Trotz fertiger Baustelle in Stetten-Beinstein hängen viele Haltestellen der S2 im Remstal in Sachen Barrierefreiheit weiter in der Warteschleife. Der FDP-Politiker Jochen Haußmann kritisiert die Verzögerung – und stößt auf Ausflüchte.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Das eine Ende ist erreicht, das andere bleibt ungewiss: Während sich Pendlerinnen und Pendler am modernisierten Bahnhof Stetten-Beinstein über stufenfreies Einsteigen freuen, verharren andere Stationen der S2 im Remstal im Wartestand. Der weitere barrierefreie Ausbau „hängt in der Schwebe“, beklagt Jochen Haußmann, Landtagsabgeordneter der FDP aus Kernen. Wie der Verband Region Stuttgart (VRS) auf seine Anfrage einräumt, bleibt ein klarer Zeitplan für die Haltepunkte Beutelsbach, Winterbach, Geradstetten und Weiler (Rems) offen.

 

Dabei hatten sich viele Hoffnungen auf Schwung durch die Modernisierung in Stetten-Beinstein gerichtet. Dort ist das Einsteigen ohne Stolperfallen inzwischen Alltag: „Endlich geht das ohne die große Stufe“, hatte eine Frau mit Einkaufstrolley erst unlängst ihre Freude gegenüber unserer Zeitung ausgedrückt. Seit gut zwei Wochen rollt die S2 wieder im Viertelstundentakt. Auch die Unterführung soll modernisiert werden – Details bleiben jedoch vage.

Verzögerungen und Dämpfer

In Stetten-Beistein sind die Bahnsteige jetzt auf Höhe des S-Bahn-Ausstiegs. Foto: Eva Schäfer

Jochen Haußmann hatte die Dynamik des Umbaus in Stetten nutzen wollen: Ende März schlug er dem Regionaldirektor Alexander Lahl vor, die Stationen Beutelsbach, Winterbach, Geradstetten und Weiler gebündelt barrierefrei ausbauen zu lassen. Doch die Antwort aus der Regionaldirektion ist ein Dämpfer. Wegen „vieler externer Einflussfaktoren“ könne eine Zusage derzeit nicht gemacht werden, so Lahl in seinem Schreiben.

Es bleibt beim alten Muster: Prüfungen, Abstimmungen, Verzögerungen. Zwar erkenne man den engen Linienzusammenhang der Haltestellen, wie der Verbandsdirektor einräumt, doch bringe jede Station ihre eigenen „spezifischen Rahmenbedingungen“ mit sich – von Planung über Genehmigung bis zur Förderung. Einheitliches Vorgehen? Wunschdenken.

Militärzüge blockieren die Modernisierung

Ein weiteres Hindernis sind sogenannte Lademaßüberschreitungen. Hinter dem sperrigen Begriff verbergen sich Militärtransporte – breiter als gewöhnliche Züge – die insbesondere seit Beginn des Ukrainekriegs neue Priorität genießen. Bahnsteige müssen so gestaltet sein, dass diese Transporte weiterhin möglich bleiben. Darauf müsse Rücksicht genommen werden, teilt die DB-Tochter InfraGO dem Verband Region Stuttgart mit.

Noch in diesem Frühjahr sollen die Prüfergebnisse vorgestellt werden. Darauf aufbauend wollen Verband und Bahn das weitere Vorgehen abstimmen – irgendwann.

Leidtragende sind die Fahrgäste

Für Menschen, die auf Barrierefreiheit angewiesen sind, sind das bittere Nachrichten. Schon heute sind Bahnhöfe wie Beutelsbach oder Weiler für Rollstuhlfahrer nur mit Hilfe, manchmal gar nicht nutzbar. In Beutelsbach etwa klafft eine 34 Zentimeter hohe Stufe zwischen Bahnsteig und Zug, wie der Gemeinderat von Weinstadt in einer Resolution beklagte.

Der Initiativkreis barrierefreier ÖPNV hat wenig Hoffnung. „Nie wären die Bedingungen besser gewesen als vor der Remstal-Gartenschau 2019“, sagte Hermann Kolbe, Sprecher des Vereins, im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung. Damals sollte das Remstal glänzen – doch barrierefreie Bahnhöfe blieben Wunschdenken.

Strecke voller Baustellen und Ärger

Auch beim Baustellenmanagement der Bahn gibt es Kritik. Zwar lobt die Region Stuttgart den prinzipiellen Einsatz der DB InfraGO beim Infrastrukturausbau, wie aus einer Sitzungsvorlage hervorgeht. Doch häufig würden Fahrgäste über Sperrungen und Ausfälle zu spät informiert. Die Folge: chaotische Fahrpläne, verpasste Anschlüsse, Frust.

„Die Verantwortlichen sind sich der Problematik bewusst“, stellt Jochen Haußmann nüchtern fest. Dennoch brauche es dringend bessere Organisation bei der Bahn-Tochter. Sein Ziel: Den Ausbau in einem einzigen Bauprojekt zusammenzufassen, um die Einschränkungen für Pendler möglichst gering zu halten.

Warten auf die nächste Bundesregierung

Ob Haußmanns Appell auf fruchtbaren Boden fällt, bleibt unklar. Viel hängt davon ab, welche Investitionen die kommende Bundesregierung für die Schieneninfrastruktur freigibt. Sobald Klarheit herrscht, will Haußmann erneut bei der DB InfraGO nachhaken.

Bis dahin bleibt vielen nur das Prinzip Hoffnung – und ein Alltag mit Stolperfallen.