Exklusiv Die Bahn will das unrentable Geschäft bis 2017 aufgeben. Nachtzugverbindungen werden künftig deutlich reduziert. Das Bündnis „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ kritisert die Pläne.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Lange hat die Deutsche Bahn (DB) die unangenehme Entscheidung auf die lange Bank geschoben. Doch angesichts des Gewinneinbruchs beim größten Staatskonzern will Vorstandschef Rüdiger Grube ständige Verlustbringer nicht länger dulden. Alle Autozüge sollen in vier Schritten bis 2017 aufs Abstellgleis geschoben werden. Zudem werden mehrere Nachtzugverbindungen nach Kopenhagen und Paris komplett eingestellt und weitere nach Prag und Warschau drastisch gekürzt. Das ergibt sich aus vertraulichen DB-Unterlagen, die der Stuttgarter Zeitung vorliegen.

 

Ein Bahnsprecher bestätigte die Kürzungspläne. Die Autozüge seien ein Geschäft, das sich überlebt habe und nicht rechne. Zudem liefen die Genehmigungen für die speziellen Transporter aus, Neuanfertigungen wären sehr teuer. Bei den Nachtzügen dagegen versuche man, das Geschäft zukunftsfähig zu machen, indem die verlustreichsten Verbindungen aufgegeben werden. Die Anschaffung neuer Fahrzeuge sei bisher aber nicht vorgesehen.

Mehrfach hat die Bahn in den letzten Jahren unrentable Strecken im Nacht- und Autozugverkehr gestrichen und die Fahrpläne ausgedünnt. Beide Sparten fahren zusammen pro Jahr einen deutlich zweistelligen Millionenverlust ein. Die meisten Auto- und Nachtzüge sind um die 40 Jahre alt. Ein teurer Austausch stünde an, den der Konzern seit Jahren scheut. Die DB Autozug GmbH wurde vorigen Herbst in die DB Fernverkehr überführt. Seit diesem Jahr hat die DB alle Autozüge ab Berlin gestrichen. Übrig blieb nur ein „Pilotprojekt“, bei dem die Autos der Bahnreisenden nicht mehr mit dem gleichen Zug, sondern separat per Lkw über Nacht nach München transportiert werden.

Billigflieger und Mietwagen machen Autozügen zu schaffen

In den sechs weiteren Abfahrtorten Hamburg, Hildesheim, Düsseldorf, Neu-Isenburg bei Frankfurt, München und Lörrach sollen die Autozüge bis 2017 in vier Schritten wegfallen. Damit werden auch die vier letzten Ziele im Ausland abgehängt: Innsbruck und Villach (beide Österreich), das italienische Alessandria und Narbonne in Frankreich. Die Autozüge fahren seit mehr als 80 Jahren. Das Geschäft ist stark rückläufig, die Zahl der Fahrgäste sank in den vergangenen 15 Jahren um mehr als die Hälfte auf noch rund 200 000.

Wie den Autozügen machen auch den Nachtzügen vor allem die Billigflieger sowie günstige Hotel- und Mietwagenangebote zu schaffen. Die DB hat deshalb die Steuerungsgruppe „Luna“ eingesetzt, die für die Nachtzüge eine Lösung finden sollte. Ziel: bis 2016 soll der Betrieb kostendeckend sein. Dafür soll nun das Netz der bisher noch 17 „City-Night-Line“-Verbindungen massiv ausgedünnt werden. Zum Fahrplanwechsel im Dezember soll der Nachtverkehr nach Dänemark und Frankreich ganz wegfallen. Das Angebot nach Holland soll halbiert und der Nachtverkehr nach Italien künftig von der Österreichischen Bundesbahn übernommen werden.

Konkret werde nach Informationen des Bahnfachblattes „Drehscheibe“ der Nachtzug „Aurora“ zwischen Kopenhagen, Frankfurt und Basel ersatzlos eingestellt. Im Nachtverkehr nach Frankreich sollen die Züge aus Hamburg und Hannover sowie Berlin und München, die bei Mannheim zu einem Zug nach Paris gekoppelt werden, komplett eingestellt werden. Zudem soll der Nachtzug „Jan Kiepura“ zwischen Warschau, Berlin und Amsterdam künftig nur noch bis nach Dortmund und Köln fahren. Amsterdam wird per Nachtzug nur noch ab München über Stuttgart erreichbar sein.

Bündnis „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ kritisiert Kürzung

In vielen Ländern Europas wurden Auto- und Nachtzüge bereits mangels Rentabilität eingestellt. Auch schnellere Bahnverbindungen am Tag sind die Ursache. So fiel bereits die Nachtzugverbindung Frankfurt-Paris weg, da man die Strecke mit dem ICE inzwischen unter vier Stunden schafft. Nur noch 17 „City-Night-Line“ sind übrig, die zumeist in Berlin, Hamburg und München starten. Die Deutsche Bahn will durch die Ausdünnung des Nachtzugnetzes die größten Verlustbringer ausmerzen. Das Ziel sei, die Sparte zu erhalten, wird in den internen Unterlagen betont.

Beim Bündnis „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ stoßen die Kürzungspläne für die Nachtzüge auf Kritik. Statt Streichungen sei eine „Qualitätsoffensive“ nötig, um die Angebote für Reisende wieder attraktiver zu machen, sagte Bernhard Knierim. Die Bahn sollte sich neue Strecken überlegen und das Angebot an Sitz-, Liege- und Schlafwagen modernisieren. Es sei der falsche Ansatz, nur die Wirtschaftlichkeit einzelner Strecken zu betrachten. Entscheidend sei vielmehr ein attraktives, flächendeckendes Verbindungsnetz für Bahnreisende. Schon die Abschaffung der Interregio- Fernzüge sei daher ein schwerer Fehler gewesen, den nun Anbieter von Fernbussen nutzten, um der Bahn auf diesen Strecken viele Kunden abzujagen. Der Bahnexperte der Grünen im Bundestag, Matthias Gastel, forderte den Erhalt der Nachtzugverbindungen. Die Grünen wollen die Kürzungspläne des Staatskonzerns nach der Sommerpause zum Thema im Verkehrsausschuss des Bundestags machen.