Die erste Geige für bundespolitische Anliegen der Landes-CDU spielt ab jetzt der 46-jährige Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung, der zu einem der fünf Stellvertreter von Friedrich Merz aufgestiegen ist. Voraussetzung für diesen Aufstieg war, dass der Vizeministerpräsident und Landesvorsitzende Thomas Strobl für diese Position nicht mehr angetreten ist. Er bleibt qua Amt zwar Teilnehmer der beiden Spitzengremien und redet damit auch weiterhin mit, ist aber nicht mehr gewähltes Mitglied.
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Dieser Verzicht auf den Vizeposten war ein Zugeständnis Strobls an seinen eigenen Landesverband, der ihm sonst die Wiederwahl zur Spitzenposition bei der Südwest-CDU Ende November 2021 wahrscheinlich verweigert, ganz sicher aber noch dorniger gestaltet hätte, als es bei dem für christdemokratische Verhältnisse sehr flauen Wahlergebnis von 66 Prozent ohnehin geschehen ist.
Auf- und Absteiger
Mit seinem Verzicht hat Strobl den Weg frei gemacht für Andreas Jung. Er hat ab jetzt die wichtigste Stimme für die bundespolitischen Anliegen der Südwest-CDU und muss Profil und Gewicht des Landesverbandes auf Bundesebene stärken. Jung ist wesentlich verantwortlich für die klimapolitische Neuaufstellung der Partei, die schon die jüngsten Wahlprogramme der Christdemokraten auf diesem Themenfeld geprägt hat. Diese Kurskorrektur wird allerdings von den Bürgern noch nicht mit der CDU verknüpft und ist auch an der CDU-Basis selbst noch nicht wirklich angekommen. Dass Jung mit 80 Prozent der Stimmen in der Riege der Stellvertreter hinter Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (92 Prozent der Stimmen), Carsten Linnemann ( 82 Prozent) und der bisherigen Bundes-Vize Silvia Breher (81 Prozent) aber mit deutlichem Abstand vor der Kieler Kultusministerin Karin Prien (70 Prozent) gelandet ist, kann er verschmerzen.
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Die Südwest-CDU stellt mit ihm an der Parteispitze einen Repräsentanten, der für das bei der Neuaufstellung der Partei wichtige Modernisierungsfeld Klimaschutz verantwortlich zeichnet. Sein in der Bewerbungsrede erklärtes Ziel ist ehrgeizig: Er will die CDU als die Partei für Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit präsentieren und die Grünen vom ersten Rang verdrängen. „Wir, die CDU, – niemand anders hat diesen Auftrag“, sagte er bei seiner Bewerbungs und zeigte damit, dass er die landespolitische Wettbewerbssituation mit den Grünen als stärkster Kraft bei seinen bundespolitischen Aktivitäten im Auge hat.
Mehr Chancen für junge Frauen
Ins Präsidium aufgestiegen – und zwar auf dem Ticket der Jungen Union – ist die Ulmer Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer, 32. Die junge Mutter macht seit sieben Jahren Digitalpolitik im Bundestag und beackert damit ebenfalls ein wichtiges Modernisierungsthema für die CDU. Hinzudenken muss man sich zu Jung und Kemmer die Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp, 34, die Friedrich Merz als erste stellvertretende Generalsekretärin seiner Partei auserkoren hat. Gewählt wurde sie jetzt zwar noch nicht, weil die CDU zugunsten dieser neuen Position erst einmal ihre Satzung ändern muss, was bei einem digitalen Parteitag ausgeschlossen ist.
Aber als wichtige Figur aus dem Südwesten an der Parteispitze muss man die frischgebackene Waiblinger Bundestagsabgeordnete, die wie Ronja Kemmer eine junge, berufstätige Mutter ist, schon jetzt. Zwar ist sie formell noch nicht zur kommissarischen Vize-Generalsekretärin ausgerufen worden. Sie soll aber im Team an der Parteispitze ab sofort mitmischen und ein Kommunalbüro im Konrad-Adenauer-Haus leiten.
Niederlage für Vorkämpferin der Quote
Die empfindlichste Niederlage des CDU-Parteitags musste institutionell die Frauenunion und persönlich deren Vorsitzende, die Tübinger Bundestagsabgeordnete Annette Widmann-Mauz, 55, einstecken. Sie war bisher neben Strobl gewählte Vertreterin des Südwestens im Präsidium der Bundes-CDU und ist bei der Wahl am Wochenende durchgefallen.
Schon im Vorfeld des Parteitags zeichnete sich ab, dass es für Widmann-Mauz, die seit vier Jahren im Präsidium saß und eine Vorkämpferin der innerparteilichen Frauenquote ist, eng werden könnte. Unter den acht Bewerbern für sieben Präsidiumsposten zog sie am Ende nach Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn, der das zweitschlechteste Ergebnis hatte, den Kürzeren. Dass die beiden jungen Aufsteigerinnen aus dem Südwesten Widmann-Mauz’ Chancen auf eine Wiederwahl mindern könnten, wurde gemunkelt, seit die Junge Union Ronja Kemmer nominiert hat.
Mit Widmann-Mauz verliert die Bundes-CDU auf dem Modernisierungsfeld der Frauenpolitik, wozu auch eine Aufwertung der Frauen in der eigenen Partei zentral gehört, im Präsidium eine schwergewichtige Streiterin für mehr Gleichberechtigung. Wie Strobl muss die Tübingerin sich damit trösten, dass sie als Chefin der Frauenunion qua Amt Teilnehmerin im Bundesvorstand bleibt. Dort ist der Südwesten künftig mit den beiden Bezirksvorsitzenden Thomas Bareiß (Württemberg-Hohenzollern) und Steffen Bilger (Nord-Württemberg), dem Richter Bastian Schneider (Nordbaden) und der Geschäftsführerin eines Straßenbauunternehmens Ruth Baumann (Südbaden) vertreten.