Die geplante Neuverschuldung für 2105 in Baden-Württemberg dürfte niedriger oder vielleicht gar ganz ausfallen. Davon gegen Insider aus. Das wäre ein hübsches Wahlkampfpräsent.

Stuttgart - Ob eine Absenkung der Nettokreditaufnahme für 2015 möglich sein wird, wird zu gegebener Zeit mit Blick auf die jeweilige Sachlage entschieden werden.“ Ein klares Dementi liest sich anders als diese Einlassung aus dem Finanzministerium. Wilfried Krahwinkel, der Chef des Steuerzahlerbundes im Land hatte bei ganz anderer Gelegenheit beiläufig fallen lassen, er gehe davon aus, Grün-Rot werde die für 2015 geplante Neuverschuldung niedriger oder vielleicht sogar ganz ausfallen lassen. Also?

 

Laut Plan will man dieses Jahr rund 770 Millionen Euro ausleihen. Könnte das abgeblasen werden, könnte die amtierende Landesregierung von sich sagen, sie sei in den fünf Jahren ihrer Regentschaft dreimal ohne neue Schulden ausgekommen und habe das auch für 2016 so eingetütet. Das hat es im Land noch nicht gegeben, und das wäre für Grüne und SPD ein hübsches Wahlkampfpräsent. Doch ist es dafür noch zu früh; später im Jahr wäre es besser. Darum lässt man sich bei den Finanzministerialen auch nicht in die Karten schauen.

Wie aber sieht die „jeweilige Sachlage“ im Moment aus? Nicht so übel kann man zusammenfassen. Beispiel Zinskosten: „Die Kreditmarktschulden des Landes sind in den vergangenen zehn Jahren um 17,2 Prozent auf 46,3 Milliarden Euro gestiegen,“ stellt der Landesrechnungshof fest. Im gleichen Zeitraum ist aber die Zinsbelastung um 19 Prozent gesunken. Wie geht das? „Wegen des gesunkenen Zinsniveaus“, mutmaßt der Rechnungshof.

Stille Reserve kann den Schuldenstand drücken

Das ist nur die halbe Wahrheit. Er lässt sich vom Stichtag 31. Dezember blenden, an dem der Schuldenstand ermittelt wird. da betrug er 2014 tatsächlich 46,3 Milliarden Euro. Im vorausgehenden November waren es aber 3,6 Milliarden weniger, im darauf folgenden Januar sogar 5,4 Milliarden. Im Jahresdurchschnitt lag der Schuldenstand des Landes 2014 um knapp vier Milliarden unter dem Endstand; in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres sogar um 5,7 Milliarden Euro. Es ist logisch, dass so aufs ganze Jahr gesehen, niedrigere Zinskosten zusammenkommen. 2013 waren das 210 Millionen. Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor. Immerhin hat man bei der aktuellen Etatplanung die Ansätze etwas nach unten korrigiert. In welchem Umfang diese „stille Reserve“ noch besteht, muss sich noch herausstellen.

Bei den Personalausgaben ist das anders. Hier wurden für 2015 und für 2016 jeweils höhere Summen eingestellt als für 2014. Das erscheint naheliegend. Schließlich hat es auch Gehaltserhöhungen für die Staatsbediensteten gegeben. Man erinnert sich an die Proteste der Landesbeamten, weil sie eine Aufwertung teilweise erst zeitversetzt erfahren. Wer in die Besoldungsgruppe A 12 oder höher eingestuft ist, kommt erst von November an in den Genuss eines höheren Gehalts.

Das sind aber über 70 Prozent der aktiven und der mit Ruhegeld versorgten Beamten. Die Mehrkosten fürs Land belaufen sich 2015 denn auch „nur“ auf 71,5 Millionen Euro. 2016 sind es dann schon 335,9 Millionen mehr als bisher. Dazu kommt das Plus für die Tarifbeschäftigten. Bei der Haushaltsaufstellung wurde für solche Erhöhungen Vorsorge getroffen: Es wurden gut 620 Millionen veranschlagt, sogar 18 Millionen mehr als tatsächlich nötig sind.

Hinzu kommt, dass wie bei den Zinskosten auch die Personalausgaben in der Vergangenheit zu üppig kalkuliert worden sind. 2011 lagen die tatsächlichen Ausgaben um knapp 140 Millionen niedriger als die geplanten, 2013 waren es fast 400 Millionen, 2013 sogar 775 Millionen Euro – auch das ein stolzes Polster an stillen Reserven.

Große Unbekannte im Etat – Kosten für die Flüchtlinge

Es gibt aber doch eine heikle Stelle im Haushalt, dort wo die Flüchtlingspolitik etatisiert wird. Man kann Grün-Rot nicht vorwerfen, dass sie nicht auch da Vorsorge getroffen hätte. Seit der Vorlage des Entwurfs für den Doppelhaushalt 2015/16 bis zur Beschlussfassung über den Nachtragshaushalt zieht sich eine Spur ständig steigender Zahlen. Noch während der Beratung des Nachtrages wurden die Ansätze nach oben korrigiert. So sind zum Beispiel die noch nicht einmal begonnenen Erstaufnahmestellen für Flüchtlinge in Freiburg, Mannheim und Schwäbisch Hall mit insgesamt fast 80 Millionen Euro finanziert.

Im Plan des Innenressorts sind insgesamt 20 zusätzliche Stellen – vom Regierungsdirektor bis zu drei Regierungshauptsekretären – finanziert, die sich um die wohl verstärkt zu tätigenden Abschiebungen kümmern sollen. Das Justizministerium hat zwölf neue Verwaltungsrichter bewilligt bekommen, die Asylverfahren bearbeiten. Auch der Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) wurden fünf zusätzliche Sachbearbeiter zugestanden.

Flüchtlingszahlen werden ständig erhöht

Gemäß den Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind die an die Kommunen zu leistenden Erstattungssummen an zunächst erwarteten 23 000, dann an 26 000 und schließlich an 33 000 Flüchtlingen orientiert worden. Das macht 2015 immerhin rund 130 Millionen Euro mehr als zunächst geplant.

Die Frage ist nur, ob das reicht. Denn seither hat das BAMF seine Prognose noch einmal auf 52 000 im Südwesten eintreffende Flüchtlinge erhöht. Und selbst das scheint angesichts der aktuellen Entwicklung zu tief gegriffen zu sein.

Allerdings gibt es im Landesetat auch dafür noch ein Polster: Es stehen rund 460 Millionen Euro aus einer Rücklage für Haushaltsrisiken bereit, um höhere Kosten der Flüchtlingsunterbringung abzudecken.

Und dann sind da ja noch die Steuereinnahmen. Die Steuerschätzung im Mai hat in diesem Jahr 180 Millionen Euro höhere Einnahmen in Aussicht gestellt als im Haushalt verplant sind. Für 2016 immerhin noch 29 Millionen mehr.

Angesichts all dieser Zahlen wäre die Empfehlung: Wetten Sie nicht gegen eine – ganz überraschend angekündigte – Absenkung der Neuverschuldung in 2015.