Bei der Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bahn am Mittwoch stehen die Signale auf Sturm. Die Arbeitnehmerbank will die Budgetplanung bis 2021 ablehnen und so gegen weitere Einschnitte im Güterverkehr und Werksschließungen protestieren.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Erstmals seit der Bahnreform 1994 könnten die Budgetpläne eines Bahnchefs im Aufsichtsrat des größten Staatskonzerns blockiert werden. Bei der 119. Sitzung des Kontrollgremiums der Deutschen Bahn AG, die am Mittwoch im Berliner Bahn-Tower stattfindet, will die Arbeitnehmerbank der wichtigen Mittelfristplanung 2017-2021 von DB-Chef Rüdiger Grube die Zustimmung teils verweigern. Das hat unsere Zeitung aus zuverlässiger Quelle erfahren.

 

Mit der Blockade wollen die Arbeitnehmervertreter die Umsetzung der umstrittenen Sanierungskonzepte „Zukunft Bahn“ und „Opex“ aufhalten, die massive Einschnitte wie den Abbau Tausender Stellen und Schließungen von DB-Reparaturwerken in teils strukturschwachen Regionen vorsehen. Besonders bei Europas größter Güterbahn DB Cargo ist der Unmut groß, allein hier sollen nach aktuellem Stand 2147 Arbeitsplätze und 173 Verladestellen gestrichen werden.

Zu Wochenbeginn gingen deshalb bundesweit mehr als 3000 Bahnbeschäftigte zu Protesten gegen den weiteren Schrumpfkurs auf die Straße. Unter dem Motto „Es ist 5 vor 12“ fordern die Bahngewerkschaft EVG und ihre DB-Betriebsräte einen Kurswechsel von der DB-Spitze und Cargo-Chef Jürgen Wilder hin zu mehr Wachstum, Qualität, Beschäftigung und Produktivität. Man wolle damit „auch die Politik wachrütteln“, sagt der Berliner Betriebsratschef Thomas Pfarr.

Auch von der SPD kommt Widerstand

Dort zeigt sich zumindest die Opposition alarmiert. Für mehr Verlagerung von Transporten auf die Schiene müssten von der Regierung endlich die politischen Weichen gestellt werden, forderte die Verkehrsexpertin der Linken im Bundestag, Sabine Leidig. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zementiere mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030 aber die Ausbaupolitik zugunsten der Straßen, worunter der Schienenverkehr leide.

Grube stößt mit seinen Rotstiftplänen bereits seit einem Jahr auf Widerstand und kann sie mangels Zustimmung bisher in weiten Teilen nicht umsetzen. Beabsichtigte Schließungen von DB-Reparaturwerken könnten nach derzeitigem Stand Cottbus, Chemnitz, Kassel und Neumünster treffen, wie unsere Zeitung erfuhr. Die Pläne wurden teils aufgeschoben, auch weil die Bundesregierung im Wahljahr 2017 weitere Unruhe bei der Bahn vermeiden will.

Mitdem Sanierungskonzept „Zukunft Bahn“ drohe DB Cargo „endgültig gegen den Prellbock zu fahren“, warnt EVG-Chef Alexander Kirchner, der auch Vizechef des DB-Konzernaufsichtsrats ist. Bei der Sitzung des 20-köpfigen Kontrollgremiums am Mittwoch wollen nach Informationen unserer Zeitung nicht nur die neun Vertreter der EVG-Arbeitnehmerbank die Zustimmung zu den Budgetplänen verweigern, sondern auch mehrere Aufsichtsräte, die mit SPD-Parteibuch den Bund als Eigentümer vertreten.

Missmanagement bei DB Cargo

Die Ablehnung der Budgetpläne unter Tagesordnungspunkt 4 wäre ein bisher einmaliger Vorgang und ein Misstrauensvotum gegen DB-Chef Grube, heißt es in Arbeitnehmerkreisen. Dort wächst der Ärger auch wegen der geplanten Berufung von Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla zum neuen DB-Infrastrukturvorstand. Der weitere Aufstieg des umstrittenen CDU-Manns als Nachfolger des bisherigen DB-Vizechefs und „Mister Stuttgart 21“ Volker Kefer soll am Mittwoch unter TOP 2.3 beschlossen werden. Zuvor steht die Verlängerung des Vertrags von Personalchef Ulrich Weber auf der Agenda, der am späten Montagabend den Tarifabschluss mit der Bahngewerkschaft EVG unter Dach und Fach brachte.

Bereits bei der Aufsichtsratssitzung der DB Cargo AG vorige Woche hatten die Arbeitnehmervertreter scharf gegen den seit neun Jahren anhaltenden Niedergang von Europas immer noch größter Güterbahn protestiert. Zwischen 2008 und 2016 sank der Marktanteil von 79 auf 56 Prozent, die Transportleistung von 90 auf nur noch 68 Milliarden Tonnenkilometer. Die Verluste der DB-Tochter summieren sich gar auf mehr als 500 Millionen Euro.

Dafür machen die Arbeitnehmervertreter ein fatales Missmanagement der Cargo-Spitze verantwortlich. Seit 2008 habe es sechs Sanierungskonzepte und 22 Vorstände gegeben, davon allein neun für die Produktion. 4000 Stellen seien gestrichen worden, doch das alles habe „den Verfall nur beschleunigt“, heißt es in einem EVG-Papier, das der Konzern-Aufsichtsrat in Auszügen am Mittwoch zur Kenntnis bekommen soll.

Auch Stuttgart 21 ist Thema

Bei dem wichtigen Treffen am Mittwoch steht unter TOP 5.6 auch wieder Stuttgart 21 zur Debatte. Hier liegt allen 20 Aufsichtsräten inzwischen die komplette Langfassung des KPMG/Basler-Gutachtens vor. Die externe Bewertung wurde von den Kontrolleuren zur Überprüfung der Vorstandsberichte bestellt, nachdem DB-Vize Kefer weitere Kostensteigerungen bei dem inzwischen offiziell auf 6,5 Milliarden Euro veranschlagten Großprojekt einräumen musste.

Wie berichtet warnen die Gutachter von KPMG/Basler die DB-Kontrolleure unter anderem vor den bisher unterbewerteten Langzeitrisiken des fast 60 Kilometer langen S 21-Tunnelbaus, der mehr als 15 Kilometer durch schwierigen Anhydrit-Untergrund führt, der bei Wasserkontakt stark aufquellen und unter- wie oberirdisch große Druckschäden verursachen kann. Es bestehe dadurch „ein unüblich großes Risiko für die Betriebstauglichkeit“ der Bahntunnel, heißt es auf Seite 52 der vertraulichen Expertise, die unserer Zeitung vorliegt. Auf Seite 138 wird deshalb explizit vor möglichen Verzögerungen von bis zu drei Jahren gewarnt, dann würde Stuttgart 21 erst Ende 2024 fertig.