Die Barbie wird seit Jahrzehnten von Mädchen begehrt. Feministinnen betrachten die superschlanke Puppe mit Argwohn. Neue Modelle zeigen jetzt reale Körpermaße – ein Indiz für gesellschaftlichen Wandel? Wir haben bei der Organisation Pinkstinks nachgefragt.

Stuttgart - Der Spielzeugwarenhersteller Mattel sorgt mit einer neuen Barbie-Linie für Aufsehen. Im Frühjahr soll die Palette um 23 Puppen erweitert werden, darunter Kurvige, Kleine und Kurzhaarige.

 

Was hinter dem Vorstoß steckt und wie Barbie die Körperwahrnehmung von Mädchen beeinflusst, darüber spricht die Geschäftsführerin der feministischen Protestorganisation Pinkstinks, Stevie Schmiedel.

Der Slogan von Pinkstinks lautet „Vielfalt ist schön“. Der Spielzeugwarenhersteller Mattel bringt unter dem Motto „Barbies neue Vielfalt“ eine ganze Palette „Normalo-Barbies“ heraus. Ein Triumph für Sie?
Wir freuen uns riesig, dass Mattel feministische Inhalte aufgreift. Der Protest, den wir maßgeblich mit voran getrieben haben, wurde offenbar gehört.
Welche Firmenstrategie steckt Ihrer Meinung nach dahinter?
Mattel reagiert damit auf Produkte wie die Alternativ-Barbie „Lammily“ , die im vergangenen Jahr viel mediale Aufmerksamkeit bekommen hat. Das ist ebenfalls eine Puppe mit normalen Maßen, die auch auf ihren Füßen stehen kann und nicht immer nur in High-Heel-Position. Mattel merkt, dass man sich damit ins Gespräch bringen kann.
Aber verkauft sich das auch ?
Das ist die Frage. Eine Lammily, die von uns sehr gelobt worden ist, wird den Markt nicht erobern, weil viel zu wenig Kapital dahinter steckt. Wenn Mattel nun eine Palette neuer Figuren auf den Markt wirft, ist völlig klar, dass das ein PR-Event ist. Es wird im Februar eine Testperiode auf Amazon geben, danach wird das Unternehmen entscheiden, welche Figuren im Sortiment bleiben. Unsere Vorhersage ist, dass höchstens ein oder zwei davon in die Produktion gehen werden.
Warum?
Der Protest kommt zwar in die Presse, das Konsumverhalten ist aber weiterhin so, dass am liebsten die schlanken Originalfiguren gekauft werden. Wir wissen von deutschen Spielzeugherstellern, dass das Kaufverhalten hierzulande noch sehr traditionell ist. In Schweden beispielsweise darf auch mal ein Junge fürs Katalogfoto ein Plüschtier an der Leine führen, bei uns ist das Mädchensache. Und der Verkauf der Original-Barbie ist zwar in Deutschland in den vergangenen Jahren stark rückläufig, dafür wird zum Beispiel die „Monster-High“-Puppe von Mattel sehr oft gekauft. Eine Figur, die noch dünner ist als Barbie.
Eine Studie der Universität Sussex fand heraus, dass die Körperwahrnehmung von jungen Mädchen durch den Einfluss von Barbies negativ beeinflusst wird.
Es ist nicht so, dass jedes Kind, dass mit einer Barbie spielt, automatisch eine Essstörung bekommt. Aber in der aktuellen „Bravo“-Studie kann man nachlesen, dass mehr als 50 Prozent der elfjährigen Mädchen ihren Körper ablehnen. Die Tendenz ist erschreckend. Das hat auf jeden Fall mit unserer Spielwarenwelt zu tun.
Möchte Mattel mit den neuen „Normalo-Barbies“ seinen Ruf aufpolieren?
Ich kann mir vorstellen, dass es als eine Art „Social Washing“ funktionieren soll. Das Produkt wird sich vermutlich nicht rentieren, höchstens als Nischenprodukt. Eine Plus-Size-Barbie wird möglicherweise auf dem Markt bleiben, damit man sagen kann: ‚Schaut her, wir machen doch auch was Gutes!’ Aber in einem Land, in dem eine Sendung wie „Germany’s next Topmodel“ trotz sinkender Quoten am Leben erhalten wird, ist die Frage, inwieweit sich eine Alternativ-Barbie durchsetzen wird.
Ist der Druck auf Spielzeugfirmen bezüglich limitierender Geschlechterrollen und Sexismus gewachsen?
Wir haben eine neue internationale Feminismus-Welle, dazu gehört die Schauspielerin Emma Watson mit ihrer Kampagne „He for She“, Innovationen wie besagte Lammily und eben auch unsere Initiative Pinkstinks. Wir sind innerhalb von drei Jahren zu einer sehr bekannten Frauenrechtsorganisation geworden. Das entspricht dem Zeitgeist und das merken natürlich Medien und Produkthersteller und reagieren darauf. Die Frage ist, inwieweit sich die großen Hersteller wirklich gegen den Mainstream positionieren können.