Händler und Dienstleister der Fellbacher Bahnhofstraße erklären, warum sie der massive Wegfall von Parkplätzen durch eine geplante Umgestaltung besorgt. 40 von 90 Stellplätzen scheinen auf der Kippe.

Rems-Murr: Eva Schäfer (esc)

Es ist die Haupteinkaufsstraße und die zentrale Nord-Süd-Achse in Fellbach. Und nach jahrelangen Debatten über Tempo 30 und über Radfahrer, die im dichten Straßenverkehr von Brummi-Lenkern bedrängt oder von Autofahrern mit unflätigen Kommentaren versehen werden, kommt nun Schwung in die Sache: Die Umgestaltung der Bahnhofstraße soll ab 2025 im Zuge der Erneuerung von Leitungen der Stadtwerke in Angriff genommen werden.

 

Erfahren haben dies die ansässigen Händler bei einem Informationsabend, an dem die Stadtverwaltung erste Pläne vorgestellt hat. Das Echo ist zwiespältig: Während keiner daran zweifelt, dass neue Leitungen nötig sind, schütteln die Händler die Köpfe, was die Vorschläge zur Umgestaltung der nördlichen Bahnhofstraße angeht. Hauptknackpunkt: Rund 40 von insgesamt rund 90 Stellplätzen sollen wegfallen. Eine Variante sieht vor, dass auf der ganzen rechten Seite der Bahnhofstraße vom Stuttgarter Platz Richtung Bahnhof die Parkplätze weichen sollen, damit auf der breiteren Straße Autos und Radfahrer mehr Platz haben. Es gehe auch darum, die Aufenthaltsqualität zu erhöhen – ähnlich wie in einem Abschnitt der Cannstatter Straße an der Wohncity, wo Sitzbänke geschaffen wurden, aber auch einige Parkplätze weggefallen sind.

„Dann haben wir Wohlfühlzonen für Menschen, die gar nicht mehr da sind“, sagt Cordula Richter. Die Inhaberin einer Boutique macht keinen Hehl daraus, dass sie den Wegfall so vieler Parkplätze als existenzbedrohend betrachtet. „Nach dem Abend war ich so aufgebracht und beunruhigt, wie es weitergehen soll.“ Denn „wir haben hier keine Laufkundschaft“. Fast alle ihrer Kundinnen kämen mit dem Auto. Der Einzelhandel befinde sich durch Corona und die Energiekrise ohnehin in einer angespannten Lage. In der Bahnhofstraße könne man durch kostenloses Parken punkten – und das schätzten ihre Kunden, die auch aus der weiteren Umgebung gezielt in das Modegeschäft kommen. Wenn diese Möglichkeit wegfiele, bedeute das das Aus des ansässigen Einzelhandels, meint sie.

Ausweichquartier für Parkplätze gefordert

Auch viele der Kunden von Herrenausstatter Stefan Lutz kommen gezielt in sein Geschäft, „auch aus dem Umkreis von 50 bis 100 Kilometern“, sagt er, „diese sind auf Parkplätze angewiesen“. Etwa 70 Prozent seiner Kunden kämen mit dem Wagen, der Rest zu Fuß, nur wenige mit dem Rad. Stefan Lutz ist überzeugt, dass Parkplätze für die Einzelhändler in der Bahnhofstraße überlebensnotwendig sind. Jedenfalls müsse schon vor der Bauphase vorab verbindlich geklärt sein, wo ein Ausweichquartier für die fehlenden Parkplätze ab 2025 entsteht. Außerdem sei wichtig, dass die Buslinie 60 während der Bauphase durch die Theodor-Heuss-Straße fahre und nicht über die Esslinger Straße geführt werde. „Wir müssen auch für Kunden, die den ÖPNV nehmen, erreichbar bleiben“, sagt er. Er rechne mit 40 Prozent Umsatzeinbußen während der Umbauphase. Das sei eine lange Durststrecke, wenn das Ende der Bauzeit auf 2028 anvisiert sei, so der Herrenausstatter.

