Flohfalle, Zahnreißzange und Salzstreuer: Eine höchst anregende Barock-Schau in Mannheim nimmt das Zeitalter als Ganzes in den Blick und räumt mit manchem Klischee auf.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Mannheim - Eines ist gewiss: man wusch sich nicht. Die Perücken wurden gepudert, die Leiber kräftig parfümiert, während es sich das Ungeziefer zwischen den Kleiderschichten gut gehen ließen. Es scheint ausgemachte Sache zu sein, dass es in Zeiten des Barock gewaltig stank. Aber stimmt das tatsächlich? Die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim haben sich daran gemacht, mit einigen Klischees aufzuräumen und jene Epoche etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, die für Pomp und Dekadenz steht, für üppige Rubensfrauen und eitle Monarchen. Denn diese Jahre zwischen 1580 und 1770 waren auch eine Zeit des Aufbruchs, in der Fernrohr und Mikroskop erfunden wurden oder man weltweit Handel betrieb – um sich einen Kaffee oder Kakao gönnen zu können.

 

„Barock - Nur schöner Schein?“ nennt sich die anregende Schau im Zeughaus, die Kunst- und Kulturgeschichte verbindet und als kurzweiliger Parcours inszeniert wurde, bei dem man zwischen Gemälden, Möbeln oder den Zangen, mit denen der Dorfbarbier, also der Frisör Zähne zog, auch an Hörstationen in die Musik der Zeit hineinhören kann – wie Claudio Monteverdis „Marienvesper“. Hier kann man in die Aufzeichnungen eines Missionars hineinlesen, der als Tabakplantagenbesitzer und Sklavenhalter viel Geld scheffelte. Dort duften in der Sektion internationaler Handel die Gerüche der weiten Welt - Kaffee, Zimt, Pfeffer.

Diese Düfte waren freilich der Elite vorbehalten, so, wie die Ausstellung weitgehend die Geschichte der Reichen und Mächtigen erzählt. Reisegepäck gibt eine Ahnung, wie üppig ausgestattet die hohen Herrschaften seinerzeit reisten, mancher nahm sogar einen großen, hölzernen Reiseschreibtisch mit, um am Abend in der Fremde Korrespondenzen erledigen zu können. Imposant ist auch das Reiseservice von 1690/1700, das auf immerhin 53 Teilen besteht und ausgestattet ist mit Flakons, Bürste, Pinzette, Leuchter, Spiegel, Schreibzeug - das alles in Messing, Silber und Achat. Die schweren Griffe verraten, das ein Diener allein das schwere Stück nicht schleppen konnte.

Mannheim ist selbst Barockstadt

Immer wieder werden in der Ausstellung Bezüge zur Region hergestellt, schließlich ist Mannheim selbst Barockstadt, deren Grundriss auf dem Reißbrett konzipiert wurde. Diese Liebe zur Ordnung, die sich auch noch in Karlsruhe ablesen lässt, zeigt sich auch in den Gärten und Parks, die wie Kunstwerke gestaltet wurden. Während die Barockzeit einerseits von Kriegen überschattet war, erlebten Kunst und Kultur zugleich wahre Höhenflüge. 1710 gelingt es in Meissen zum ersten Mal, Porzellan herzustellen. Zunächst werden die chinesischen und japanischen Dekors nachgeahmt. Infiziert vom Exotismusfieber der Zeit, stellt die Frankenthaler Porzellanmanufaktur ihre Gewürzbehälter als Allegorien dar, asiatisch anmutenden Figuren mit Turban und Franzengewand. Schön ist auch das Schachspiel mit orientalisierenden Figuren aus bemaltem Porzellan, ebenfalls um 1765 in Frankenthal gebrannt.