Hebbe Klein aus Benningen ist Ballon-Pilot aus Leidenschaft. Wer bei ihm in den Korb steigt, erlebt eine ganz besondere Art der Fortbewegung – und eine bezaubernde Aussicht auf eine Spielzeugwelt.

Ludwigsburg: Sandra Lesacher (sl)

Je näher der Start rückt, desto mehr Schmetterlinge flattern durch die Magengrube. Und in dem Moment, in dem es dann losgeht, schlagen sie alle gleichzeitig kräftig mit den Flügeln. Es fühlt sich an wie ein leises „wuuuuuuuhhhhh“ irgendwo im Bauch. Und plötzlich geht es ganz schnell nach oben. Das ist nicht unangenehm. Im Gegenteil: Der Start mit dem Heißluftballon ist wunderschön. Nur ungewohnt, wenn es das erste Mal ist.

 

Gerade noch ragten die Bäume um die kleine Wiese meterhoch auf, man stand hinter parkenden Autos, neben Menschen, vor einem Zaun. Im Hintergrund der Cannstatter Wasen mit seinen mächtigen Fahrgeschäften, die die Menschen in die Höhe katapultieren, das Riesenrad, das alles unter sich lässt.

Blick aus dem Heißluftballon

Der Wasen ist plötzlich ganz klein. Foto: Sandra Lesacher

Alles? Nicht ganz. Wir stehen dicht an dicht im Korb eines Heißluftballons und die Welt unter uns wird mit jedem Meter Höhe mehr zur Spielzeuglandschaft. Es sieht aus, als hätte jemand den Rummel auf dem Cannstatter Wasen, ja ganz Stuttgart und die umliegende Region, rund um seine Modell-Eisenbahn nachgebaut. Irgendwie putzig.

Und das von einer Minute auf die andere. Es ist eine ganz neue, ganz andere Welt, die sich demjenigen auftut, der in den Korb eines Heißluftballons klettert. Eine Welt, die Herbert Klein aus Benningen, den alle „Hebbe“ nennen, bei seiner ersten Fahrt im Heißluftballon derart fasziniert hat, dass er sofort wusste: Das will ich immer machen.

Es war 1998, Hebbe Kleins damalige Freundin hatte eine Heißluftballon-Fahrt bei einer Verlosung gewonnen. Alleine traute sie sich nicht, also kam er mit. Gestartet wurde auf der Schwäbischen Alb an der Bärenhöhle. Dann ging es hoch in die Lüfte. Das hat Hebbe Klein gepackt wie ein Virus. „Ich war sofort infiziert“, sagt er.

Eine Woche später hat er sich einen Lehrer gesucht und die Ausbildung zum Ballon-Pilot gemacht. Lange fuhr er bei seinem Ausbilder unter Vertrag, irgendwann war ihm klar: „Ich brauche einen eigenen Ballon.“ Seither ist er meist von Benningen aus mit dem quietschgelben Ballon unterwegs.

An diesem Samstag geht es allerdings vom Cannstatter Wasen aus los. Die gelbe Hülle wird dazu erst einmal mit dem Korb verbunden und auf der Wiese ausgebreitet. Ein riesiger Ventilator pustet Luft in den Ballon und das Haar aller Beteiligten strubbelig. Noch liegt das Körbchen auf der Seite.

Dann wird’s heiß. Der Brenner, der an eine Gasflasche angeschlossen ist, spuckt mächtig Feuer und erwärmt die Luft im Ballon. Und langsam, ganz langsam, wird die gelbe Hülle voller und voller und beginnt, nach oben zu steigen. Immer weiter, bis sich auch der Korb aufrichtet. Und jetzt geht alles ganz schnell. Zack, klettern vier Leute in das doch recht enge Körbchen. Es ist durchaus kuschelig da drin.

Doch daran stört sich keiner, alle staunen. Hui, es geht nach oben, immer weiter. Die Welt, in der man eben noch stand, wird zur Spielzeuglandschaft. Winzige Häuschen, kleine Autos, fingergroße Züge . . . Wir schweben 650 Meter über dem Boden.

