Die Bundesregierung will eine Barzahl-Obergrenze auf EU-Ebene. Verbraucher- und Datenschützer laufen dagegen Sturm. In manchen EU-Ländern gibt es eine solche Grenze bereits – mit wenig Erfolg.

Frankfurt - Deutschland und Frankreich wollen sich für eine gemeinsame Grenze bei Bargeldzahlungen starkmachen. „Wir bemühen uns in Europa um einheitliche Obergrenzen für Bargeldtransaktionen“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag in Paris nach der Sitzung des Wirtschafts- und Finanzrats beider Länder. Es gehe um den Kampf gegen Geldwäsche und gegen die Finanzierung von Terrorismus. „Es ist überhaupt nicht die Rede davon, eine Obergrenze einzuführen, wie viel Bargeld jemand besitzen darf“, sagte Schäuble.

 

Denkbar seien auch Zahlungen jenseits einer Obergrenze, wenn die Teilnehmer der Transaktion bekannt seien. Die Bundesregierung erwägt ein Limit von 5000 Euro. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin sprach von einer Pflicht, eine europäische Lösung bei der Barzahlung anzupeilen. Einzelne Ländern könnten bei Bedarf noch weitergehen. In Frankreich liegt die Obergrenze seit dem vergangenen Jahr bei 1000 Euro.

Der Vorschlag Schäubles war bei Daten- und Verbraucherschützern, aber auch manchem Politiker und selbst bei Bundesbankpräsident Jens Weidmann auf erhebliche Vorbehalte getroffen. Weidmanns Vorstandskollege Carl-Ludwig Thiele machte in einem Interview die Vorbehalte der Bundesbank noch einmal deutlich. Er warnte vor einem Vertrauensverlust in den Euro, wenn es zu Einschränkungen bei der Bargeldnutzung kommen sollte. Zudem sei die Eurozone in einer fragilen Situation. Da erscheine es nicht klug, wenn die Regierung Obergrenzen für den Bargeldgebrauch diskutiere und die Europäische Zentralbank überlege, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, sagte Thiele der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Es gehe beim Bargeld auch um die Freiheit der Bürger, sagte Thiele. Mit Blick auf die nun diskutierten Einschränkungen fügte er hinzu: „Freiheit stirbt scheibchenweise.“

Die Bundesbank äußert erhebliche Vorbehalte

Ähnlich äußerte sich der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier. Er war bis 2010 der oberste Hüter der Verfassung. Papier hält Beschränkungen von Bargeldzahlungen für verfassungswidrig. „Dies wären nicht gerechtfertigte Eingriffe in Freiheitsrechte, nämlich in die Vertragsfreiheit und Privatautonomie“, sagte Papier. Zudem habe das Verfassungsgericht immer wieder betont, „dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf“.

Der Handelsverband Baden-Württemberg ist aus eher praktischen Gründen gegen die Pläne der Bundesregierung. Das wäre ein Eingriff in die Privatsphäre und auch in puncto Datenschutz bedenklich, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands, Sabine Hagmann, in Stuttgart. „In vermögenderen Kreisen oder generell auf dem Land sind Barkäufe relativ üblich – sie für den Kauf von wertvollem Schmuck, edlen Uhren oder Autos zu verbieten wäre Gängelung.“ Hagmann verwies darauf, dass manche Bürger ganz bewusst auf Barkäufe setzen, etwa damit die Ehefrau auf dem gemeinsamen Konto den Kauf des Juwelengeschenks nicht vorab sehe.

Oder damit der Kauf eines Sportwagens nicht auf dem Bankkonto erscheine und ebensolche Daten später von Kriminellen gehackt werden könnten. „Manche Kunden haben nun mal Sorgen, sie würden zum  ,Gläsernen Bürger‘ in der digitalen Welt – die Barkauf-Deckelung würde solche Sorgen verschärfen.“ Hagmann hält die Begründung der Bundesregierung – der Kampf gegen Geldwäsche – nicht für schlüssig. Die Geldströme von Kriminellen würden verlagert, ausgetrocknet würden sie hingegen nicht.

