Die Bundesregierung will auf Preisblasen bei Immobilien vorbereitet sein. Das Finanzministerium legt einen Gesetzentwurf vor, um notfalls Anforderungen für Immobilienkredite zu erhöhen. Die Geldhäuser machen sich vor allem Sorgen, dass die Kredittvergabe durch höhere Eigenkapitalanforderungen erschwert wird.

Berlin - Der starke Preisanstieg auf dem Immobilienmarkt ruft Politik und Bankenaufseher auf den Plan. Während sich die Bundesregierung mit einem Gesetz gegen künftige Immobilienblasen wappnet, befürchten die privaten Banken in Deutschland neue Hürden für das Kreditgeschäft mit Wohn- und Gewerbeimmobilien. Noch in diesem Jahr soll über die Umsetzung der Eigenkapitalstandards für Banken („Basel-III-Paket“) entschieden werden. Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, warnt vor Verschlechterungen für Kunden. Er befürchtet, dass die Banken wegen der neuen Standards ihr Eigenkapital für die Immobilienfinanzierung drastisch erhöhen müssen. Falls die Pläne in der jetzigen Form umgesetzt würden, bedeutet dies für Kunden, dass der Zugang zu Immobilienkrediten erschwert und die Darlehen teurer werden. Nach Informationen unserer Zeitung denken die Finanzpolitiker der großen Koalition daran, der Unsicherheit bei der Vergabe von Immobilienkrediten entgegenzuwirken. Anlass dafür ist die im Frühjahr in Kraft getretene Richtlinie zu Wohnimmobilienkrediten, die nach Meinung der Sparkassen das Kreditgeschäft bremst. Dazu soll es möglichst schnell eine gesetzliche Klarstellung geben.

 

Gibt es eine Immobilienblase?

Trotz der stark gestiegenen Preise für Wohnungen und Häuser kann nach Meinung der Privatbanken und der Sparkassenorganisation nicht von einer Immobilienblase gesprochen werden. Die Deutsche Bundesbank kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass es allenfalls in einzelnen Ballungsräumen Überhitzungen gibt. Eine generelle Immobilienblase sieht die Notenbank in Deutschland nicht. Allerdings fürchten die Aufsichtsbehörden in anderen EU-Ländern Spekulationsblasen. Grund dafür ist auch die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).

Was macht die Bundesregierung?

Die Regierung will gegen mögliche Preisblasen auf dem Immobiliensektor gewappnet sein. Dazu hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Regelungen sollen der deutschen Bankenaufsicht die Möglichkeit geben, bei Anzeichen für eine Preisblase auf dem Markt für Wohnimmobilien die Anforderungen an die Kreditvergabe zu erhöhen. Die Regierung betont, es handle sich um Instrumente, die im Ernstfall zur Anwendung kämen. Die Bestimmungen gelten im Falle der Aktivierung auch nur für neue Kreditverträge und nicht für die Kunden, die bereits Darlehen abgeschlossen haben. Die Finanzaufsichtsbehörden können die Beschränkungen „im Gefahrenfall“ in Kraft setzen. Die Regierung begründet die Vorsichtsmaßnahme damit, dass 70 Prozent der Kredite von Privathaushalten auf Wohnimmobilien entfallen.

Welche Beschränkungen sind denkbar?

Künftig sollen Obergrenzen festgelegt werden können, wonach der Kredit einen bestimmten Anteil des Immobilienwerts nicht übersteigen darf. Vorgesehen ist ferner, dass die Belastung mit Zinsen und Tilgung einen bestimmten Anteil des Einkommens nicht übersteigen darf. Die Bankenaufsicht kann auch vorgeben, dass ein Teil des Darlehens innerhalb eines bestimmten Zeitraums getilgt werden muss. Der Gesetzentwurf stellt aber klar, dass es Ausnahmen gibt. Kredite, die Bagatellgrenzen nicht übersteigen, bleiben unberücksichtigt. Auch für Anschlussfinanzierungen sollen die verschärften Regeln nicht gelten. Ebenso sind Darlehen für Renovierungen ausgenommen.

Warum warnen die Banken?

Das Geschäft mit privaten Wohnungs- und Hauskrediten zählt für die deutsche Kreditwirtschaft zu den tragenden Säulen. Während in den Vereinigten Staaten Immobilienkredite vor allem von verstaatlichten Banken vergeben werden, werden sie in Deutschland von Geschäftsbanken und Sparkassen angeboten. Die deutschen Institute befürchten, dass höhere Eigenkapitalanforderungen das Immobilienkreditgeschäft unattraktiv machen. Wenn die Banken Kredite mit mehr Kapital unterlegen müssen, werden Darlehen teurer.

Für die deutschen Institute zählen Hypothekendarlehen zum risikoarmen Geschäft. Bisher war es möglich, dass die Banken die vergleichsweise niedrigen Kreditausfälle in der Vergangenheit als Maßstab dafür nahmen, wie stark das Geschäft mit Eigenkapital unterlegt sein muss. Mit den neuen Regeln kann es passieren, dass die individuellen Erfahrungswerte eines Geldhauses nicht mehr anerkannt werden. Falls es so kommt, sehen sich die deutschen Institute benachteiligt. Der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, Michael Kemmer, sieht keinen Grund, an den Vorschriften etwas zu ändern. Es habe in Deutschland eine lange Tradition, dass Hypothekendarlehen und deren Finanzierung durch Pfandbriefe durch strenge Bestimmungen geschützt seien.

Warum plant die Koalition eine Klarstellung?

Im März traten neue Regeln für die Prüfung der Kreditwürdigkeit von Häuslebauern und Wohnungskäufern in Kraft. Damals wurde eine neue Richtlinie zu Wohnimmobilienkrediten umgesetzt. Mittlerweile schlagen einzelne Bankengruppen Alarm, weil sich die Voraussetzungen für die Kreditvergabe erhöht haben sollen. Vor allem junge Familien und ältere Menschen kämen schwerer an Darlehen, sagen zum Beispiel die Sparkassenverbände. Das Bundesfinanzministerium und die Finanzpolitiker der Koalition nehmen die Klagen ernst. Nach Informationen unserer Zeitung denkt die große Koalition über eine gesetzliche Klarstellung zur Umsetzung der Richtlinie zu Wohnimmobilienkrediten nach. Damit soll erreicht werden, dass die Anforderungen durch die Banken nicht überinterpretiert werden. Die Regelung soll an den aktuellen Gesetzentwurf gegen die Überhitzung des Immobilienmarktes „angehängt“ werden. Gelingt dies, könnte die Bestimmung noch in diesem Jahr in Kraft treten. Allerdings sträubt sich bisher noch das Justiz- und Verbraucherschutzministerium.