Dass eine Baustelle kräftig Umsatz kostet, wissen auch die Händler in der Cannstatter Straße. So hatte damals die Inhaberin des gleichnamigen Obst- und Gemüseladens in der Wohncity, Karin Bauerle, das Umsatzminus auf bis zu 50 Prozent beziffert.

Die jetzige Form des Radverkehrs wird als problematisch betrachtet

„Was den Radverkehr angeht, da muss etwas passieren, das ist zum Teil lebensgefährlich“, sagt Simone Schmid, die Inhaberin der Confiserie K&M in der Bahnhofstraße. Genügend Parkplätze seien aber existenziell nötig. „Wir sind ohnehin in einer angespannten Lage durch Corona, Energiekrise und Kaufzurückhaltung.“ Für eine Stammkundin aus Luginsland ist das kostenlose Parken wichtig: „Ich bin gerade einmal ums Viertel gefahren, um einen Platz zu finden“, sagt Ursula Hald. Hier in Fellbach erledige sie alles. „In Untertürkheim gibt es nichts mehr, ich komme immer hierher und arbeite meinen Einkaufszettel ab.“ Im Anschluss fahre sie zur Fellbacher Markthalle.

Nathalie Bischof macht deutlich, dass viele Kunden gezielt in ihr Friseurgeschäft kommen, die teils Anfahrtswege bis zu 200 Kilometer in Kauf nehmen. Das liege daran, dass sie sich mit Pamela Ferraras spezialisiert habe etwa auf Lockenschnitt. „Die Kunden sind happy, dass sie hier eineinhalb Stunden stehen dürfen.“ Man müsste unbedingt an Ausweichparkplätze denken.

Adventsgestecke lassen sich nicht mit dem Rad transportieren

„Und was machen die Anwohner nach 16 Uhr?“, gibt Rainer Belser vom ansässigen Blumengeschäft zu bedenken. Es gebe auch Dauerparker in der Straße, die das Problem verschärften. „Ein Adventsgesteck packen Sie nicht aufs Rad“, sagt er, die Stellplätze in der Bahnhofstraße seien auch für seine Kunden das A und O, selbst wenn er im Hof etwas Parkraum habe.„Was nützt es mir, wenn nach der Sanierung kein Ladengeschäft mehr da ist, an dem sich das Vorbeiflanieren lohnt?“, sagt Sonja Zielke, die Sprecherin der Werbegemeinschaft nördliche Bahnhofstraße und drückt damit die großen Sorgen der ansässigen Betriebe angesichts des Parkplatz-Kahlschlags aus. Eine Baustelle koste Frequenz und Kunden – immer wieder muss die Straße den Plänen nach abschnittweise voll gesperrt werden. Das sei schon eine hohe Bürde. Wenn dann auch noch fast die Hälfte der Parkplätze weg sei, bedeute das das Aus für viele Händler.

Die Bahnhofstraße – wo Radfahrer ein Problem haben

Große Ziele
 Ein „Wohlfühlort“ solle die Bahnhofstraße in Fellbach werden, so das Ziel der Stadt. Andere sprechen eher vom „Glaubenskrieg“ bezüglich der Neugestaltung zwischen Stuttgarter Platz und Bahnhofsunterführung.

Verbannte Radler
Bereits seit fast vier Jahren werden in einer Interimslösung die Fahrradfahrer vom bisherigen Radweg auf die Straße verbannt, zugleich wurde, zur Entschärfung des Duells Radler contra Autofahrer, Tempo 30 eingeführt. Der Clou: Baulich ist der alte Radweg immer noch vorhanden, wirkt also auf den ersten Blick immer noch wie eine Piste für die Pedaleure. Radler, die dennoch dort unterwegs sind, werden gelegentlich von Polizeibeamten scharf ermahnt.

Klare Zeichen
Die jüngste Entwicklung ist ein Fußgänger-Piktogramm auf dem alten Radweg – in der Hoffnung, dass sich zumindest die erwachsenen Radler tatsächlich dran halten.