Ralph Hamers steht vor einer Herkules-Aufgabe: Der Niederländer ist der Chef der Bank UBS, die die Credit Suisse übernommen hat.

Korrespondenten: Helmut Hetzel (htz)

So hatte sich Ralph Hamers seinen Job bei der Schweizer Großbank UBS wohl nicht vorgestellt. Als der 56-jährige Niederländer im November 2020 als neuer Chef bei der UBS in Zürich antrat, war es seine Hauptaufgabe, die Geschäftsabläufe bei der UBS zu digitalisieren, die Bank schlanker und profitabler zu machen und sie vor allem noch stärker als bisher auf die globale Vermögensverwaltung auszurichten. Dass er reorganisieren und neu gestalten kann, hatte Hamers als Chef der ING Bank in den Niederlanden schon bewiesen. Er transformierte die ING Bank zu der wohl digitalsten Bank Europas und machte das führende niederländische Geldinstitut hochprofitabel.

 

Doch nun steht Ralph Hamers als Lenker der UBS vor einer Herkules-Aufgabe. Der zweifache Familienvater und studierte Ökonom muss die Credit Suisse (CS) nach der Übernahme durch die UBS zu einem neuen großen Geldhaus verschmelzen. Denn die Kombination UBS/CS ist mit einem verwalteten Vermögen von fünf Billionen Dollar nun der größte Vermögensverwalter der Welt.

Der Deal UBS/Credit Suisse sieht folgendermaßen aus: Die UBS bezahlt die drei Milliarden Franken teure Übernahme der CS ganz und gar mit eigenen Aktien.

Viele Anleger verlieren alles

Konkret erhalten die CS-Aktionäre für jeweils 22,48 CS-Titel eine UBS-Aktie. Dies entspricht 0,76 Franken je CS-Papier. Das bedeutet einen Abschlag von fast 60 Prozent. Das ist eine bittere Pille für alle CS-Aktionäre. Noch schlimmer aber trifft es Anleger, die CS-Anleihen der Kategorie AT1 gekauft hatten. Sie verlieren alles und können mit keiner Vergütung rechnen.

Eine Wunsch-Ehe ist die von der Schweizer Regierung und der Nationalbank erzwungene Hochzeit zwischen UBS und CS nicht. Aber die Zwangshochzeit war zur Rettung der CS unvermeidlich. Es war die Beste Lösung unter lauter schlechten. Ralph Hamers muss aus der Zwangshochzeit jetzt eine erfolgreiche Vernunft-Ehe machen und die CS – oder zumindest die Teile, die er von der CS behalten will – erfolgreich in die UBS integrieren. Das alles wird nicht ohne einen drastischen Stellenabbau gehen. Die Rede ist schon davon, dass bis zu 30 000 CS-Mitarbeiter Angst um ihren Job haben müssen.

Denn die Hauptaufgabe für die die UBS Ralph Hamers holte, wird wohl weiter das Ziel bleiben: Digitalisierung der Bankgeschäfte. Digitalisierung aber hat zur Folge, dass weniger Personal gebraucht wird.

Dass Hamers reorganisieren und neu gestalten kann, das hat er als CEO der ING Bank nach der weltweiten Finanzkrise, die 2007/2008 begann, bewiesen. Vor rund zehn Jahren begann er als damals 47-Jähriger den einstigen Allfinanz-Riesen ING-Gruppe, der aus einer Bank und einer Versicherung bestand, zu zerlegen. Die Versicherungssparte namens Nationale Nederlanden (NN) wurde ausgegliedert, verselbstständigt und an die Börse gebracht. Die ING konzentrierte sich ganz und gar auf das Bankengeschäft.

Die Aufspaltung der ING-Gruppe wurde von staatlicher Seite zur Auflage gemacht, weil die ING-Gruppe während der Finanzkrise 2008 mit einem staatlichen Kredit von zehn Milliarden Euro vor dem Konkurs gerettet werden musste. Unter der Leitung von Hamers wurde dieser Kredit schnell zurückbezahlt und der Finanzriese ING-Gruppe erfolgreich entflochten.

Die ING Bank im Visier der Finanzaufsicht

Aber die ING Bank geriet während der Amtszeit von Hamers (2013-2020) auch ins Zwielicht. Die niederländische Finanzaufsicht stellte fest, dass die ING Bank die geltenden Vorschriften zur Kontrolle der illegalen Geldwäsche nicht korrekt eingehalten hatte. Die Bank, die damals unter Leitung von Ralph Hamers stand, traf einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Staat. Sie zahlte ein Bußgeld in Höhe von 775 Millionen Euro.

In der Periode, in der die Geldwäschepraktiken bei der ING Bank-Niederlande stattfanden, war Koos Timmermans verantwortlich für den Unternehmensbereich ING Niederlande. Seit 2017 war Timmermans Finanzvorstand der ING Bank. Timmermans trat wegen des Geldwäscheskandals bei der ING Bank zurück und übernahm mit diesem Rücktritt de facto die Verantwortung dafür. Aber gegen Timmermans persönlich wurde nie ermittelt. Auch gegen Hamers wurde zu diesem Zeitpunkt nicht ermittelt. Das änderte sich aber 2020.

Denn dass sich die niederländische Justiz überhaupt noch einmal mit dem bereits durch den außergerichtlichen Vergleich 2018 beigelegten Geldwäscheskandal bei der ING Bank beschäftigte, hat Pieter Lakeman und seine SOBI (Stiftung Betriebsprüfung) bewirkt. Lakeman startete vor dem Haager Gericht ein neues Verfahren gegen die ING Bank und gegen Ralph Hamers als ehemaligen ING-Vorstandschef persönlich, weil er mit dem außergerichtlichen Vergleich nicht einverstanden war. Ein Haager Gericht entschied daraufhin, dass gegen Ralph Hamers persönlich als ehemaliger Vorstandsvorsitzender der ING Bank ermittelt werden könne. Das Verfahren ist noch in der Schwebe. Ein Urteil gibt es nicht.

Noch läuft ein Verfahren gegen Hamers

Hamers selbst sagte zu dem laufenden Verfahren gegen ihn: „Ich habe immer korrekt gehandelt und habe ein gutes Gewissen. Daher habe ich das vollste Vertrauen, dass dieses Verfahren für mich positiv endet.“ Außerdem: Die Staatsanwaltschaft stellte 2018 bereits fest, dass keiner der ING-Manager an den Geldwäschepraktiken der ING Bank aktiv mitgearbeitet hat. Auch Hamers nicht.

Aber: Sollte Ralph Hamers von einem Haager Gericht wider Erwarten doch verurteilt werden, dann wird er wohl kaum mehr die Aufgabe, die UBS und die CS erfolgreich zu fusionieren, zu Ende führen können.

Das Jahr 2022 zählt zu den besten in der Geschichte der UBS. Seit 16 Jahren verdiente die UBS nicht mehr so viel wie 2022, nämlich 7,63 Mrd. Dollar. Die UBS wird an der Börse nun mit 53 Mrd. Franken bewertet. Hamers hat es möglich gemacht.