Roman Amar Minon ist seit fast vier Jahrzehnten das prägende Gesicht des Schlampazius. Die Kneipe des gebürtigen Andalusiers ist das Gegenstück zu den modernen, auf Style getrimmten Hipster-Läden.

Lokalköpfe - Sie sagten „Lass das lieber, das Risiko ist zu groß, und nichts hält ewig.“ Ramon Amar Mimon aber hat nicht auf sie gehört. Mitte der Achtziger war das und der frühere Besitzer des Schlampazius in der Wagenburgstraße, Martin Maiwald, war gerade gestorben. Das Leben in der Kneipe, diesem Mikrokosmos, der diese Bezeichnung noch verdiene, musste weitergehen, fand Maiwalds Geschäftsführer und Küchenchef und besorgte sich einen Kredit. Nach inzwischen 38 Jahren Schlampazius sagt der Andalusier: „Ich bin ein glücklicher Mann.“

 

Es ist in Ordnung, zu Ramon Amar Mimon ganz einfach Ramon zu sagen, ganz sicher nicht Señor Amar Mimon. Denn auch Ramon duzt jeden, den Stammgast aus Esslingen, der seit Jahrzehnten auf einen Kaffee vorbeikommt und mal mehr, mal weniger spricht, genauso wie den Gasableser, den er zum ersten Mal in seinem Leben sieht. So ist der Spanier, so gewinnt er die Menschen, so verwickelt er sie mit ruhiger Stimme in Gespräche, nach denen man sicher ist, einem Schwärmer begegnet zu sein.

Etwas verrucht, aber charmant

Ramon war 19, als er 1973 nach Stuttgart kam, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Doch Mehrsprachigkeit war kein Muss in jener Zeit, in der „Wir stellen ein“-Schilder noch an vielen Häusern hingen. Ramon arbeitete als Schreiner, er arbeitete auf dem Bau. „Ich habe angeklopft und man hat mir aufgemacht.“ Dann schleppte ihn ein italienischer Freund ins Schlampazius, weil dessen Chef Spanisch sprach. Der Schritt gab Ramons Leben einen Richtungswechsel. „Niemals hätte ich gedacht, dass es solche Kneipen in Deutschland gibt.“

Mit solchen Kneipen meint er Gegenstücke zu modernen, auf Style getrimmten Hipster-Läden, etwas verrucht, aber charmant, dunkel, aber nicht furchteinflößend. Handys in den Händen seiner Gäste sieht Ramon nicht gern. Er will, dass sie miteinander auf althergebrachte Weise kommunizieren. Der Satz, im Schlampazius stehe die Zeit still, ist zwar zunächst einmal ein romantisierender Ausdruck der Verbundenheit derer, die schon seit Jahren kommen. Für die Atmosphäre der Kneipe, die mit dem benachbarten Laboratorium eine eigentlich untrennbare Einheit bildet, gilt das aber sehr wohl. Es lässt sich ablesen an den Plakaten und Fotos, die die Wände rund um die Bar zieren, und es lässt sich hören. Die Musik kommt von Kassette und ist seit Jahren die Gleiche, der Rock der Legenden. Jimi Hendrix und Janis Joplin schauen einen von der Wand herunter an, sie lächelnd, er herausfordernd. Ein Schlampazius-Abend ohne Janis, für Ramon ist das unvorstellbar. „Ich liebe diese Frau“, sagt er.

Wandeln zwischen den Heimaten

Natürlich ist der Chef, der im selben Haus wohnt und im Winter Obdachlosen eine Unterkunft und Schutz vor der Kälte bietet, nicht immer da. Er nimmt sich seine Auszeiten, fliegt gelegentlich in die andalusische Heimat, zu seiner Mutter, seinen Geschwistern und seiner 15-jährigen Tochter, die schon angekündigt hat, den Laden im fernen Stuttgart bald übernehmen zu wollen. In Malaga, an der Costa del Sol, tankt Ramon neue Energie. Aber es ist nicht so, dass er ein schwermütiger Kerl wäre, der unter permanentem Heimweh leidet, egal ob er in Spanien oder Deutschland weilt. Das Wandeln zwischen den Heimaten verbindet er mit einem Gefühl des Glücks. „Ich freue mich zweimal: Wenn ich verreise und wenn ich wieder zurückkomme.“

Dass die Zeiten auch im Schlampazius nicht rosig sind, man könnte es fast aus den Augen verlieren. Der Bierkonsum ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken, das Rauchverbot hat tiefe Löcher in die Kasse gerissen. Doch allen Unkenrufen zum Trotz hat die Kneipe noch immer offen, und Ramon ist noch immer da. Manche Dinge brauchen keine Veränderung.