gefahren.

Ausscheidende Freiwillige werden nicht mehr ersetzt

Damit soll nach dem Willen der Regierung bald Schluss sein. Von diesem Jahr an gibt es keinen personellen Ersatz mehr für ausscheidende Freiwillige, ab Januar 2013 dürfen die Ehrenamtlichen dann auch nicht mehr auf Streife geschickt werden. Die neuen blauen Uniformen bekommen sie nur noch, „wenn Nachersatz zwingend erforderlich und dieser in Grün nicht mehr möglich ist“, wie es im Innenministerium heißt. Der Innenminister Reinhold Gall (SPD) rechnet schon 2012 mit einer deutlichen Reduzierung der Aufrufstunden. Durchschnittlich knapp zwei Millionen Euro kostete der Freiwilligendienst in den vergangenen Jahren. Bereits dieses Jahr sollen möglichst 500 000 Euro eingespart werden. Personeller Ersatz werde schließlich, so Gall, durch einen „temporären Überhang bei den Vollzugsstellen“ und die angelaufene große Strukturreform der Polizei geschaffen.

Unerwartet kommt die Maßnahme nicht, im Koalitionsvertrag ist die „mittelfristige Auflösung“ des Dienstes festgehalten. Nach Ansicht der Opposition ist das ein schwerer Fehler. Wie beispielsweise der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Blenke beklagt, werde der ohnehin bevorstehende Rückzug der Polizei aus der Fläche „noch verschärft“. Bürgerschaftliches Engagement, so der Calwer Abgeordnete, müsse außerdem „gefördert und nicht behindert werden“. Die Debatte über die Freiwilligen entzweit sogar die Basis der Polizei. Anders als die GdP hält die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) zu den Argumenten der CDU. „Wir sind grundsätzlich für die Erhaltung dieses ehrenamtlichen Engagements“, sagt der Landesvorsitzende Joachim Lautensack. Unter den Freiwilligen seien viele Menschen, „die uns manchmal die Augen öffnen“. Sofern der Dienst nicht als „normale Verstärkung missbraucht“ werde, sei er „eine sinnvolle Ergänzung“.

Die Ehrenamtlichen sollen nicht auf die Straße gesetzt werden

Beiden Gewerkschaften sind immerhin einig darin, dass die Ehrenamtlichen, die noch da sind, nicht düpiert werden sollen. Man solle das Modell „langsam auslaufen lassen“, sagt Gewerkschaftschef Seidenspinner. „Wer uns jahrelang geholfen hat, soll nicht auf die Straße gesetzt werden.“ Die Ehrenamtlichen hätten „uns über eine verdammt schwere Zeit hinweggeholfen“. So sieht das offenbar auch die Landesregierung. Wer im Freiwilligendienst bleiben wolle, heißt es, werde nicht vertrieben.