Der Architekt Christoph Ingenhoven hat erneut seine Umbaupläne für den Stuttgarter Bonatz-Bahnhof verteidigt.

Frankfurt - Man muss Christoph Ingenhoven einfach dafür bewundern, mit welchem Charme, welcher Eloquenz, welch lässigem Witz, welch rhetorischem Geschick er für seine Projekte zu werben versteht. Im Deutschen Architekturmuseum (DAM), wo der Düsseldorfer Architekt am Dienstag im Begleitprogramm zur aktuellen Bonatz-Ausstellung über seinen Stuttgart-21-Bahnhof sprach, erntete er viel Applaus und die verdatterte Frage aus dem Publikum, wieso die Stuttgarter gegen dieses Projekt eigentlich Sturm liefen.

Ja, warum nur? Sieht man die Bilder seiner schneeweißen, lichtdurchfluteten, organisch geformten Bahnsteighalle im Kontrast zu Aufnahmen des alten, grauen, heruntergekommenen, "vollständig geschändeten" Bonatz-Gebäudes, wie Ingenhoven zu Recht bemerkte, versteht man den Protest gegen diese schöne neue Welt des Durchgangsbahnhofs kein bisschen. "Die Liebe zu diesem Bauwerk muss neueren Datums sein", meint er ironisch zu Fotos, welche die Lieblosigkeit im Umgang mit dem Bahnhof zeigen. Dass es vor allem sein eigener Auftraggeber, die Deutsche Bahn AG, ist, die den Bau so hat verkommen lassen, sagt er nicht, aber die Lacher hat er auf seiner Seite.

Und dann der Vergleich mit Hans Döllgasts Wiederaufbau der Alten Pinakothek in München. "Selbstbewusst und demütig" habe dieser Klenzes Museum nach den Kriegszerstörungen wiederhergestellt. Was das mit dem Stuttgarter Bahnhof zu tun hat, wo zunächst einmal ein intaktes Kulturdenkmal zerstört wird, bleibt unklar, aber Ingenhoven hat sich wie beiläufig in eine Reihe mit einem hochgelobten Klassiker gestellt.

Ingenhoven will einen modernen Bau für den Bahnhof


Die Moralkeule folgt zum Schluss: die Monumentalität des Stuttgarter Bahnhofs zeige, obwohl schon lange vor 1933 geplant, "welch Geistes Kind dieser Architekt ist". Bonatz' Art des "Wegrückens vom menschlichen Maßstab, von der Stadt" mache deutlich, dass dieser "schon damals zu den Ewiggestrigen zählte". Er, Christoph Ingenhoven, wolle den Bau daher durch seine Einbindung "in ein modernes, sich anderen Zielen verpflichtet fühlendes Ensemble neu interpretieren".

Lässt man große Vorbilder wie Döllgast und Ingenhovens tadellose Gesinnung einmal beiseite und schaut auf Bauten wie die Hamburger Messe, wo Ingenhoven ein historisches Gebäude brachial in die Struktur der Hallen integriert hat, oder auf sein Kaufhaus, das als unbeholfener Fremdkörper in der Lübecker Altstadt steht, können Zweifel an seiner Sensibilität im Umgang mit Denkmalen aufkommen.

Von diesem Mangel an Gewandtheit zeugen letztlich auch die für Stuttgart geplanten Bauten: Mögen sie aus Sicht der Bahnreisenden auch ansehnlich sein, der Stadtraum wird durch den ausdruckslosen Funktionalismus der gläsernen Gitterschalen, die künftig als Eingangsbauwerke dienen sollen, geradezu pulverisiert. Manche der Ansichten, die Ingenhoven im DAM präsentierte, sehen aus, als hätte die Stadt Blähungen. Dass der alte Bahnhof oder das, was von ihm übrig bleiben wird, eine Zukunft als nutzlose Hülle vor sich hat, ist da fast schon zu verschmerzen. Zu betrachten war in Frankfurt, dass das beste Ethos nicht vor architektonischem Mittelmaß schützt.