Der Barocke Garten am Ludwigsburger Residenzschloss ist seit Mittwoch geöffnet – im Testbetrieb. Manche Besucher haben Freudentränen in den Augen, andere fürchten die zweite Coronawelle. Und der Blüba-Direktor versucht zu retten, was noch zu retten ist.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Alles an diesem Ort fühlt sich vertraut an, aber diesmal ist es anders. Das Gefühl ist ein anderes und die Atmosphäre ist anders. Das liegt nicht daran, dass die mächtige Fassade des Ludwigsburger Residenzschlosses hinter einem Baugerüst versteckt ist, weil am Gebäude Fenster ausgetauscht werden – der Blick über den weitläufigen Garten mit den Blumenteppichen, Seen und Springbrunnen ist trotzdem eindrucksvoll. In der Fressgasse duftet es nach Waffeln, Zuckerwatte und Crêpes, auch das sehr vertraut, es riecht nach Kindheit. Dahinter, im Schatten des Schlosses, kräht ein Goldfasan, und im Ostgarten thront die Emichsburg, daneben 4500 Rhododendren und Azaleen in voller Blüte.

 

Alles wie immer, also was ist anders? „Es ist so ruhig“, sagt eine ältere Dame zu ihrem Mann, während sie durch den Südgarten schlendern, ganz langsam. Beide flüstern, als hätten sie Angst, die Stille zu stören. Auch die wenigen anderen Besucher bewegen sich in dem riesigen Park wie in einer Kirche, in Zeitlupe, bedächtig, vorsichtig. Das ist anders.

200 000 Frühlingsblumen – und fast niemand hat sie gesehen

Denn auch unter der Woche, zumal bei schönem Wetter, ist das Blüba oft brechend voll, drücken sich die Massen über die Wege, wachsen die Warteschlagen vor den Verkaufsbuden. Aber dieser Mittwoch ist kein normaler Tag. „Die Leute können noch gar nicht richtig glauben, dass es losgeht“, sagt der Blüba-Direktor Volker Kugel. „Sie müssen sich wohl erst wieder daran gewöhnen.“

Am 20. März, so war es seit Monaten geplant gewesen, sollte der berühmte Barockgarten in die Saison starten. Die 200 000 Frühlingsblumen, Stiefmütterchen, Tulpen und Narzissen, waren längst eingepflanzt, als ein bis dahin nahezu unbekanntes Virus die Welt eroberte und alle Pläne zunichte machte. Jetzt, 47 Tage später, fängt die Saison tatsächlich an, und die Coronakrise ist allgegenwärtig. Im Eingangsbereich müssen die Gäste Schutzmasken tragen, maximal 2000 Personen dürfen sich gleichzeitig im Park aufhalten, überall stehen Schilder mit der Aufforderung, Abstand zu halten. Dabei kommt eh kaum jemand. Die weißen Bänke bleiben leer, Warteschlangen gibt es nicht. Aber das, davon ist Kugel überzeugt, wird sich bald ändern. „Die Leute, die hier sind, sind so glücklich“, erzählt er am Mittwochnachmittag. Er habe Menschen mit Freudentränen in den Augen gesehen.

Der Stresstest kommt erst am Wochenende

Offiziell arbeitet der Barockgarten vorerst im Pilotbetrieb, so hat es das Land Baden-Württemberg festgelegt. Die Erfahrungen, die in Ludwigsburg gesammelt werden, sollen bei der Wiedereröffnung anderer Schlossgärten und anderer Monumente berücksichtigt werden. Wie in allen Branchen lautet die Kernfrage: Ist öffentliches Leben möglich, ohne dass die Infektionszahlen wieder in die Höhe schießen?

Niemand weiß das, alle hoffen es. Auch Kugel. „Die Menschen verhalten sich vorbildlich“, sagt er. „Alle halten Abstand, alle haben Verständnis.“ Der wahre Stresstest indes kommt wohl erst am Wochenende, wenn der Andrang zunehmen wird.

Die Besucher, die sich am Mittwoch in den Garten vortasten, erinnern noch eher an Pioniere, die sich den Weg zurück in die Normalität bahnen. „Dass wir hier jetzt wieder hin dürfen, bedeutet uns alles“, sagt Evelyn Renschler, die mit ihrer Tochter gekommen ist. „Endlich wieder Blumen, endlich wieder Spielplatz. Es ist einfach schön. Es geht aufwärts.“

Einnahmeausfälle in Höhe von einer Million Euro

600 000 Menschen strömen in normalen Jahren ins Blüba, diesmal werden es weniger sein. Das Musikfeuerwerk, der Lichterzauber und das Märchenfest wurden bereits abgesagt, weil Großveranstaltungen weiterhin tabu sind. Um einen Teil der Einnahmeausfälle zu kompensieren, hat man die Saison bis zum 6. Dezember verlängert. Dennoch können Dauerkartenbesitzer wegen des verspäteten Beginns eine Entschädigung verlangen. Zudem gelten reduzierte Eintrittspreise, so lange der Märchengarten zu ist.

All das drückt die Einnahmen. Etwa 5,5 Millionen Euro Umsatz machte das Blüba zuletzt pro Saison. Kugel schätzt, dass es diesmal eine Million weniger sein wird. „Aber wir wollen nicht jammern“, sagt er und setzt darauf, dass möglichst viele Dauerkartenbesitzer – aus Solidarität – auf Rückforderungen verzichten.

Die 200 000 Frühlingsblumen allerdings, das steht fest, wurden umsonst gepflanzt: Sie blühten ohne Publikum und werden jetzt durch 180  000 Sommerblumen ersetzt. Kugel, die Gärtner und sehr viele Menschen in der Stadt hoffen darauf, dass die Mühe diesmal nicht vergebens sein wird. Dass es gut geht. Dass bald auch der Märchengarten geöffnet werden kann, vielleicht schon am Montag. Dass keine zweite Coronawelle alles zerstört.

In die Freude mischt sich die Furcht. Auch aus diesem Grund sei sie direkt am Mittwoch, bei der ersten Gelegenheit in diesem Jahr, zum Blüba gefahren, erzählt Evelyn Renschler. „Ich wollte die Chance nutzen. Wer weiß: Vielleicht ist in zwei Wochen schon wieder alles vorbei.“