Sie sollen Molotowcocktails auf einen Barbershop in Reichenbach (Kreis Esslingen) geworfen und damit den Tod von 15 Bewohnern in Kauf genommen haben: Drei junge Männer stehen seit Mittwoch wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes vor Gericht.

Es wird akribisch kontrolliert. Wie zuletzt immer bei Prozessen, die in Zusammenhang mit der Gewaltserie zwischen zwei rivalisierenden Gruppen gebracht werden, hat die Justiz die Sicherheitsvorkehrungen nochmals erhöht. Taschen werden durchleuchtet, es gibt Leibesvisitationen und Metalldetektoren. Wer am Mittwochvormittag in Saal 1 des Stuttgarter Landgerichts möchte, muss sich zudem ausweisen und sein Handy abgeben. Waren bei den früheren Banden-Prozessen in und um das Gerichtsgebäude zahlreiche Unterstützer der Angeklagten und teilweise auch Angehörige der jeweiligen Feinde aufgelaufen, scheint von denen jetzt kein einziger mehr gekommen zu sein.

 

Es ist auffallend leer im Zuschauerraum, als die drei jungen Männer, alle muskelgestählt, in Handschellen hereingeführt werden. Zwei verstecken ihr Gesicht hinter Aktenordnern, einer strahlt in die Kameras und macht mit der gefesselten Hand das Victory-Zeichen. Der Oberstaatsanwalt wirft dem Trio, das der Gruppierung Göppingen-Zuffenhausen angehören soll, unter anderem versuchten Mord vor. Die mittlerweile 22, 21 und 20 Jahre alten Männer sollen laut Anklage den nächtlichen Brandanschlag am 21. September 2023 auf einen leer stehenden Barbershop in der Hauptstraße in Reichenbach verübt haben. 15 Menschen schliefen zu dem Zeitpunkt in dem Wohn- und Geschäftsgebäude. Laut Staatsanwalt sollen die Angeklagten es in Kauf genommen haben, dass bei dem Anschlag Bewohner hätten getötet oder verletzt werden können.

Der Anklage zufolge soll der 22-Jährige gegen 3.30 Uhr mit vier Beil-Hieben die von innen verklebte Schaufensterscheibe eingeschlagen haben. Seine mitangeklagten Komplizen sollen dann insgesamt drei brennende Molotowcocktails in den Innenraum geworfen haben. Ein unbekannter Vierter habe die Tat gefilmt, ist die Staatsanwaltschaft überzeugt. Wer diese Person ist, sei bislang aber unklar. Die Räume fingen Feuer und es entwickelte sich starker Rauch. Zu Schaden kam zum Glück niemand – die Bewohner im Obergeschoss hatten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen und Hilfe holen können. Laut Oberstaatsanwalt hätten die Angeklagten sich mit dem Brandanschlag für eine Provokation der gegnerischen Gruppe rächen wollen. An dem Gebäude entstand laut Anklage ein Schaden von über 16 000 Euro. Auf das Haus war zuvor bereits im Februar geschossen worden. Schon damals wurden Vermutungen laut, dass der Vorfall mit dem Bandenkrieg in Zusammenhang stehen könnte. Der Friseur zog daraufhin um.

Wie immer schweigen die Angeklagten

Der Prozess vor der Jugendkammer könnte sich bis in den Januar hinein ziehen, bislang sind zwölf Verhandlungstage terminiert. Einem Angeklagten wird darüber hinaus vorgeworfen, mit Kokain in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Einer der Angeklagten soll außerdem mit Betäubungsmitteln gehandelt sowie im vergangenen Jahr gemeinsam mit einem der beiden Angeklagten im Raum Schorndorf unerlaubt eine Maschinenpistole im Auto mitgeführt haben. Alle Angeklagten ließen am Mittwoch über ihre Verteidiger erklären, dass sie vorerst keine Angaben machen werden.

Viele jungen Bandenmitglieder sitzen hinter Gitter

Die Bandenrivalität hat fast zwei Jahre lang in der Region eine beispiellose Gewaltorgie nach sich gezogen, die im Juni 2023 in den Handgranaten-Anschlag auf dem Altbacher Friedhof gipfelte. Mehrfach gab es Schießereien auf offener Straße, Maschinenpistolen, aber auch Messer waren im Einsatz. Es dürfte der Arbeit von Polizei und Justiz zu verdanken sein, dass es ruhiger geworden ist. 2024 wurden den multiethnischen Gruppen, von denen die eine im Raum Esslingen-Ludwigsburg, die andere im Gebiet Göppingen-Zuffenhausen agiert, bislang keine spektakulären Taten zugeordnet. Auf beiden Seiten sitzen inzwischen etliche junge Männer in Untersuchungshaft oder sind zu teils langen Gefängnisstrafen verurteilt.