Ein Musikverein aus Esslingen gibt auf der Bühne das Lied „Layla“ zum Besten. Es gilt als sexistisch. Unmittelbar vor der Bühne stehen Kinder und hören zu. Der Auftritt wird inzwischen deutschlandweit diskutiert. Was sagen die Verantwortlichen?

Vatertag, 17.30 Uhr. Bier. Schlüpfrige Witze, schlüpfrige Musik. Männer unter sich. Männer unter sich? Nicht beim Musikverein Liebersbronn. An diesem Tag sind auf den Esslinger Höhen viele Familien mit ihren Kindern unterwegs. Erst spielt die Jugendkapelle, später die sogenannte Stamm- oder Erwachsenenkapelle. Gespielt werden traditionelle Lieder, Märsche und Schlager. Zum Ende der Veranstaltung werden auch Wünsche aus dem Publikum erfüllt. Und so gibt die Kapelle am feucht-fröhlichen Tag der Väter das umstrittene „Layla“-Lied zum Besten. Das Lied gilt als sexistisch.

 

Im Mittelpunkt der Triviallyrik steht eine Frau, deren Wesen sich aus der Sicht des lyrischen Ichs auf wenige Merkmale reduzieren lässt: „blondes Haar“, „schöner“, „jünger“, „geiler“ und „Puffmama“. Viel mehr gibt das Lied nicht her. Im Sommer des vergangenen Jahres rief es Skandale hervor, weil Organisatoren großer Volksfeste es nicht gespielt haben wollten. Der Esslinger Musikverein hatte also ein Jahr Bedenkzeit und kam offenkundig zu dem Schluss, dass das Lied spielbar ist – und das nicht nur am späten Abend in einer Festzelt-Ballermann-Atmosphäre.

Was einigen besonders ins Auge springt: Über der Bühne prangt ein großes Plakat, das auf einen Kinderflohmarkt im Juli aufmerksam macht. Ein User auf Instagram filmte den Auftritt und postete das Video als Meme in die sozialen Netzwerke mit der Kommentierung „kinderfreundlichste Veranstaltung in Esslingen“. Das Video wurde über eine Million Mal angeklickt und vielfach kommentiert. Die freundlicheren Bemerkungen klingen so: „Kann man schon machen, aber doch ned am Nachmittag, wo alle gemütlich rumsitzen.“ Auch auf Twitter sammelt ein Post dazu „Gefällt mir“-Markierungen. Ein Kommentar davon zielt auf die vermeintliche Doppelmoral ab: „Aber was von frühkindlicher Sexualisierung brüllen, sobald irgendwo ne Regenbogenfahne zu sehen is“, schreibt Leo Schneider aus Hamburg.

Der andere Verein

Der Verein aus dem Esslinger Stadtteil Liebersbronn bezeichnet sich selbst in der Eigenwerbung als „anders“. Außerdem heißt es auf der Homepage: „Noch toller als unsere Proben sind unsere Auftritte. Mit ein bisschen Nervenkitzel vor Publikum ist das Musizieren was ganz anderes, aber mindestens doppelt so toll!“

Diese Selbstdarstellung klingt ein wenig wie Hohn auf den tatsächlichen Auftritt. Das weiß auch der Vereinsvorsitzende Andreas Beck, der erst gar nicht versucht, die Vorstellung der Musiker zu beschönigen oder zu vertuschen. „Es ist kein Fake-Video. Ich kann die Aufregung verstehen. Das war ein Fehler. Wir dürfen das nicht mehr singen, wenn Kinder da sind.“ Es folgen Erklärungsversuche. Die Vereinsmitglieder hätten viel gearbeitet, seit 8 Uhr morgens Tische und Stühle aufgebaut. „Wir waren müde. Eigentlich hatten wir Unterhaltungsmusik im Programm, eher bisschen konservativ. Dann wurde mehrfach der Wunsch an uns herangetragen, ‚Layla‘ zu spielen. Wir freuen uns, wenn Wünsche kommen. Das haben wir dann gemacht und nicht realisiert, dass da noch Kinder sind.“

Prinzipiell gab es also bis dato kein Problem mit dem Liedtext. Die Kinder sind das Problem, die, wie Fotos zeigen, unmittelbar vor der Bühne stehen.

Unmittelbar nach der Anfrage unserer Zeitung reagiert Beck auf der vereinseigenen Homepage: „Dabei war uns in diesem Moment nicht bewusst, dass über der Bühne eine Werbung für einen Kinderflohmarkt in zwei Monaten hing und vor der Bühne Kinder standen. Eine unglückliche Situation, erst recht, da dieser Titel im musikalischen Programm nicht vorgesehen war.“

Ein Verein kommt ins Nachdenken

Nun soll das Lied nicht mehr gespielt werden, solange Kinder da sind. Man werde im Verein „zeitnah intern die Situation reflektieren und besprechen“, womöglich das Lied sogar ganz aus dem Programm nehmen.

Keine einfache Situation für Vereinsmitglieder, die bisher eher unreflektiert ihr Publikum unterhielten und nun einen Skandal am Hals haben, wo sie doch „eigentlich“ nur – zumindest in ihrer Fantasie – ein wenig aus dem „konservativen“ Korsett ausbrechen wollten, ganz so, als seien Konservatismus und Sexismus ausgeschlossene Haltungen. Das Phänomen sexistischer Volkslieder existiert allerdings nicht erst seit „Layla“. In dem sogenannten „Donaulied“ wird seit Jahrzehnten in unzähligen Orten Deutschlands auf Volksfesten ungestraft über eine Vergewaltigung gegrölt und diese beschönigt. Dass damit etwas nicht in Ordnung ist, wurde erst dann in einem großen Rahmen diskutiert, als die Stadt Würzburg das Lied auf ihren Festen nicht mehr hören wollte.

Das war im Jahr 2021. Die Begründung: „Jede Art von rassistischem, sexistischem oder extremem Liedgut“ sei auf städtischen Veranstaltungen unerwünscht. Ein Jahr später setzte die Stadt aus demselben Grund auch „Layla“ auf den Index.