Weil immer noch Züge fehlen, läuft der Bahnbetrieb im Neckartal nach wie vor nicht rund. Besserung ist in Sicht, allerdings nicht gleich mit dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Kreis Esslingen - Dass es auf der Neckartalbahn, was die Pünktlichkeit angeht, von diesem Sonntag an auf einen Schlag besser wird, ist schon mal ausgeschlossen. Passgenau zum Fahrplanwechsel gibt es Bauarbeiten, sodass im Nacht- und Frühverkehr der Regionalbahn Verspätungen von bis zu elf Minuten zu erwarten sind. Gewerkelt wird von Mitternacht bis 7 Uhr zwar in der Nähe von Heilbronn. Mit Beeinträchtigungen sei aber auf der gesamten Strecke bis Tübingen zu rechnen, teilt der Betreiber Abellio mit – und zwar in beide Richtungen.

 

Für die Fahrgäste auf der Neckartalbahn sind derartige Verzögerungen – und immer wieder auch Zugausfälle – jedoch nichts Außergewöhnliches. In den vergangenen Monaten lagen die Pünktlichkeitswerte nicht ein einziges Mal bei der angestrebten Zielmarke von mehr als 90 Prozent, was allerdings im Vergleich zur Startphase vor einem halben Jahr schon mal eine erhebliche Verbesserung bedeutet. Ein Pendler aus Ebersbach, der dreimal pro Woche nach Nürtingen zur Arbeit fährt, ist dennoch, wie er selbst sagt, zum Zyniker geworden. „Das Chaos auf der Filstalbahn, das nach der Übernahme durch Go Ahead noch größer war, betrachte ich inzwischen als perfektes Training für die paar Stationen durchs Neckartal“, sagte er vor ein paar Tagen, als er in Plochingen mal wieder über Gebühr auf seinen Anschlusszug warten musste. Sein Chef habe sich am Anfang noch gewundert, wenn er zu spät gekommen sei. „Inzwischen ist er überrascht, wenn ich rechtzeitig da bin“, ergänzte der Mann, ehe er zwölf Minuten zu spät in die RB 18 einsteigen konnte.

45 der 52 georderten Neufahrzeuge sind da

Richtig gut sollte es eigentlich mit dem jetzigen Fahrplanwechsel werden, da die längst zugesagten, aber immer noch fehlenden Talent-2-Züge des Fahrzeugherstellers Bombardier laut Abellio mittlerweile hätten ausgeliefert werden sollen. „Bombardier ist jedoch nach wie vor in Verzug und konnte seine jüngste Lieferzusage nicht einhalten, weshalb für die RB 18 ,ein kleines Ersatzkonzept‘ mit zusätzlichen Leihzügen zum Einsatz kommt, um so die Auswirkungen für die Fahrgäste zu minimieren“, erklärt Hannelore Schuster, die Pressesprecherin des Betreibers. Dennoch könne man jetzt 45 der 52 georderten Neufahrzeuge einsetzen, den Reisekomfort deutlich steigern und nun auch den Haltepunkt Bempflingen uneingeschränkt anfahren, fügt sie hinzu.

Bei Bombardier zeigt man sich schuldbewusst: „Es kam in diesem Projekt tatsächlich mehrfach zu Verspätungen in der Auslieferung bei unseren Talent-2-Zügen, was wir sehr bedauern“, gibt Francois Muller zu, der innerhalb des Konzerns für den Bereich Private Bahnbetreiber Deutschland zuständig ist. Eine wesentliche Ursache sei die umfangreiche Fahrzeugsoftware und der anspruchsvolle Zulassungsprozess. „Mittlerweile konnten wir aber den größten Teil der Verzögerung aufholen. Unser Fokus liegt nun voll auf dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember“, verweist Muller auf die momentanen Prioritäten seines Unternehmens.

Unterschiedliche Interpretationen

Dass Abellio darüber hinaus eine „hohe Fehleranfälligkeit der ausgelieferten Talent-2-Züge“ beklagt, möchte Bombardier in dieser Form hingegen nicht stehen lassen: „Aus unserer Sicht sind die Fahrzeuge, die im Einsatz sind, stabil. Wir unterstützen unseren Kunden Abellio seit dem betrieblichen Start mit einem Expertenstab vor Ort“, betont Muller. Außerdem verfolge das Projektteam von Bombardier täglich den Status des Betriebs. Damit trage man dazu bei, die Leistung der Züge kontinuierlich zu verbessern, fährt er fort.

Hannelore Schuster hält allerdings an ihrer Einschätzung fest: „Die müssen liefern und da scheint die Qualität auf der Strecke zu bleiben, wobei man eigentlich meinen sollte, dass es besser klappt, wenn man bereits 500 solcher Fahrzeuge produziert hat.“ Sie spricht von einem „Rattenschwanz an Folgeerscheinungen auf den gesamten Nahverkehr im Land“ und von einem „nicht wieder gut zu machenden Reputationsschaden für Abellio“.

Mit dem schlechten Ruf hat auch der Konkurrent Go Ahead, der seit einem Jahr die Filstalbahn betreibt, nach wie vor zu kämpfen. Obwohl die Pünktlichkeitsquote seit dem Spätsommer praktisch konstant bei mehr als 90 Prozent liegt und deutlich weniger Züge ausfallen als in den ersten Monaten nach der Übernahme. „Wir sind mit dem Wagenmaterial jetzt gut aufgestellt“, erklärt die Go-Ahead-Pressesprecherin Daniela Birnbaum. Dennoch arbeite man ständig daran, die Zuverlässigkeit weiter zu verbessern – und dies den Kunden zu vermitteln.

Nur wenige Änderungen auf den Hauptstrecken

Die Züge auf der jetzigen Linie RE 10 fahren im Neckartal zwischen Mannheim und Tübingen – allerdings erst vom 12. Juni 2021 an – nicht mehr durchgängig. Damit erhofft sich der Betreiber Abellio mehr Pünktlichkeit. Zwischen Heilbronn und Tübingen heißt die Linie dann RE 12. Ab sofort halten zudem alle Züge der Linie RB 18 wieder in Bempflingen. Obendrein fahren die Nachtzüge am Wochenende künftig von Tübingen bis Heilbronn durch, sodass die Fahrgäste nicht mehr umsteigen müssen.

Mit den verspätet ausgelieferten Triebwagen soll die stark frequentierte Filstalbahn entlastet werden. Zudem werden an den Endstationen bei weiteren Zügen längere Pufferzeiten zwischen Ankunft und Abfahrt eingeplant, um zu verhindern, dass ein zu spät ankommender Zug seine Verspätung wieder mit auf die Rückfahrt nimmt. Überdies fahren einige Züge, die seither in Geislingen endeten, künftig bis Ulm weiter. Insgesamt entstehen damit mehr Verbindungen im Regionalverkehr.