In einer Bank in Göppingen ist ein Senior im November von einem 35-jährigen Algerier attackiert worden – jetzt hat das Gericht das Urteil gesprochen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Es ist der 28. November 2016, gegen 11.30 Uhr, ein Mann betritt eine Filiale der Kreissparkasse in der Göppinger Innenstadt. Er murmelt in arabischer Sprache vor sich hin, wirkt aggressiv, eine beunruhigte Bankmitarbeiterin ruft bei der Polizei an. Bevor Beamte eintreffen, tritt der Unbekannte plötzlich mit Wucht einem 78 Jahre alten Bankkunden in die Wade. Eine Videokamera in der Filiale zeichnet alles auf. Der Mann schlägt mit dem Kopf auf dem Steinboden auf. Notärzte retten sein Leben, doch von dem beim Sturz erlittenen Schädelhirntrauma, einem Schädelbasisbruch und den inneren Blutungen wird er sich nie mehr ganz erholen. Heute ist der 78-Jährige ein Pflegefall.

 

Weil der Täter schuldunfähig ist, kommt er statt ins Gefängnis in die Psychiatrie

Am Donnerstag hat das Landgericht Ulm sein Urteil zur Straftat gesprochen. Der Täter, ein 35 Jahre alter Algerier, wird in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen, auf unbestimmte Zeit und zum Schutz der Öffentlichkeit. Die nachgewiesene gefährliche Körperverletzung, begangen als „lebensgefährdende Behandlung“, wiege schwer, die Verletzungen des 78-jährigen Mannes seien „furchtbar“, sagt der Richter Gerd Gugenhan. Jedoch sei der Angeklagte schuldunfähig und könne deswegen nicht mit Gefängnis bestraft werden.

Schon die Staatsanwaltschaft hatte darauf verzichtet, eine Haftstrafe zu beantragen. Ein Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Heiner Missenhardt vom Zentrum für Psychiatrie in Bad Schussenried war bereits während der Strafermittlungen zu eindeutigen Schlüssen gekommen. Der 35-jährige Angreifer leidet demnach an paranoider Schizophrenie, was sich äußere „in dem Fühlen, andere würden seine Gedanken lesen und ihm Gedanken nehmen“, wie der Richter Gugenhan am Donnerstag nochmals wiederholte. Zugleich werde der Angeklagte immer wieder von befehlenden „imperativen Stimmen“ heimgesucht, also akustischen Halluzinationen.

Seine Schizophrenie hat die Attacke ausgelöst

Solche Stimmen waren offenbar auch Auslöser für die Attacke am 28. November. Sie hätten ihm eingegeben, „einen Juden zu schlagen“, hatte der 35-Jährige bei ersten Polizeivernehmungen nach der Tat gesagt. Warum er dann ausgerechnet den 78-Jährigen angriff, konnte er nicht erklären. Schon auf dem Weg zur Bankfiliale, sagten Zeugen vor Gericht aus, habe der Angeklagte etwas vor sich hingesprochen, was wie Koransuren geklungen habe.

Welche Rolle die Lebensumstände für den kritischen psychischen Zustand des 35-Jährigen im November spielten, blieb im Ulmer Prozess unklar. Der Mann stammt aus Algerien und lebte zum Tatzeitpunkt in einer Göppinger Flüchtlingsunterkunft. Eine Bleibeperspektive besaß er nicht. Sein Antrag auf Asyl war abgelehnt worden, eine Duldungsfrist für die Bundesrepublik war abgelaufen, die Abschiebung stand bevor. Seit der Verhaftung vor der Bankfiliale ist der Angeklagte im psychiatrischen Krankenhaus Bad Schussenried untergebracht und bekommt Medikamente. Eine wirkliche Therapie ist aber wegen der ausschließlich arabischen Sprachkenntnisse des Mannes offenbar kaum möglich.

Der algerische Mann ist bereit, sofort auszureisen

Das war der Grund, weshalb der Verteidiger des 35-Jährigen in seinem Plädoyer am Donnerstag beantragte, keine Unterbringung in einem Krankenhaus anzuordnen, sondern die Verabreichung der nötigen Medikamente durch einen Pflegedienst oder einen Bewährungshelfer zu überwachen. Sein Mandant sei ohnehin „ausreisepflichtig“, sagte der Verteidiger. Es sei wenig sinnvoll, den Mann „noch ein, zwei Jahre“ in der Psychiatrie zu belassen, die aufgrund der schlechten Behandlungsprognose ohnehin keine wirkliche Therapie bewirken könne, und dann erst die Abschiebung ins Werk zu setzen. Sein Mandant sei bereit, sofort „freiwillig auszureisen“.

Das Landgericht ließ sich darauf nicht ein. Zwar seien die Therapiechancen wirklich nicht gut, sagte der Richter. Doch ohne ständige Überwachung in einem Krankenhaus stehe beim Angeklagten zu befürchten, „dass schon die Krankheitseinsicht wieder abstürzt“. Es sei „zu erwarten, dass er unbehandelt gleiche oder ähnliche Straftaten wieder begehen wird“. Das Urteil lässt offen, war tatsächlich mit dem Angeklagten passieren wird. Über den Zeitpunkt der Abschiebung, hieß es seitens der Staatsanwaltschaft, müsse die zuständige Ausländerbehörde entscheiden. Zwei Jahre Unterbringung seien aber wahrscheinlich.