Händels Oper „Lucio Cornelio Silla” bei den Schlossfestspielen

Ludwigsburg - Das sieht nicht gut aus. „Mein Ruhm reicht so weit, dass er selbst im Himmel gefeiert wird“, singt der Titelheld gleich in seiner Auftrittsarie; in den folgenden drei Akten der Oper, die der erst 28-jährige Georg Friedrich Händel 1713, also kurz nach „Agrippina“ und „Rinaldo“, unter nicht ganz geklärten Umständen in London uraufführte, tut der römische Diktator Sulla, der hier Lucio Cornelio Silla heißt, alles dafür, den Abend lang werden zu lassen: Er intrigiert, macht sich vor allem an sämtliche Frauen heran, schafft deren Männer beiseite. Am Ende indes geht alles nicht nur so aus, wie es das Publikum der Barockzeit erwartete (nämlich gut), sondern auch erstaunlich früh. „Lucio Cornelio Silla“ ist Händels wohl kürzeste Oper, der Komponist hastet geradezu von einer Szene zur nächsten, aber bevor der überhebliche Machthaber am Ende versöhnt mit Weib und Entourage die wieder eingekehrte Ruhe besingt, gibt es Arien und Duette von so wundervoller Art zu hören, dass man sofort versteht, warum Händel sie schon seiner nächster Oper „Amadigi“ erneut einverleibte.

 

Fabio Biondi hat mit seinem Ensemble Europa Galante eine hinreißende Aufnahme des erst 1990 wiederentdeckten und noch kaum bekannten Stücks herausgebracht. Jetzt steht bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen die Flötistin Dorothee Oberlinger am Pult ihres historischen Ensembles 1700, und bei ihr geht es nicht nur gelassener, sondern auch deutlich gemächlicher zu als bei Biondi, der in knapp zwei Stunden durch das Werk sprintet. Den delikaten Klangfarben, mit denen Händel die Figuren charakterisiert und ihre Gefühle auskleidet, gilt Oberlingers erstes Interesse, und so hört man vor allem sehr schöne, teils hochvirtuose solistische Aktionen etwa von Fagott, Flöten (auch mit der Dirigentin selbst als Solistin) und zwei Oboen, die hier etwa besonders schön „zwei liebende Äuglein“ akustisch aufs Schönste aufblitzen lassen.

Unter den Sängern der Koproduktion mit den Göttinger Händel-Festspielen ragen Anna Dennis in der schillernden Partie der Metella und Liliya Gaysina als Flavia heraus – beide sind Sopranistinnen mit Körper und reichen Klangfarben, sie singen geschmeidig, höhen- und (meist) koloratursicher. Sehr fein gestaltet auch Ulrike Hofbauer die Celia. Tuva Semmingsen überzeugt mit starkem Ausdruck – wenngleich die Besetzung des Claudio mit einem Mezzosopran neben zwei Countertenören ein wenig inkonsequent wirkt. Die hohen Männerstimmen (Dmitry Sinkovsky, den man als glänzenden Geiger kennt, singt den Silla, Philipp Mathmann den Lepido) überzeugen allerdings nicht – was im Falle der Titelpartie auch daran liegt, dass die Figur bei ihren kurzen Auftritten und unvermittelten Gemütswandlungen kaum über eine comichafte Dumpfbackigkeit hinauskommt.

Konzentration auf die Musik ist sehr gut möglich, weil Margit Legler nicht wirklich eine Inszenierung geschaffen hat (die bei den harten Schnitten des psychologisch eher flachen Stücks ohnehin ins Leere gelaufen wäre). Stattdessen sieht man ein – mit historischen Gesten angereichertes – Arrangement: Neben verschiebbaren, schlichten Seitenkulissen und vor nur kargen weiteren Requisiten wie einem Triumphbogen und einer Statue wird an der Rampe gesungen – entsprechend gerät der Auftritt des Gottes, der auf einer Wolke vom Schnürboden schwebt, zur gefeierten Nummer. Weniger kann tatsächlich auch mal mehr sein. Und Profiteur ist neben den Zuhörern der Raum selbst: Das Schlosstheater wird an diesem Abend – endlich – einmal genau so bespielt, wie es ihm entspricht und gut tut. Ein Erlebnis!

Termin Sa, 7. Juli, 19 Uhr, Schlosstheater Ludwigsburg