Ein optimiertes Nachtzug-Netz in Europa wäre eine entspannte Alternative zum stressigen und umweltschädlichen Fliegen. Die Politik sollte das wichtige Thema nicht weiter verschlafen, meint Bahnexperte Thomas Wüpper.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Im Schlaf ans Ziel – Nachtzüge sind bei Millionen Reisenden zu Recht sehr beliebt. Im besten Fall macht man sich abends entspannt im Zug lang, spart die Kosten für eine Nacht im Hotel und kommt am nächsten Morgen ausgeschlafen und pünktlich in der Stadtmitte an anstatt weit draußen am Airport. Hinzu kommt das gute Gefühl, mit der Bahnreise nicht die Umwelt zu belasten. Jede Flugreise ist wegen Abgasen und Lärm ein Vielfaches schädlicher.

 

Wie gut Nachtzugverkehr funktionieren kann, beweist seit Jahrzehnten Österreichs Staatsbahn. Die ÖBB betreibt von Wien aus ein attraktives Netz, das auch deshalb erfolgreich ist, weil die Anbindung der Donau-Metropole an Hochgeschwindigkeitsstrecken fehlt. In Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien haben auch die immer schnelleren Züge am Tage, viel mehr allerdings das im Verhältnis zur Umweltbelastung viel zu billige Fliegen die Nachtzüge zusehends aufs Abstellgleis gedrängt.

Für ein Umdenken ist es höchste Zeit

Für ein Umdenken ist es höchste Zeit. Der kürzliche Beschluss des Bundestags, Kooperationen im Nachtzugverkehr zu fördern, zeigt, dass auch die Regierung die Zeichen der Zeit endlich erkannt hat. Der Vorstoß kommt indes bedauerlich spät. Längst hätte der nächtliche und grenzüberschreitende Schienenverkehrs durch politische Allianzen gefördert werden können, zum Beispiel durch niedrigere Trassenpreise, einheitliche Buchungssysteme und Investitionszuschüsse für teure Liege- und Schlafwagen sowie Autozüge.

Stattdessen sah die Regierung fast tatenlos zu, wie die Deutsche Bahn trotz heftiger Proteste auch die letzten Schlafwagen und Autozüge ausmusterte und seit diesem Jahr nur noch einige gewöhnliche ICE- und IC-Züge nachts fahren lässt. Selbst diese unkomfortable Art des nächtlichen Reisens stößt auf beachtliche Nachfrage, was beweist, wie groß der Bedarf bei den Kunden ist, den der Staatskonzern viel zu lange vernachlässigt hat.

Bleibt zu hoffen, dass die ÖBB es auch in Deutschland schafft, nach der Übernahme eines Teils der DB-Nachtzüge ein attraktives Angebot zu bieten. Der Start ist erfolgreich, wie die Verkaufszahlen und das Lob vieler Reisenden zeigen. Ein optimiertes Nachtzug-Netz in Europa als Alternative zum stressigen und umweltschädlichen Fliegen bleibt ein Ziel, das jede Mühe wert ist.