Die Architekten planen schon den Neubau für die weltweit renommierte John-Cranko-Schule für Balletttänzer. Die Finanzierung ist aber noch äußerst strittig.  

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Wenn am Montagnachmittag der Verwaltungsrat der Württembergischen Staatstheater tagt, wird es aller Voraussicht nach eine heftige Kontroverse über das Budget für den Neubau der weltweit renommierten Stuttgarter Ballettschule auf einem Grundstück oberhalb des Urbanplatzes geben. Anlass des Streits ist ein Vorschlag der Stadt Stuttgart, einerseits die nach heutigem Stand rund 25 Millionen Euro Baukosten zwar wie üblich zwischen Stadt und Land Baden-Württemberg aufzuteilen, andererseits die Kosten der Erstausstattung des Baus, die weitere fünf Millionen Euro betragen, aber dem Staatstheater selbst aufzubürden. Für diesen Betrag, so der Ratschlag der Stadt, möge dieses auf Sponsorensuche gehen.

 

Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (beide CDU) schwebt damit eine Lösung vor, in der immerhin ein Fünftel der Bausumme möglichst nichtöffentlich finanziert wird, denn ohne besagte Erstausstattung wäre der Neubau der Schule für das Stuttgarter Ballett gar nicht zu nutzen. Zu dem, was den architektonisch fertigen Bau erst zur Ausbildungsstätte macht, zählen einer internen Auflistung zufolge die gesamte Licht- und Tontechnik, die Ausrüstung der Probebühnen, Vorhang, Flügel und Notenpulte. Die Reihe derart zweifellos nützlicher Dinge reicht aber herunter bis zu den Telefonen, Computern, Akkuschraubern und Türschlössern. All das, so die Stadt, solle möglichst aus der Tasche spendabler Mäzene und Unternehmer bezahlt werden.

Grüne und SPD wollen volle Summe aufteilen

Mit diesem Vorschlag steht die Stuttgarter Stadtverwaltung allerdings erst mal allein da. Das Landesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, so hat zumindest die Beamtenebene bereits signalisiert, sieht in einer solchen Abspaltung der Erstausstattung keinen Sinn. Die zügige Verwirklichung des Neubaus der John-Cranko-Schule ist ja sogar Bestandteil des grün-roten Koalitionsvertrages; Ministerin Theresia Bauer von den Grünen führt im Verwaltungsrat derzeit den Vorsitz. Grüne und SPD streben eine Finanzierung an, wie sie bei allen Projekten des Württembergischen Staatstheaters Usus ist: je zur Hälfte aus dem Landes- und aus dem Kommunalhaushalt, und zwar über die volle Summe von eben 30 Millionen Euro.

Diese Parität ist eine wechselseitige Verpflichtung. Das heißt: sollte die Stadt tatsächlich die fünf Millionen Euro teure Erstausstattung aus dem öffentlichen Budget ausgliedern wollen, wovon sie ja letztlich „nur“ einen Anteil von 2,5 Millionen Euro real zu zahlen hätte, wird auch das Land seine 2,5 Millionen Euro nicht geben.

Staatstheater sehen Leistungsfähigkeit gefährdet

Entschiedener Protest kam bereits im Vorfeld der Sitzung von den Intendanten und dem Personalrat der Staatstheater. In einem Schreiben an alle Verwaltungsratsmitglieder, das der StZ vorliegt, protestieren sie scharf gegen den Finanzierungsplan der Stadt und sehen „die künstlerische Leistungsfähigkeit und betriebliche Fortführung der Staatstheater als Ganzes“ in Gefahr. Die angestrebte Einwerbung von Sponsorenmitteln in Höhe von fünf Millionen Euro für eine Bauausstattung übersteige erheblich jene Summe, die derzeit beispielsweise vom Förderverein der Staatstheater für einzelne Projekte oder Inszenierungen eingeworben werden.

Nach Ansicht der Intendanten drohe damit ein „fundamentaler Paradigmenwechsel“: „Die Staatstheater wären gezwungen, neben ihrer in der Vergangenheit stets respektablen Eigenfinanzierung zusätzlich die Rolle eines dritten institutionellen Finanzierungsgebers zu übernehmen. Das kann und darf nicht sein.“

Der Hintergrund: natürlich gibt es auf der Welt Opernhäuser, die Sponsorengelder in solchen Größenordnungen einwerben, weil die Kulturpolitik am Ort sich bei der Finanzierung von jeher zurückhält. Zur Anwerbung und Pflege dieser Sponsoren sind aber spezialisierte Apparate in der Opernverwaltung nötig. Im Antrag der Stadt Stuttgart heißt es zu diesem Punkt, Stadt und Land würden die Stuttgarter Staatstheater „bei der Einwerbung entsprechender Mittel unterstützen“. Doch für die Theaterchefs ist die Lage klar: Entweder knapsen sie Geld für neue Stellen einer „Stabsstelle Sponsoring und Mäzenatenpflege“ aus ihrem Gesamtbudget ab – oder sie bleiben auf den fünf Millionen Euro Erstausstattungskosten sitzen, die sie ebenfalls aus ihrem Budget zahlen müssten.

Budget der Stattstheater schon jetzt belastet

Die Intendanten Reid Anderson (Ballett), Marc-Oliver Hendriks (Geschäftsführung), Hasko Weber (Schauspiel) und Jossi Wieler (Oper) sowie der Personalratsvorsitzende Johannes Egerer weisen bei der Gelegenheit auf eine Reihe weiterer Kosten hin, die schon jetzt das Gesamtbudget der Staatstheater zusätzlich belasten: von den Mehrkosten für die verspätete Rückkehr des Schauspiels ins renovierte Schauspielhaus bis zu erhöhten Betriebsausgaben im frisch eröffneten Probenzentrum Nord.

In der Saison 2009/2010 betrug das Gesamtbudget der Staatstheater rund 92,2 Millionen Euro; Stadt und Land steuerten dazu insgesamt 72,9 Millionen Euro bei. Die Stadt Stuttgart bereitet derzeit den Entwurf des Doppelhaushaltes 2012/2013 vor. Kann sich der Verwaltungsrat der Staatstheater darüber nicht einigen, würde dies das Bauprojekt selbst noch nicht verzögern. Hier läuft zurzeit ein internationaler Architektenwettbewerb, dessen Ergebnisse im November gesichtet werden sollen. Atmosphärisch aber setzt sich der Eindruck weiter fort, dass bei der Verwirklichung dieses für die Stadt so prestigeträchtigen Projektes nicht alle wirklich an einem Strang ziehen