Am Dienstag stellt der baden-württembergische Ministerrat die Weichen für einen forcierten Ausbau der Windenergie im Land.

Stuttgart - Mindestens zehn Prozent des Strombedarfs will die grün-rote Landesregierung bis 2020 aus heimischer Windkraft decken. Es ist ein überaus ehrgeiziges Ziel, gemessen an den derzeit mageren 0,8 Prozent, einer Zahl, mit der Baden-Württemberg das Schlusslicht im Ländervergleich ist. Je nach Leistung müssten demnach jedes Jahr mindestens 100 neue Windräder aufgestellt werden. Derzeit gibt es knapp 370 im Land.

 

Mit dem nun für Dienstag geplanten Beschluss im Kabinett sollen die planungsrechtlichen Hürden im Landesplanungsgesetz beseitigt werden. Künftig gibt es in der Regionalplanung nur noch Vorranggebiete für Windräder. Die bisherigen Ausschlussgebiete werden abgeschafft.

Übergangsfrist endet am 30. August 2012

Hier kommen nun die Kommunen ins Spiel, die bei diesem Thema bisher keine Planungskompetenz hatten. Sie können künftig selbst entscheiden, ob sich auf ihrem Gemeindegebiet Windräder drehen. Allerdings nur, wenn sie Standorte in ihren Flächennutzungsplänen ausweisen, sagt ein Sprecher des zuständigen Ministers für Verkehr und Infrastruktur, Winfried Hermann (Grüne). Ohne einen solchen kommunalen Plan könnten Investoren anhand des neuen Windatlas auf Standortsuche gehen. Die von ihnen gewünschten Anlagen müssten dann, sofern sie den rechtlichen Voraussetzungen genügten, nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz genehmigt werden. "Die Gemeinden könnten faktisch nicht mehr steuernd eingreifen", heißt es im Entwurf als Begründung für eine Übergangsfrist.

Diese wurde denn auch festgelegt. Sie endet am 30. August 2012, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes. Deshalb fühlen sich die Gemeinden, die kommunalen Spitzenverbände und die Regionalverbände unter Zeitdruck gesetzt. Vor allem kleinere Gemeinden könnten leicht überfordert sein, erklärt Johannes Stingl vom Gemeindetag. Zumal man die Energiewende nicht auf die Windkraft reduzieren könne. Jede Gemeinde müsste sich "ganz grundsätzliche Gedanken" über ein Energiekonzept machen und Standorte für Windräder, Biomasse, Fotovoltaik festlegen. Die Verbände fordern nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Übergangsfrist von mindestens 18 Monaten, um ihre Planungen mitsamt Bürgerbeteiligungen voranzutreiben.

Baden-Baden hat es eilig

Dieses Argument lassen weder Hermann noch der Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) gelten. Die Regionalverbände seien von den geplanten Änderungen bereits im Frühsommer informiert worden. Seit Anfang August stünden die Eckpunkte auf der Homepage der Ministerien. Insofern hätten die Planer bis zum Fristablauf tatsächlich ein gutes Jahr Zeit. "Unser Ziel ist ein positiver Wettbewerb zwischen den Regionalverbänden und den Kommunen", betont ein Sprecher des Umweltministeriums, "wir haben es eilig."

Das hat es auch die Stadt Baden-Baden. Dort wurde die Gefahr der neuen Planungsfreiheit erkannt. Die Stadt ist deshalb bereits mitten im Verfahren für einen neuen Flächennutzungsplan. "Wir wollen die Windkraft auf unserem Stadtgebiet steuern", sagt der Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner (CDU). Bisher hatte sich die Kurstadt, deren Gebiet bis auf die Schwarzwaldhöhen reicht, verweigert. Auf dem Urberg, einem städtischen Gipfel, dreht sich kein einziges Windrad, obwohl der Regionalverband Mittlerer Oberrhein dort ein Vorranggebiet für bis zu sieben Windräder ausgewiesen hat und Interessenten anklopfen.

SPD-Landtagsabgeordneter macht Druck

Der Regionalverband Nordschwarzwald hingegen, der neben dem Verband Neckar-Alb noch keinen gültigen Teilplan zur Windkraft hat, stoppte angesichts der bevorstehenden Gesetzesnovelle die Planung. Man wolle die Änderungen abwarten, erklärt der Verbandsdirektor Dirk Büscher, es gebe zu viele offene Fragen.

Diese wollen die Minister Hermann und Untersteller im Oktober und November auf vier Regionalkonferenzen mit Gemeinderäten, Bürgermeistern, Landräten und Vertretern der Regionalverbände in Stuttgart, Tübingen, Karlsruhe und Freiburg beantworten. Zudem wird es vom Umweltministerium einen Windenergieerlass geben als Handbuch für die Genehmigung von Windrädern anhand der weiterhin geltenden Gesetze, die Naturschutz oder Abstand zur Wohnbebauung regeln. Jetzt macht der SPD-Landtagsabgeordnete Johannes Stober Druck. "Dieses Erlass ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Novelle."