Europas Wettbewerbshüter haben acht Geldinstituten die höchste Geldstrafe aller Zeiten aufgebrummt. Auch die Deutsche Bank hat zum Schaden der Allgemeinheit Zinssätze manipuliert. Neue Gesetze sollen das nun verhindern.

Brüssel - Joaquin Almunia ist keiner, der leichtfertig Schlagzeilen produziert. Als EU-Wettbewerbskommissar muss er seine Worte genau abwägen, weil sie Märkte in Bewegung versetzen können. Umso schwerer wiegt es, wenn es der Spanier „abstoßend“ und „erschütternd“ nennt, was die jüngste Kartelluntersuchung seiner Behörde zu Tage gefördert habe. Sage und schreibe 1,7 Milliarden Euro müssen die acht Finanzinstitute nun an Strafe bezahlen.

 

Den mit 725 Millionen Euro größten Batzen davon muss die Deutsche Bank zahlen – und das, obwohl sie wegen ihrer Kooperationsbereitschaft bei der Bereitstellung von Dokumenten, E-Mails und anderen internen Aufzeichnungen einen Strafrabatt erhielt. Es zeigt letztlich die Größe des Vergehens, das nicht nur Almunias Bild der Geldbranche erschüttert hat.Der im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit gelangte Skandal um die Manipulation der Zinssätze Libor und Euribor hat viele Dimensionen. Gegen einige beteiligte Händler laufen Strafverfahren, weil sie mit den veränderten Referenzsätzen nicht nur mehr Profit mit Termingeschäften machten, sondern auch viele Menschen schädigten: Hypotheken ohne fixierte Verzinsung orientieren sich an Libor und Euribor. „Das betrifft Millionen“, sagte Almunia am Mittwoch in Brüssel. Seiner Wettbewerbsbehörde geht es aber nicht um das Fehlverhalten Einzelner, sondern um die verbotenen Absprachen, die sie im Namen ihrer Unternehmen mit der Konkurrenz getroffen haben. „Wir haben ein Kartell im klassischen Sinne identifiziert“, so Almunia, für dessen Untersuchung auch nicht relevant war, ob das Vorgehen von oben gedeckt war: „Die hohen Strafen dienen der Abschreckung.“

Kartellstrafen orientieren sich am Umsatz des Unternehmens

In zwei getrennten Entscheidungen wurden Sanktionen wegen der Manipulation des für den Euroraum entscheidenden Zinssatzes Euribor und wegen ähnlicher Absprachen für den japanischen Markt verhängt. Beide Male war die Deutsche Bank involviert.

Da sie die Wettbewerbshüter erst auf Kartellverstöße aufmerksam machten, gehen die britische Bank Barclays und das Schweizer Geldhaus UBS straffrei aus. Sie profitieren von einer Kronzeugenregelung aus dem Jahr 2006. Hohe Geldbußen wurden dagegen der französischen Société Générale und der Royal Bank of Scotland auferlegt. „Nur“ rund 150 Millionen Euro müssen die US-Investmentbanken Citigroup und JP Morgan zusammen bezahlen. Sie beteiligten sich nur einen Monat an verbotenen Absprachen, Barclays und Deutsche Bank dagegen 32 Monate lang. Die britische Brokerfirma RP Martin, über die die Geschäfte teilweise liefen, muss 247 000 Euro berappen – Kartellstrafen orientieren sich am Umsatz eines Unternehmens.

Mit tricksenden Banken gibt es keine Nachsicht

„Das ist nicht das Ende dieser Geschichte“, kündigte Kommissar Almunia gleichzeitig mit den Sanktionen an, denn die acht Institute sind nur jene, die ihr Vergehen eingestanden und sich auf einen Vergleich mit der EU-Kommission eingelassen haben. Die Verfahren gegen das französische Institut Crédit Agricole und die in London ansässige HSBC, gemessen am Marktwert größte Bank Europas, laufen noch. Untersuchungen führen die Kartellwächter auch in Bezug auf mögliche Manipulationen des entsprechenden Schweizer Zinssatzes durch, bestätigte Almunia.

Mit Mitleid können die Geldhäuser kaum rechnen – zumindest fand sich am Mittwoch niemand, der die Brüsseler Sanktionsentscheidung hätte kritisieren wollen. Dies sei „ein unmissverständliches Signal, dass wir keine Nachsicht mehr mit tricksenden Bankern haben“, teilte der SPD-Europaabgeordnete Peter Simon mit. „Es ist richtig, Manipulationen des Interbankenzinses kompromisslos zu ahnden“, sagte auch sein CSU-Kollege Markus Ferber. „Da es dabei um viel Geld auch der Bankkunden und Privatanleger geht und das Vertrauen in die Banken von diesen selbst zerstört wurde.“

Künftig sollen die Banken reale Daten herausgegeben

Beide Abgeordnete sitzen im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments, dem bereits ein Gesetzesvorschlag zur Beratung vorliegt, der solche Manipulationen künftig erschweren soll. Der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier hatte ihn im September unterbreitet. Dadurch würden alle 57 Banken, die für die Berechnung des Libor-Index angeben, zu welchen Konditionen sie sich von anderen Instituten Geld leihen, auf die Herausgabe realer Daten verpflichtet. Bisher genügte es, wenn sie die Zinssätze meldeten, mit denen sie rechneten. Die, die sie tatsächlich zahlen, sind bisher nicht gefragt. Wer entsprechende Indizes erstellt, soll in Zukunft auch seine Rechenmethode offenlegen.

Dem Europaparlament genügt Barniers Vorschlag in diesem Punkt nicht: „Künftig müssen die Referenzzinsen für das Interbankengeschäft von unabhängiger Seite festgelegt werden“, so der CSU-Politiker Ferber: „Die künftige Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank könnte eine solche unabhängige Behörde sein.“

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