Bäckerei in Stuttgart Königsbäck kürzt Öffnungszeiten

Transparenter Betrieb: Aurelio und Francesco Ingrassia vor ihrer gläsernen Produktion Foto: /Matthias Ring

Um zweieinhalb Stunden reduziert Francesco Ingrassia künftig seine Öffnungszeiten. Er findet keine neuen Mitarbeiter. Mit den Arbeitsvorstellungen der jungen Generation kann der Bäcker nichts anfangen. Auch andere Bäcker haben Konsequenzen gezogen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Zweieinhalb Stunden täglich erspart Francesco Ingrassia sich und seinem Team: Von 1. Juni an hat die Bäckerei Königsbäck montags bis freitags nur noch bis 15 statt bis 17.30 Uhr geöffnet. Die Kundschaft wird weiterhin an sieben Tagen die Woche in der Gablenberger Hauptstraße bedient, nur nicht feiertags und im Feierabend. Trotz langer Suche und einigen Bewerbergesprächen hat der Bio-Bäcker keine neuen Mitarbeiter gefunden. „Ich kann die Arbeitsvorstellungen der jungen Generation nicht bedienen“, sagt er. Dabei bietet Königsbäck seiner Meinung nach gute Bedingungen wie „ein hippes Konzept“, eine überdurchschnittliche Bezahlung, 30 Tage Urlaub und keine Nachtarbeit. „Bei Work-Life-Balance geht es mehr um Life als um Work“, ist jedoch sein Eindruck. Auch andere Bäckereien reagieren auf den Fachkräftemangel.

 

Auch das Backparadies verkürzt die Öffnungszeiten

Im Möhringer Backparadies gab es früher bis 20 Uhr Brezeln und Brote zu kaufen. Erst sparte sich Moritz Monese eine Stunde ein, mittlerweile sind es schon zwei. Auch den Mittagstisch schaffte er ab, und das Sonntagsbuffet ist von vier auf einen Sonntag im Monat reduziert worden. Die Filiale in der Vaihinger Straße bleibt seit einiger Zeit an Feiertagen geschlossen. Gelernte Kräfte zu finden, sei unmöglich, berichtet Heidi Monese, ungelernte einzuarbeiten, erfordere viel Aufwand. Aber nicht nur die Personalknappheit macht der Bäckerei zu schaffen, auch die Sparsamkeit der Kunden, die mit der Inflation und der Energiekrise eingesetzt hat. Weil weniger eingekauft wird, muss die Familie Kosten und deshalb Öffnungszeit einsparen.

Francesco Ingrassia hat die Handbremse gezogen, um seine Mitarbeiter nicht zu verschleißen. Seine Stammelf sei „voll am Start und zieht mit“, lobt er die Mitarbeiter. Die Hauptverkaufszeit sei bei jedem Bäcker in der Früh, abends sowieso weniger los, weshalb er die Serviceleistung der langen Öffnungszeiten nun einschränkt. Der 33-Jährige nennt es „eine Anpassung an die aktuellen Umstände“. Denn nicht nur Bäcker, sondern auch Unternehmen, Anwälte oder Physiotherapeuten hätten Schwierigkeiten mit der Nachwuchsgewinnung, berichten ihm die Kunden. In den sozialen Medien kursiere überall die Vier-Tage-Woche, schon beim Bewerbungsgespräch würden solche Bedingungen gestellt. Käme es zu einer Neueinstellung, sei der Mitarbeiter oft schnell wieder weg – wegen der physischen Belastung oder „beim geringsten Gegenwind“.

Die Erbengeneration braucht kein Einkommen mehr

„Der Wohlstand gibt uns die Möglichkeit, die Arbeit leicht zu nehmen“, vermutet Francesco Ingrassia. Für die Erbengeneration sei ein Einkommen offenbar nicht mehr existenziell notwendig. Vor wenigen Jahren hätte er sich noch viel leichter mit der Mitarbeitergewinnung getan. Möglicherweise hätten Krisen wie die Coronapandemie oder der Ukraine-Krieg dazu beigetragen, dass junge Menschen ihr Leben genießen statt arbeiten wollen. „Es ist absehbar, bis das System gegen die Wand läuft“ glaubt Francesco Ingrassia. Eine Gesellschaft müsse produktiv sein, um ihren Standard zu halten. Er zieht Parallelen zu den 1950er Jahren, als sein Großvater nach Deutschland kam voller Tatendrang – und versucht jetzt, Flüchtlinge aus der Ukraine und Afrika in seine Mannschaft zu integrieren.

Neuer Erfolg für den alten Tante Emma Laden

An die 1950er Jahre erinnert auch das neue Erfolgskonzept von Claus-Jürgen Blank: Er betreibt seit März einen Tante Emma Laden in Luginsland, nachdem er seine Bäckerei Bubeck Ende 2022 aufgab. Eigentlich hatte er einen Nachmieter für die Filiale gesucht, die seine profitabelste war, doch große Bäckereien machten den Rückzug. Also eröffnete er „Bubecks Brot & mehr“. Brötchen und Brezel bezieht der Konditormeister, Kuchen, süße Stückchen und Croissants macht er selbst, außerdem hat er Obst, Gemüse, Wurst, Maultaschen und Fleischküchle im Sortiment. „Es wird super angenommen“, berichtet Daniela Blum, mit er er die Bäckerei Bubeck von ihren Eltern übernahm. Denn Claus-Jürgen Blank könne sich auf ein einziges Geschäft konzentrieren, sei immer für die Kunden da, biete eine gute Beratung und verkaufe dadurch mehr. Personal musste er keines suchen, weil ihm seine beiden Verkäuferinnen treu blieben. „Es ist weniger Aufwand und deshalb eine lukrative Sache“, sagt Daniela Blum. Aber dass ein Tante Emma Laden plötzlich wieder funktioniert, hat sie selbst überrascht.

Beim Königsbäck stehen Francesco Ingrassia und sein Vater Aurelio hinter dem Betrieb. Weitere Filialen zu eröffnen, würde ihnen nicht in den Sinn kommen. Ihnen geht es um das Handwerk und dafür bleibe in größeren Firmen weniger Zeit. Die Geschäftsmodelle in der Branche änderten sich momentan hin zu kleineren Einheiten. Beim Backparadies wird nur noch von Jahr zu Jahr geplant, Heidi Monese hofft, dass es bis zur Rente reicht. „Es ist manchmal schwer“, sagt sie, „es macht aber trotzdem noch Spaß.“

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