Ganz Bali ruht an Nyepi, dem „Tag der Stille“. Um das neue Jahr nach dem hinduistischen Kalender im März einzuläuten, hauen die Inselbewohner aber auch kräftig auf die Pauke.

Morgen müssen sie Ruhe geben, so wie alle auf der Insel. Doch am Abend vor Nyepi, dem Tag der Stille, geben die Musiker der Gamelanorchester noch einmal Vollgas. Holzxylofone klappern in hektischem Rhythmus, Bambusflöten singen. Dann legen die Ensembles, immer je zwei Dutzend Männer in Wickelröcken und gebatikten Kopftüchern, noch einen Zahn zu. Voller Inbrunst hämmern sie auf Trommeln und Glockenspiele, klopfen auf die Gongs, schlagen die Becken. Für uneingeweihte und ungeübte Touristenohren klingt das alles, als fielen Töpfe, Pfannen und das komplette Geschirr einer Großküche krachend vom Himmel. Doch nur so kann man wohl den finsteren Dämonen den Marsch blasen. Mythische Gestalten werden durch den Lärm aufgeschreckt und versammeln sich an diesem Abend überall auf Bali: Sie erobern fast jedes Dorf, ob an der Küste oder in den Bergen, vor allem aber mittendrin im Städtchen Ubud, das auch als kulturelles Herz der Insel gilt. Riesenfiguren aus Pappmaché tanzen zur Gamelanmusik durch die Straßen, mit schrecklichen Gesichtern wie in einer Geisterbahn.

 

Die Ogoh-Ogoh-Puppen haben spitze Krallen und Teufelshörner, Affengebisse und Schlangenzungen, und wenn es dunkel wird, dann blinken ihre funkelnden Augen wie glühende Kohlen. Stundenlang dürfen sie sich austoben, die ganze Nacht lang gefeiert von einer riesigen Menschenmenge, und gehen dann im Morgengrauen in Flammen auf.Um 6 Uhr in der Frühe ist nämlich Zapfenstreich, und zwar konsequent: An Nyepi macht Bali 24 Stunden Pause. „Die Götter ändern sich nicht. Und solange sie noch in tausend Tempeln thronen, in jedem Fluss und Berg und Baum und Feld, so lange wird auch Bali sich nicht ändern. Die Insel lebt noch nach dem alten Gesetz, das unangetastet geblieben ist.“ Vicki Baum hat diese Zeilen im Jahr 1937 geschrieben, in ihrem Roman „Liebe und Tod auf Bali“, der zwar auch ein bisschen von Liebe und Tod, vor allem aber von den Ritualen eines balinesischen Dorfes erzählt - und davon, wie die holländischen Kolonialherren die traditionelle Ordnung mit ihren Kanonen zerschießen.

Auch Touristen müssen an Nyepi die Vorschriften beachten

Natürlich hat sich Bali seither dramatisch gewandelt, nicht zuletzt durch den Massentourismus: 45 000 Hotelzimmer sind offiziell registriert. Mehr als vier Millionen internationale Touristen landeten im vergangenen Jahr auf der Insel, dazu kamen mehr als sechs Millionen indonesische Besucher. Ihre Seele haben die Balinesen aber nicht verkauft und zelebrieren, als wollten sie der an die Ufer der Insel brandenden Moderne trotzen, weiterhin ihre Kultur. Nyepi, das balinesische Neujahr, wird nach dem hinduistischen Saka-Kalender am Tag nach dem Neumond im März gefeiert. An diesem Feiertag müssen sich nicht nur gläubige Hindus, sondern auch Besucher 24 Stunden lang an strenge Vorschriften halten. „Man darf weder reisen noch arbeiten. Es ist per Dekret unseres Gouverneurs auch verboten, Feuer zu machen und sich zu amüsieren“, erklärt Nyoman Wardawan vom Bali Government Tourism Office. Normalerweise knattern zweieinhalb Millionen Autos und Mopeds über die chronisch verstopften Straßen der Insel, doch an Nyepi wird, außer in Notfällen, niemand auf der Straße geduldet.

Für die Einhaltung der Regeln sorgen die Pecalang, in schwarz-weiße Sarongs gekleidete Religionspolizisten. Radio und Fernsehen sind abgeschaltet, die Fähren stellen den Betrieb ein. Selbst der Flughafen von Denpasar wird geschlossen. Touristen dürfen sich in den Anlagen der Hotels zwar frei bewegen, doch die Zimmer werden abgedunkelt, und die Restaurants servieren Gerichte, für die man den Herd nicht anschalten muss. Die Strände sind leer: Sonnenbaden ist ebenfalls tabu. Stattdessen wird man zu einer Meditation eingeladen, um Körper, Geist und Seele zur Ruhe kommen zu lassen. „Gerade in unserer modernen, hektischen Zeit brauchen wir Nyepi: Die Pause ist dazu da, um sich auf sich selbst zu besinnen“, sagt Priester Ida Padanda. Der 67-Jährige ist ein Nachfahre des ersten Predigers, der im 15. Jahrhundert eine neue Religion von der Nachbarinsel Java nach Bali gebracht hatte - bis heute sind mehr als 90 Prozent der Balinesen Hindus. „An Nyepi können wir reflektieren, Altes abhaken und uns Neues vornehmen“, sinniert er, „das neue Jahr beginnt man dann rein und unbelastet.“

