Die Bahn hat versprochen, dass die Züge pünktlich fahren. Doch ihre Offensive hat offenbar nicht viel genützt : Noch immer kommen zu viele Passagiere zu spät ans Ziel.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Da hat Berthold Huber, der Vorstand für den Personenverkehr bei der Deutschen Bahn, Glück gehabt. Der vom Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) für eine gemeinsame Exkursion gewählte Zug von Stuttgart nach Würzburg war pünktlich. Dementsprechend äußerten sich die leidgeprüften Fahrgäste gegenüber dem Mann aus der Bahn-Zentrale vergleichsweise gnädig. „Die Leute haben erzählt, was sich schon verbessert hat und wo noch etwas passieren muss. Das war sehr differenziert“, erinnert sich Huber an die Bahnfahrt im März. Nur einer blieb misstrauisch: „Sind wir nur deshalb pünktlich, weil Sie heute mitfahren?“, fragte der langjährige Pendler.

 

Nun ja, pünktliche Züge kann sich nicht einmal der Chef bestellen. Und so ist es weiterhin Glückssache, auf der Frankenbahn in den Genuss einer störungsfreien Beförderung zu kommen. Die Probleme seien trotz aller Bemühungen immer noch nicht gelöst, sagte der Landesverkehrsminister am Mittwoch bei einem Treffen mit Huber in Stuttgart. Allerdings stellte Hermann fest, dass auf anderen Linien die vor einem knappen Jahr mit der Bahn vereinbarten Maßnahmen gefruchtet hätten.

Elf Millionen Euro Strafzahlungen der Bahn

So hatte die baden-württembergische Bahn-Tochter zugesagt, sich bei anderen Regionalgesellschaften kurzfristig um Personal und zusätzliche Waggons zu bemühen. Insgesamt konnten 30 zusätzliche Triebfahrzeugführer gewonnen werden. Mit Konkurrenzunternehmen wurden Kooperationen bei der Ausbildung von Lokführern vereinbart. Auf diese Weise sei die Situation auf kritischen Linien wie der Filstalbahn (Stuttgart–Ulm), der Remsbahn (Stuttgart–Aalen) und der Bodenseegürtelbahn (Radolfzell–Friedrichshafen) „spürbar verbessert“ worden, lobte Hermann. Unter anderem werden dank zusätzlicher Zuggarnituren im Filstal keine knappen Wenden mehr gemacht. Dies verhindert, dass sich Verspätungen von der Hinfahrt auf die Rückfahrt vererben. Die Pünktlichkeit stieg seither von 78 auf 84 Prozent.

Vom Richtwert, den das Land im Verkehrsvertrag mit der Bahn-Tochter DB-Regio festgeschrieben hat, ist man aber immer noch weit entfernt. Demnach wird lediglich bei sechs Prozent der Züge eine Verspätung von mehr als sechs Minuten akzeptiert. Erreicht wurde dieser Wert im vergangenen Monat lediglich in sechs von 26 Netzen. Dem Land brachte dies nach bisherigen Schätzungen im Jahr 2017 schon Strafzahlungen der Bahn in Höhe von elf Millionen Euro ein. Auf Druck des Landesverkehrsministeriums schüttete das Unternehmen zudem 1,8 Millionen Euro an Vielfahrer aus. Dies sei schmerzlich, aber richtig, sagte Huber, der weitere Maßnahmen ankündigte. Der nun bilanzierte Zehn-Punkte-Aktionsplan könne nur ein erster Schritt sein.

Knotenbahnhöfe sind zunehmend überlastet

Dies forderte auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Tatsächlich habe sich die Pünktlichkeit in den vergangenen zwölf Monaten nicht verbessert, sondern liege über alle Netze gesehen mit 91,6 Prozent sogar knapp unter dem Vergleichswert aus dem Jahr 2017, der im ersten Halbjahr bei 92,7 Prozent gelegen hatte. Und die Zahl der Zugausfälle sei von einem auf 1,5 Prozent gestiegen. Der Pünktlichkeitsrichtwert von 94 Prozent wurde laut der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) schon seit 2011, also seit sieben Jahren, nicht mehr erreicht.

Vor allem der häufig verspätete Fernverkehr infiziere das baden-württembergische Nahverkehrsnetz, sagte der VCD-Landeschef Matthias Lieb. Zudem seien die Knotenbahnhöfe zunehmend überlastet. Beides räumte auch Huber ein. Und auch auf der Frankenbahn sind es Mängel in der Infrastruktur, die eine Lösung erschweren. Bei Möckmühl (Kreis Heilbronn) etwa gibt es immer noch einen eingleisigen Abschnitt. Ein Ausbau ist nicht in Sicht. „Unser Antrag um Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan wurde vom Bund abgelehnt“, sagte Hermann.