Die Landesregierung in Stuttgart müsse „massiv“ ihre Förderprogramme für Landwirte aufstocken, sagen 15 Verbände aus dem Umwelt – und Natursektor. Selbst die Jäger und Schafzüchter sind dabei.

Stuttgart - Eine ungewöhnliche Allianz von 15 Verbänden – vom Schwäbischen Albverein, über Naturschutzbund, den BUND bis hin zum Landesjagdverband – hat sich am Montag in Stuttgart für einen „massiven Ausbau“ der Förderprogramme für Landwirte ausgesprochen, die die Kulturlandschaft pflegen und einen Beitrag zur Biodiversität leisten. Sich auf eine Studie von Agrarökologen berufend sagen die Verbände, dass die seit Jahren eingespielten Förderprogramme des Landes – FAKT und die Landespflegschaftsrichtlinie (LPR) – im Prinzip ein gutes Mittel seien, um das Artensterben zu stoppen. Sie seien finanziell aber zu schwach ausgestattet. Für das FAKT, das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl, fordern die Verbände einen Mehrbetrag von 169 Millionen Euro jährlich, für das LPR – mit dem extensive Landwirtschaft und Biotoppflege honoriert wird – wird ein Mehrbedarf von 37 Millionen Euro beziffert, und für sonstige Maßnahmen wie die Beratung über Biodiversität nochmals 20 Millionen Euro. Alles in allem sollten Land, Bund und EU also 225 Millionen Euro zusätzlich bereit stellen.

 

Von der Landesregierung werden „größere Anstrengungen“ verlangt

„Das Artensterben kann gestoppt werden, wenn wir auch kleine Landwirtschaftsbetriebe zielgenau unterstützen“, sagte der Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle. Gerhard Bronner, der Vorsitzende des Landesnaturschutzverbandes, erinnerte daran, dass die grün-schwarze Landesregierung angetreten sei, eine „Trendumkehr“ beim Artensterben einzuleiten. Sie habe auch sinnvolle Maßnahmen ergriffen, „es braucht aber deutlich größere Anstrengungen“. Ähnlich äußerte sich Alfons Gimber vom Landesschafzuchtverband: die Förderprogramme seien „ökonomisch unattraktiv“ oder zu bürokratisch: „Das schreckt viele Schäfer ab. Dies trifft besonders für Weiden zu, die kleinteilig und schwer zu bewirtschaften sind. Aber die sind für die Artenvielfalt häufig besonders wertvoll.“

Ein Manko sehen die Verbände auch bei den Streuobstwiesen. Mit mehr als neun Millionen Obstbäumen habe Baden-Württemberg „die größten zusammenhängende Streuobstflächen Europas“, sie gehören zu den wertvollen Kulturlandschaften und sind Lebensraum von 5000 Tier- und Pflanzenarten. Die meisten Obstwiesen seien in Privatbesitz und würden von der Agrarförderung nicht erreicht. Die Studie schlägt vor, die Initiativen zur Streuobstvermarktung stärker zu unterstützen, man müsse die Stücklesbesitzer motivieren, die Wiesen zu erhalten.

Die Förderung im Ökolandbau klappt ganz gut

Als gut funktionierend wird die Förderung des Ökolandbaus beschrieben: Der Trend hin zu mehr Biobauernhöfen ist ausgeprägt, die Zuwachszahlen waren in den letzten Jahren zweistellig. Ein Ackerbaubetrieb, der auf Bio umstellt, erhält in den ersten zwei Jahren eine Umstellungsprämie von 350 Euro pro Hektar, in den Folgejahren 230 Euro pro Hektar. „Die Zahlungen sind notwendig und gerechtfertigt, der Bioanbau bringt der Natur deutliche Vorteile“, meinte Christian Eichert, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau. Auch habe die Landesregierung ein klares Ziel gesetzt, wenn sie bis 2030 für den Bioanbau einen Anteil von 30 Prozent wolle. Damit das erreicht werden könne, müsse die Regierung aber die „notwendige Begleitmusik“ spielen. Wünschenswert sei etwa die Kombination verschiedener Förderprogramme.

Die Autoren der Studie – das Institut für Agrarökologie und Biodiversität und das Fachbüro Dr. Florian Wagner & Partner – hatten den Ist-Zustand bei der Agrarförderung im Ackerbau, auf Grünland, beim Streu- sowie Erwerbsobst und im Weinbau analysiert und eine Optimierung der Förderung errechnet. In ihren Vorschlägen zur Verbesserung nennen sie eine höhere Vergütung für die Biodiversitätsleistung der Bauern und eine stärke Breitenwirkung, denn noch profitieren meist kleine Flächen von FAKT und LPR.

Dass die Bauernverbände nicht Teil der Allianz sind, wird damit erklärt, das in der Studie vorgeschlagen wird, Mittel aus der sogenannten Säule 1 der Agrarförderung (Direktzahlungen) in die Säule 2 (Umweltmaßnahmen, Landschaftspflege) zu überführen. Dies ist vielen Bauern ein Dorn im Auge. Die Gesamtsumme von 225 Millionen Euro bedeutet laut Landesjägermeister Jörg Friedmann „rund 20 Euro pro Einwohner und Jahr für Rebhuhn, Feldlerche und Feldhase, für eine attraktive Kulturlandschaft, gesundes Lebensmittel und überlebensfähige Bauernhöfe“. Das müsse einem die Natur wert sein.