Zustimmung gibt es beim Koalitionspartner

Aus der SPD dagegen bekam Schäuble gestern Zustimmung. „In Deutschland werden jährlich circa 60 Milliarden Euro gewaschen, und nur ein Prozent der kriminellen Gelder werden eingezogen. Das kann der Staat nicht akzeptieren“, sagte ihr Finanzexperte und stellvertretende Fraktionschef Carsten Schneider. Deutschland sei inzwischen europaweit Eldorado für Geldwäsche. Kriminellen müsse das Leben so schwer wie möglich gemacht werden.

Die Beratungen über eine mögliche Einführung der Obergrenze sollen bereits in dieser Woche auf dem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel beginnen. Das Finanzministerium wirbt dafür, das Bargeldlimit noch in diesem Jahr einzuführen. Es gehört zu einem Bündel von Maßnahmen, mit denen Geldwäsche bekämpft werden soll. Ein großer Teil der Gelder soll über Immobiliengeschäfte, Barzahlungen über Rechtsanwälte und den Kunsthandel laufen. Mit Hilfe einer Obergrenze sollen „Papierspuren“ gelegt werden, die Verdachtsmomente auf illegale Geldgeschäfte liefern.

In vielen EU-Staaten gibt es bereits Obergrenzen für Bargeldzahlungen, die sogar deutlich unter 5000 Euro liegen. Dazu zählen Italien und Frankreich sowie Portugal, Griechenland, Spanien und Belgien. Eingeführt wurden sie meist mit der Begründung, damit würde die Geldwäsche der Drogen-, Frauen- oder Waffenhändler erschwert, die ausufernde kriminelle Schattenwirtschaft bekämpft. Einen Erfolg haben die Grenzen jedoch noch nicht erzielen können. In fast allen EU-Ländern mit einer Bargeldobergrenze ist die Schattenwirtschaft heute nach wie vor deutlich ausgeprägter als in Deutschland, wo die illegalen Wirtschaftsumsätze etwa zwölf Prozent der gesamten Wirtschaftsaktivitäten ausmachen. In Italien und Griechenland ist der Schattenanteil beinahe doppelt so groß wie in Deutschland.

Das Beispiel Schweden

Bargeldlos
Schnupfenwetter, Taschentücher vergessen, zum Glück gibt’s auch in Stockholm überall Kioske. Fünf Kronen kostet die Tempo-Packung, etwa 53 Cent. Die kann man natürlich mit Karte zahlen, wie alles in Schweden, vom Busticket bis zum Hotdog in der Fußgängerzone oder dem Eis am Strand. Sogar die Stockholmer Obdachlosenzeitung zahlt man längst mit Visa oder Mastercard, denn deren Verkäufer haben zwar oft kein eigenes Dach über dem Kopf, aber ein Smartphone, das sie mit einem kleinen Kartenlesegerät verbinden können.

Zahlen
Anders hätten sie kaum eine Chance auf großen Umsatz, die meisten ihrer Einkäufe, etwa vier von fünf, zahlen die Schweden elektronisch. Nach einer Studie der Königlich Technischen Hochschule in Stockholm (KTH) könnte Schweden zur ersten bargeldlosen Gesellschaft der Welt werden. Die Summe an Scheinen und Münzen, die im Land noch in Umlauf sind, ist demnach in den vergangenen sechs Jahren von 106 Milliarden auf 80 Milliarden Kronen geschrumpft, das sind 8,5 Milliarden Euro. Nur etwa die Hälfte davon wird tatsächlich genutzt, der Rest ist unter Matratzen oder in der Schattenwirtschaft verschwunden. Die Schweden nutzen es ohnehin kaum noch.

App
Selbst wer sich Geld von einem Freund leiht oder die Rechnung im Restaurant trotz Kartenzahlung unter mehreren aufteilen möchte, drückt dem anderen keine Scheine in die Hand. Er „swisht“ ihm das Geld zu. Swish heißt eine App, die sich mehrere schwedische Banken teilen. Mit ihr kann man Geld in Echtzeit von seinem auf das Konto eines anderen Nutzers überweisen. So läuft in der Regel auch die Bezahlung auf Flohmärkten – noch nicht einmal dort wechseln noch Münzen ihre Besitzer. Auch an vielen Kassen, im Supermarkt oder im Café kann mit weiteren Smartphone-Apps bezahlen. Die ersten Geschäfte nehmen gar kein Bargeld mehr an. Viele Bankfilialen tun das schon längst nicht mehr.