Besucher können an Zeremonien teilnehmen

Die Audienz hat Ida Bagus Swar Udiana, genannt Gusde, organisiert. Der junge Mann betreibt im Dorf Mas bei Ubud das „Haus der Brahmanen“ und stammt aus einer hohen Kaste. Gusde hat in der Schweiz Tourismus studiert und beherbergt nun auf dem Areal des elterlichen Anwesens Besucher, die sich für die Kultur der Insel interessieren und an traditionellen Zeremonien teilnehmen wollen. Er bringt seine Gäste in den Tempel, in dem er mit seiner Familie betet, und nimmt sie mit zu Zahnfeilungen und Totenverbrennungen. Wer zu Nyepi bei Gusde übernachtet, muss also wie ein Balinese einen Tag lang still sitzen können - was kein Problem ist, denn man blickt von seinem Haus auf Reisterrassen und sich wiegende Kokospalmen und kann sich mit dem Buch von Vicki Baum ins alte Bali träumen. Am Vortag aber geht es mit seiner Frau Putri und den beiden herausgeputzten Söhnen zur Melasti-Zeremonie ans Meer. Viele Tausend Gläubige pilgern bei Sonnenaufgang an den Strand und bringen zum Klang schwerer Gongs dem Gott Baruna ihre Opfer dar.

„Figuren aus den Tempeln werden durch heiliges Wasser gereinigt. Auch wir selbst befreien uns so von negativen Gedanken und schlechten Einflüssen“, erklärt Gusde. Als Spross aus einer der wichtigsten Brahmanenfamilien der Insel darf er seine Gäste zu jener Zeremonien bringen, bei der die Balinesen sonst lieber unter sich bleiben. Andere Touristen trifft man also erst später am Abend bei den Ogoh-Ogoh-Paraden, wenn die überdimensionalen Puppen aus Bambus und Pappmaché durch die Straßen von Ubud getragen werden. Nicht nur Geister, die den Menschen freundlich gesinnt sind, schrecken durch den Lärm der Gamelanorchester auf, sondern auch Dämonen. Diese lassen sich allerdings anscheinend recht einfach täuschen, zumindest vorübergehend. Wenn zu Nyepi in den Dörfern und den Städten Ruhe einkehrt und kein Feuer brennt, glauben die Dämonen angesichts der Stille, dass Bali unbewohnt ist - und ziehen zur nächsten Insel weiter.

Infos zu Bali

Bali

Anreise

Mit KLM ( www.klm.com ) von Stuttgart nach Amsterdam und weiter per Direktflug nach Denpasar/Bali. Wer den Sparkalender auf der Internetseite nutzt, bekommt ein Ticket für weniger als 700 Euro. Alternativen sind die meist ein wenig teureren Verbindungen über Frankfurt, zum Beispiel mit Singapore Airlines ( www.singaporeair.com ) oder Qatar Airways ( www.qatarairways.com ).

Einreise

Indonesien hat für Touristen die Visumspflicht abgeschafft. Zur Einreise benötigen Deutsche bei einem Aufenthalt von maximal 30 Tagen nur einen noch sechs Monate gültigen Reisepass. Vor Ort bezahlt man mit Indonesischen Rupiah; ein Euro sind derzeit 15 000 Rupiah.

Pauschal reisen

Asien-Spezialist Lotus Travel (Tel. 089 / 20 20 89 90, www.lotus-travel.com ) bietet die einwöchige Reise „Das große Haus der Brahmanen“ für 1859 Euro pro Person (inklusive Übernachtungen in der Pension von Gusde bei Ubud, Kulturprogramm, Vollpension und Flügen) und hat zum Verlängern etliche Resorts an den Stränden der Insel im Angebot.
Karawane Reisen (Tel. 0 71 41 / 2 84 80, www.karawane.de ) bietet eine achttägige Privatreise nach Bali mit Deutsch sprechender Reiseleitung für 1860 Euro pro Person.

Balinesisches Neujahrsfest

Nyepi fällt 2016 auf den 9. März. Am Vorabend gibt es Prozessionen mit Ogoh-Ogoh-Figuren und Gamelanmusik. Melasti-Zeremonien am Meer sind dagegen kaum besucht. Wer als Besucher dabei sein will, sollte vor Ort Details erfragen und sich traditionell kleiden: Sarong und weiße Bluse für Frauen bzw. Sarong und weißes Hemd für Männer, dazu eine Tempelschärpe.

Essen und Trinken

Balis Küche ist sehr vielfältig. Neben allerlei Reisgerichten gibt es Frühlingsrollen („Lumpia“) und Fleischspieße („Sate“). Fisch kommt gegrillt oder in einer scharfen Suppe („Sop Ikan Kengonganan“) auf den Tisch. Eine Spezialität ist „Bebek Bebetu“: Entenfleisch, in einem Bananenblatt gekocht.

Reise-Lektüre

Zum Schmökern: „Liebe und Tod auf Bali“ von Vicki Baum, als Taschenbuch bei KiWi, 8,99 Euro.
Zum Einlesen: „Gebrauchsanweisung für Bali“ von Thomas Blubacher, erschienen bei Piper, 14,99 Euro.
Zum Reisen: Die Führer „Bali und Lombok“ aus dem Stefan Loose Verlag (21,99 Euro) oder aus der Serie „Reise Know-How“ (22,50 Euro).

Allgemeine Informationen

Indonesisches Fremdenverkehrsamt Tel. 069 / 17 53 71 - 048 www.tourismus-indonesien.de