Ein großes Gespräch kommt im Körbchen nicht auf, alle vier gucken stumm und beseelt vor sich hin und genießen einfach nur den Ausblick. Sogar Manuela Wilfing, sie hatte großen Respekt vor ihrer ersten Ballonfahrt, da sie Höhenangst hat. Nach der Landung wird sie sagen: „Das will ich wieder machen.“

Hebbe Klein genießt genau das, wenn er in der Luft ist. „Wir schweben dahin in aller Ruhe. Da kann ich runterkommen“, sagt der 59-Jährige. So oft er kann, geht der Schlossermeister in die Luft. Vier Gäste kann er pro Fahrt mitnehmen. Weil aufgrund ungünstiger Wetterverhältnisse immer auch mal Fahrten ausfallen, hat er inzwischen eine ganze Liste an möglichen Gästen. „Da spiele ich dann ein bisschen Tetris. Wer als erstes ,ja’ sagt, fährt mit.“

Apropos Ja-Sagen: Natürlich hatte Hebbe Klein auch schon einige Heiratsanträge im Ballonkorb. Und die Frage aller Fragen wurde auch immer mit „ja“ beantwortet. „Das sind natürlich besondere Momente“, sagt der Benninger. Er beobachtet auch Kurioses von da oben. Einmal passierte just unter ihm auf einer Kreuzung ein kleiner Auffahrunfall. Der Fahrer des hinteren Autos hatte nicht auf die Straße, sondern hinauf zum Ballon geschaut. Oder die Dame, die eines Morgens just ihren Rollladen hochzog, als Hebbe Klein mit seinem Ballon am Haus vorbeifuhr. Sie war splitternackt, wickelte sich aber sofort in den Vorhang und winkte den Ballonfahrern fröhlich zu.

Wo es jeweils hingeht, steht im Vorfeld meist nur vage fest. Der Wind ist der Steuermann. Zwar ist an diesem Tag als grobe Richtung von Bad Cannstatt aus Marbach das Ziel, es kommt aber anders. Wir streifen den Rems-Murr-Kreis und gehen kurz vor Affalterbach mal ganz tief runter. In 30 Metern Höhe geht es über ein Waldstück, die Baumwipfel sind fast greifbar. Unten grast ein Reh.

Der Wind, er ist in diesem Moment fast weg. Mit sechs Stundenkilometern geht es fast gar nicht vorwärts. Dabei kann so ein Heißluftballon ganz schön fix unterwegs sein. Zum Beispiel bei einer Alpenüberquerung, da geht es schon auch mal mit Tempo 140 voran.

Nach dem Beinahe-Stillstand kurz vor Affalterbach geht es in einer anderen Höhe dann wieder etwas schneller weiter. Wir fliegen einen schönen Bogen über das Dorf und werden weiter am Ortsrand von Erdmannhausen getrieben. Viele Leute im Neubaugebiet bleiben im Garten und auf der Straße stehen und winken. Auch ein paar Kinder, die auf einer Terrasse sitzen und Kürbisse schnitzen, haben ihre helle Freude am luftigen Kurzbesuch.

Am Ende gibt’s die Ballon-Taufe

Hebbe Klein tauft die beiden Ballon-Neulinge Manuela Wilfing und Sandra Lesacher (rechts). Foto: privat

Langsam sucht Hebbe Klein ein geeignetes Plätzchen zum Landen und ruft noch „Gut festhalten!“. Ein Stoppelfeld in der Nähe von Steinheim wird es, auf dem es dann etwas unsanft, aber sicher, auf den Boden zurück geht. Der Ballon plumpst auf das Feld, das Körbchen kippt zur Seite, die Insassen krabbeln heraus.

Vorbei ist der Spaß aber noch nicht. Erstens muss alles gemeinsam wieder im Hänger des Verfolgers verstaut werden. Zweitens gibt es traditionell eine Ballontaufe für diejenigen, die zum ersten Mal mit heißer Luft durch die Lüfte geschwebt sind. Dabei wird eine Haarsträhne angezündet – gelöscht wird mit Sekt.