Bottrop, München, Ulm und der Landkreis Rhön-Grabfeld: Die meisten Busse, die Passagiere während der Sperrung der Bahnstrecke zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt transportieren, tragen Kennzeichen aus Gegenden, die außerhalb der Region Stuttgart liegen. Da fragt sich der unbedarfte Beobachter, ob Unternehmen vor Ort keine Kapazitäten oder schlicht kein Interesse haben, einzuspringen.
Horst Windeisen, der Geschäftsführer von Omnibus-Verkehr Ruoff Waiblingen, sagt dazu: „In der Region Stuttgart gibt es rund 30 Busunternehmen, die im VVS fahren, aber kein einziges ist am Ersatzverkehr beteiligt. Keiner ist angefragt worden, da spreche ich stellvertretend für die Kolleginnen und Kollegen.“
Dannenmann: Einsatz von Doppeldeckerbussen ist sinnvoll
Auch Markus Dannenmann vom gleichnamigen Busunternehmen in Weinstadt hat keine Anfrage für den Schienenersatzverkehr vor der Haustür bekommen. Die erforderlichen rund 80 Busse hätten die hiesigen Firmen zwar nicht stellen können, aber immerhin einen Teil davon, sagt er. Bei der jetzigen Variante werde Personal in Hotels untergebracht, die Busse werden an Tankstellen betankt: „Mir scheint diese Lösung die teurere zu sein.“ Sinnvoll sei jedoch der Einsatz der Doppeldeckerbusse auf der Expressroute: „Und davon gibt es im Landkreis eigentlich keine.“
In Sachen Schienenersatzverkehr habe man durchaus auch mit lokalen Busunternehmen gesprochen, sagt eine Bahnsprecherin: „Dabei hat sich gezeigt, dass die Kurzfristigkeit eine Herausforderung war.“ Dennoch seien nun überwiegend Unternehmen aus Baden-Württemberg im Einsatz. Bei allen handle es sich um zertifizierte Firmen. „Da sind wir bundesweit aufgestellt, je nachdem, wo wir jemanden brauchen. So war es möglich, die benötigte große Zahl an Bussen zu bekommen.“ Mehr als 80 Fahrzeuge, Gelenk- und Doppeldeckerbusse, sind laut Bahn zwischen Waiblingen und Bad Cannstatt sowie dem Stuttgarter Hauptbahnhof unterwegs. Gesteuert werden sie von rund 240 Fahrerinnen und Fahrern.
Es gibt keinen Aufenthaltsraum, keine Toilette
Nur einige wenige von ihnen sind an diesem späten Nachmittag vor Ort auf einem großen Parkplatz bei der ehemaligen Ziegelei Hess in Waiblingen. Die Sonne heizt den Asphalt kräftig auf. Schattenplätze? Fehlanzeige. Ebenso wenig gibt es einen Aufenthaltsraum, in dem die Fahrerinnen und Fahrer vespern, einen Kaffee zubereiten oder sich austauschen können. Auch sanitäre Anlagen sind keine vorhanden. Wer sich die Hände waschen möchte oder eine Toilette braucht, dem bleibt nur ein Fußmarsch zum öffentlichen Klo am Waiblinger Bahnhof.
Eine Viertelstunde der einstündigen Pause geht dafür mindestens drauf. Wer zudem den von Passagieren hinterlassenen Müll im Fahrzeug einsammelt, dem bleibt wenig Zeit zum Entspannen. Ein Fahrer lädt zum Rundgang durch den Bus ein, zeigt entnervt unter die Sitze, wo gebrauchte Taschentücher und zusammengeknüllte Bäckertüten liegen. Der ekligste Fund ist eine große, braune, von Soße durchweichte Papiertüte mit dem Aufdruck einer Burger-Kette, in der noch Essensreste sind.
Viele wohnen in umliegenden Hotels
Während der Mann durch die Sitzreihen geht, erzählt er, seine Firma habe für den Betrieb hier viele neue Fahrer angestellt. Wie lange er selbst eingesetzt werde, wisse er nicht. Sein Unternehmen ist mehrere Hundert Kilometer entfernt. Er wohnt in einem der umliegenden Hotels, die Unterkünfte hat die Deutsche Bahn angemietet.
Auch zwei Männer, die sonst Langstrecken am Steuer eines Flixbusses zurücklegen, sind im Hotel untergebracht. Er wohne im Einzelzimmer und bekomme zwei Mahlzeiten am Tag, sagt einer der beiden, der zwar kein Deutsch, aber bestes Englisch spricht. Er sei zufrieden mit dem Job und finde sich jeden Tag ein bisschen besser auf der Strecke zurecht, die er seit einer Woche fährt. Am Anfang sei es aber schon etwas chaotisch gewesen, räumt er ein.
Manche Fahrer pendeln zwischen ihrem Wohn- und Arbeitsort, obwohl sie ein gutes Stück weg wohnen. „Mein Arbeitstag dauert zwischen 13 und 15 Stunden“, berichtet ein Mann. Allein für den Hin- und Rückweg von zu Hause nach Waiblingen benötige er rund vier Stunden. „Die Fahrgäste sind aber absolut relaxed“, sagt er nach vier Wochen Dienst auf der Strecke. Weniger gut zu sprechen ist er auf manche Autofahrer. Die seien nicht bereit, die Busse einfädeln zu lassen. Besonders problematisch erlebt er die Situation auf der Waiblinger Straße in Cannstatt: „Da bin ich schon bis zu einer Viertelstunde gestanden, bis ich reinkam.“
Bahnsprecherin: Stau kann man nicht ausschließen
Ende der vergangenen Woche hat die Deutsche Bahn die nächste Phase der Kabelarbeiten im Zusammenhang mit dem Ausbau des Digitalen Knotens Stuttgart ausgerufen, die bis 29. Juli dauern soll. Während dieser Zeit sollen im Bahnhof Bad Cannstatt mehrere neue Weichen und knapp 40 Kabelquerungen gebaut werden. „Wir waren und sind im Plan“, sagt dazu eine Bahnsprecherin: „Die Busse fahren wie bisher, zudem gibt es eine Extralinie nach Mettingen.“
An die bis Ende Juli dauernden Arbeiten für die Digitalisierung schließt sich nahtlos die Stammstreckensperrung in den Sommerferien an: Bis zum 8. September ist dann die S-Bahn-Strecke zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Vaihingen nicht befahrbar. Stattdessen fahren zwei Ersatzbuslinien im Zehn-Minuten-Takt die Haltestellen zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen und dem Haupt- und dem Westbahnhof an.
Positive Rückmeldungen
Zum Schienenersatzverkehr zwischen Waiblingen und Stuttgart, der im Fünf-Minuten-Takt läuft, habe man bisher viele positive Rückmeldungen bekommen, sagt die Bahn-Sprecherin. „Natürlich jubeln nicht alle Fahrgäste, und es gibt immer wieder Fälle, wo etwas reibt. Stau kann man einfach nicht ausschließen, denn Busse können den Schienenverkehr nicht ersetzen, das ist klar.“
„Im Großen und Ganzen läuft es recht gut“, sagt auch Markus Dannenmann nach den ersten Wochen. Und die Bahn habe bei ihm jüngst wegen eines Schienenersatzverkehrs angefragt – für die Strecke zwischen Böblingen und Herrenberg.