Scharfschützen, Geisterstraßen, Absperrgitter – wenn US-Präsident Barack Obama nach Berlin kommt, bewegt er sich wie in einer Blase. Zur „historischen Rede“ am Brandenburger Tor kommen nur geladene Gäste.

Berlin - Die Berliner sind ein bisschen launisch, wenn es um US-Präsidenten geht – je nach Weltlage und jeweiligem Amtsinhaber gibt es an der Spree höchst unterschiedliche Arten, den jeweils mächtigsten Mann der Welt zu empfangen: Der Protest gegen den Besuch von Ronald Reagan 1987 zum Beispiel führte zu heftigen Gegendemonstrationen, die in Straßenschlachten endeten. Bill Clinton hing dagegen im Jahr 2000 mit Gerhard Schröder bei einem hippen Elsässer im Prenzlauer Berg ab, und an den Nebentischen saßen freundlich fröhliche Berliner. George W. Bush erlebte 2002 eine Geisterstadt, wie er selbst anmerkte. 10 000 Polizisten schirmten den Besucher von der Wirklichkeit und von Gegendemonstranten ab. Bush aß zwar Currywurst bei Tucher am Brandenburger Tor, aber echte Menschen sah er nicht – was ihn gut ein Jahr nach seinem Amtsantritt zu einem Satz ermunterte, der ihm zu Hause noch lange vorgehalten wurde: „I live in a bubble“, beklagte sich Bush damals – „Ich lebe in einer Blase.“ Barack Obama dagegen ist einen euphorischen Empfang gewöhnt: als er im Sommer 2008, damals Senator im Wahlkampf, seine Europatour unternahm, wollten mehr als 200 000 Menschen den Kandidaten an der Siegessäule reden hören. Es war die Kanzlerin Angela Merkel, die einen Auftritt vor dem symbolreichen Brandenburger Tor verhinderte.

 

Berlin funktionierte als „Change“-Kulisse

Aber der Wahlkämpfer machte seinen Plan trotzdem wahr, das wiedervereinigte Berlin als weltweit funktionierende Kulisse für die Aufführung eines Wandels („Change“) zu nutzen. Die Berliner halfen ihm mit ihrer Begeisterung dabei – sie wollten das Heilsbringer-Charisma erleben und warteten hinter den Gitterzäunen bis zu sieben Stunden auf den Auftritt des Mannes. Und diesmal? Von Euphorie jedenfalls ist bis jetzt nicht viel zu spüren. Zwar sollen auch diesmal Fernsehbilder entstehen, die zu Obamas Rede eine jubelnde Menge zeigen – aber der Mann ist US-Präsident, und als solcher längst ebenfalls in seiner eigenen Blase unterwegs. Die Sorge vor einem Anschlag ist groß.

Schon seit Wochen bereiten sich die Sicherheitsbehörden der Stadt und des Bundes auf den Staatsbesuch und die Anforderungen des Secret Service vor: Die Stadt wird zwar nicht im Ausnahmezustand sein, wie es immer so schön heißt, dazu ist Berlin zu groß. Aber zumindest im Regierungsviertel wird es kaum möglich sein, sich frei zu bewegen, und dicke Staus rundherum wird es auch geben. Es gilt die höchste Sicherheitsstufe: Wenn Obama, seine Frau Michelle und die beiden Kinder Malia und Sasha heute Abend mit ihrer Air Force One auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel landen, herrscht Flugverbot über der Stadt. Seit Montag suchen Taucher die Spree nach möglichen Sprengsätzen ab, Gullideckel werden verplombt, Mülleimer abgeschraubt, Plätze und Straßen gesperrt. Am Potsdamer Platz, wo die Obamas im Ritz Carlton übernachten, stehen Absperrgitter bereit. Das Hotel hat einen eigenen, abriegelbaren Trakt für Personen mit hohem Sicherheitsbedürfnis – dazu gehört zum Beispiel eine unabhängige Klimaanlage. Ob Obama wie letztes Mal im Tiergarten joggt? Wenn ja, dann treibt er damit sicher zuallererst seinen Sicherheitsleuten den Schweiß auf die Stirn, denn der Park ist unübersichtlich und hat viele Eingänge.

Ein Bad in der Menge ist nicht geplant

Für Mittwochmorgen ist ein Empfang mit militärischen Ehren beim Bundespräsidenten Joachim Gauck geplant. Es folgt ein Treffen mit der Bundeskanzlerin, anschließend ist im Kanzleramt eine Pressekonferenz vorgesehen. Auch mit dem SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück will sich Obama treffen. Am Abend ist ein Dinner in der Orangerie des Schlosses Charlottenburg geplant. Entlang der Strecke, für die es mehrere Alternativen gibt, werden Scharfschützen von Hausdächern aus die Straßen sichern. Üblich ist im Falle des US-Präsidenten auch ein gepanzerter Vorauswagen mit Scharfschützen.

Ein Bad in der Menge ist nicht geplant – aber Bilder, die irgendwie danach aussehen, will man natürlich erzeugen. Seine für solche Besuche obligatorische „historische Rede“ wird Barack Obama also am Mittwoch vor dem Brandenburger Tor halten – wie vor ihm schon Reagan und Clinton. Aber die Zuhörer werden geladene, genau ausgesuchte und sicherheitsüberprüfte Gäste sein – schon seit Tagen wird auf dem Pariser Platz eine Tribüne aufgebaut, sie ist mit Sperrzäunen gesichert. Der Bereich ums Brandenburger Tor soll in etwa einem Kilometer Umkreis gesperrt sein – damit liegt praktisch die historische Stadtmitte lahm. Immer noch variieren die Angaben, wie viele Zuhörer kommen werden, zwischen 4000 und 8000. Angeblich gab es darüber Streit zwischen den deutschen und den amerikanischen Sicherheitsbehörden. Anwohner dürfen zu bestimmten Zeiten weder Fenster noch Balkontüren öffnen – was bei der Sommerhitze einige mächtig nerven dürfte. Von den Demonstranten, die morgen gegen das Überwachungsprogramm „Prism“ des US-Geheimdienstes protestieren wollen, wird Obama nichts mitbekommen, sie sammeln sich am Großen Stern.

Obamas Frau Michelle will das Holocaust-Denkmal sowie die Gedenkstätte Berliner Mauer besuchen. Was Malia und Sasha planen, ist unklar – vielleicht drehen die beiden jungen Damen eine Runde im Mauerpark, wo sich die jungen Hipsters treffen.