Der Filderstädter Gemeinderat befürwortet eine schnelle Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Die Haltung der Oberbürgermeisterin sorgt jedoch für Irritationen.

Filderstadt - Hochwasserschutz ist ein komplexes Thema und beinhaltet so manchen Konfliktpunkt. So verwunderte es nicht, dass beim vorletzten Punkt auf der Tagesordnung des Gemeinderats am Montag noch einmal engagiert diskutiert wurde. Für fünf Minuten wurde die Sitzung sogar unterbrochen.

 

Doch der Reihe nach. Zunächst präsentierte Bürgermeister Reinhard Molt, welche Maßnahmen der Zweckverband Hochwasserschutz Körsch (ZHK), in dem Filderstadt Mitglied ist, entlang des Katzenbachs und des Fleinsbachs plant. Das Problem: Bei Starkregen können beide Bäche für Überschwemmungen sorgen.

Grundstücke liegen unter Straßenniveau

Wie Molt erklärte, gebe es entlang des Katzenbachs, der Bernhausen in einem Kanal unterquert, einige Grundstücke, die unter Straßenniveau liegen, beispielsweise an der Unteren Bachstraße. Dort würden Keller und Garagen volllaufen, sobald der Bach an die Oberfläche trete, berichtete er. Molt sprach von dem Fall eines sogenannten HQ 100, einem Hochwasser, das statistisch gesehen nur einmal in 100 Jahren vorkommt: „Es gibt 180 betroffene Gebäude im Bereich des Katzenbachs.“

Als Schutzmaßnahme favorisieren der ZHK und das Landratsamt Esslingen ein Rückhaltebecken (RHB) bei der Richthofenstraße in Bernhausen, östlich der Nord-West-Umfahrung. Es soll mindestens 20 000 Kubikmeter Wasser fassen. „Dadurch gibt es im Bereich des Katzenbachs endlich eine Reaktionszeit für die Hilfskräfte“, fuhr Molt fort.

Tritt der Fleinsbach über die Ufer, dann wären im Falle eines HQ 100 rund 40 Gebäude in Filderstadt von Überflutungen betroffen. Einen effizienten Schutz bietet nur eine Kombilösung aus einem Rückhaltebecken am oberen Fleinsbach und örtlichen Maßnahmen in Sielmingen (siehe Kasten). Für das Becken gibt es zwei mögliche Standorte: bei der Kläranlage in Stetten oder im Gebiet Augenloch in Bernhausen. „Wir wollen mit der Nachbarkommune noch ins Gespräch treten“, berichtete Molt.

Stadtrat Ernst Schumacher (FW) berichtete von seinen Beobachtungen der vergangenen 30 Jahre: „Nach jedem Starkregen ist der Katzenbach angeschwollen und hat Fäkalien mitgebracht.“ Er sieht Leinfelden-Echterdingen in der Pflicht, für einen Hochwasserschutz zu sorgen.

OB enthalt sich

„Wenn man in einem Hochwassergebiet liegt, dann geht es nicht, die Gefahr auf die niedriger gelegene Kommune abzudrücken“, meinte auch SPD-Rat Willfried Nobel. Zum Hintergrund: Im Falle des Katzenbachs lehnt die Stadt L.-E. ein Rückhaltebecken zum Schutz der Unterlieger auf der eigenen Gemarkung ab. Auch von einem Becken bei der Kläranlage in Stetten ist die Nachbarkommune nicht begeistert.

Sowohl Nobel als auch Matthias Gastel (Grüne/FFL) wiesen ferner auf ein „Dilemma“ beim Landratsamt hin. Ursprünglich war ein RHB für den Fleinsbach bei der Klinkermühle in Sielmingen vorgesehen. Übersehen wurde jedoch, dass sich dort ein Naturdenkmal befindet. Offenbar war die Untere Naturschutzbehörde zunächst nicht in das Verfahren eingeschaltet.

„Wir brauchen heute einen Beschluss von Ihnen, damit der Verband weiter planen kann“, sagte Oberbürgermeisterin Gabriele Dönig-Poppensieker – und sorgte anschließend für Verwunderung bei den Räten. Sie kündigte an, sich bei der Abstimmung über das Becken an der Richthofenstraße zu enthalten. Ihre Begründung: Ein Becken mit Schutzgrad von HQ 100 sei ihr lieber als ein Becken, das nur Schutz vor Hochwasser bietet, die theoretisch alle 50 Jahre vorkommen (HQ 50). „Aber ein HQ-100-Becken würde in der Planung länger dauern“, sagte sie.

Fünf Minuten Sitzungsunterbrechung

„Sollen wir uns dann jetzt auch enthalten?“, fragte Gastel, der verwirrt war angesichts der Differenz zwischen der Ansicht der Rathauschefin und dem Vorschlag der Verwaltung. Außerdem empörte ihn Dönig-Poppensiekers Äußerung, wonach sie „zum Schutz meiner Bevölkerung“ für das größere Becken sei.

Als Unruhe im Saal aufkam, beantragte Armin Stickler (Grüne/FFL) eine Sitzungsunterbrechung für Beratungen, was die Mehrheit des Gremiums befürwortete. Vor der fünfminütigen Pause plädierte Reinhard Molt für eine zügige Umsetzung der Maßnahmen: „Man kann dann viel ruhiger schlafen.“ Laut Molt tagt der Verband im Herbst das nächste Mal. Seine Einschätzung: So lange es noch Zuschüsse gebe, lasse sich das große Becken nicht realisieren.

Vor der Abstimmung teilten alle Fraktionssprecher mit, dass sie aus Verantwortung für die Bürger eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen befürworten und für den Bau des HQ-50-Beckens stimmen werden. Zudem sagte Johannes Jauch (FDP) zu der OB: „Ihre Wortmeldung, ihr Verhalten hat uns irritiert.“ Ähnlich äußerten sich die Fraktionschefs Christoph Traub (CDU) und Stefan Hermann (FW) sowie Matthias Gastel. „Ich hielt es für wichtig, mitzuteilen, dass man auch ein HQ-100-Becken bauen könnte“, entgegnete die OB und enthielt sich schließlich wie angekündigt in dem Punkt. Den Maßnahmen in Sielmingen stimmte sie, wie auch die Stadträte, zu.