Der von Grün-Rot seit drei Jahren mühevoll überarbeitete Paragrafendschungel der Landesbauordnung soll am Mittwoch den Landtag passieren. Die wesentlichen Neuerungen tragen eine deutlich grüne Handschrift - von der Barrierefreiheit bis zu den Fahrradstellplätzen.

Stuttgart - Von Ideologie getrieben, überflüssig, rückwärtsgewandt, zu teuer - kurz vor der Verabschiedung der neuen Landesbauordnung durch den Landtag lassen Opposition und Hausbesitzer kaum ein gutes Haar an dem Regelwerk. Grün-Rot schraube mit neuen Vorschriften die Kosten für das Bauen in die Höhe und verteuere damit letztlich auch die Mieten, sagte der Geschäftsführer des Eigentümervereins Haus & Grund Württemberg, Ottmar Wernicke, am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. Die Überarbeitung der Landesbauordnung sei gar nicht notwendig gewesen. „Was hier passiert, ist eine Rolle rückwärts“, sagte CDU-Fraktionsvize Winfried Mack der „Rhein-Neckar-Zeitung“.

 

Grün-Rot hat die Landesbauordnung drei Jahre lang überarbeitet, mit dem Vorsatz sie ökologischer und sozialer zu machen. Sie soll an diesem Mittwoch im Landtag verabschiedet werden. Grün-Rot will unter anderem eine Fahrradstellplatzpflicht und die Pflicht zur Begrünung baulicher Anlagen im Gesetz verankern. Es handele sich um „grüne Ideologie, die den Bauherrn mehr kostet“, sagte Mack. Auch die verschärften Vorschriften für die Barrierefreiheit von Wohnungen seien für die Eigentümer „nicht zumutbar“, hieß es bei Haus & Grund Württemberg. Wernicke monierte zudem eine „Zwangsbegrünung“ von Gebäuden. Die gelockerten Vorgaben für Auto-Stellplätze verlagerten das Parkproblem auf die Straße.

Lob für die Regelungen kam derweil vom Landesbehindertenbeauftragten: Aus Sicht von körperlich eingeschränkten Menschen seien die Änderungen „dringend erforderlich“, sagte Gerd Weimer. „Unsere Gesellschaft wird älter und damit steigt auch der Bedarf an barrierefreiem Wohnraum.“

Grünen Vize-Fraktionschefin Andrea Lindlohr wies auf neue Sparmöglichkeiten für Bauherren hin: Kommunen könnten in Stadtteilen mit einem guten Angebot an Bussen und Bahnen darauf verzichten, Bauträgern extrem teure Tiefgaragenplätze aufzuzwingen. Wenn sich die Menschen immer teurere Fahrräder oder E-Bikes kauften, sei es auch gut, wenn mehr für Stellplätze getan werde.

Für die FDP-Fraktion atmen die neuen Regelungen dennoch „den Geist der Bevormundung und Umerziehung“. Die Pflicht zur Fassadenbegrünung sei „blanker Unfug“. Auch die anderen Regelungen seinen im Verbund „ein Lehrstück der Politik des erhobenen grünen Zeigefingers“, teilten die Abgeordneten Jochen Haußmann und Judith Skudelny mit.

Die wesentlichen Neuerungen - mit deutlich grüner Handschrift:

Barrierefreiheit garantiert

Künftig müssen in Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar und die Wohn- und Schlafräume sowie Bad und Küche mit dem Rollstuhl zugänglich sein. Bisher galt das nur bei Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen.

Auto-Stellplätze

Gemeinden dürfen künftig weniger als einen privaten Kfz-Stellplatz pro Wohnung vorschreiben, um den sogenannten Individualverkehr zu beschränken. Bisher ist nur die Erhöhung auf zwei Kfz-Stellplätze je Wohnung möglich.

Fahrradstellplätze

Neu ist eine allgemeine Vorschrift zum Bau von „ausreichend“ vielen Fahrrad-Stellplätzen. Bei Wohngebäuden müssen für jede Wohnung zwei geeignete und wettergeschützte Fahrrad-Stellplätze bereitgestellt werden. Es gibt jedoch Ausnahmen.

Rauchmelder-Pflicht

Ab 2015 müssen alle Wohnungen mit Rauchwarnmeldern ausgerüstet sein - das hatte der Landtag schon 2013 beschlossen. Schlafräume sowie Rettungswege innerhalb der Wohnung müssen mit Rauchmeldern ausgestattet werden. Verantwortlich ist der Eigentümer.

Mehr Grün

Wenn sich die Grundstücke nicht begrünen lassen, sollten die Dächer oder Fassaden begrünbar sein, etwa durch kletterndes Efeu oder Rasen auf dem Dach. Das Ganze aber nur, wenn es den Bauherren wirtschaftlich zumutbar ist. Eine ähnliche Vorschrift gibt es schon seit 1995 in Nordrhein-Westfalen.

Brandschutz für Tiere

Gebäude zur Haltung von Tieren müssen jetzt über angemessene Einrichtungen zur Rettung der Tiere im Brandfall verfügen. Bisher war das nicht gesetzlich geregelt.

Mehr Holz

Der Massivholzbau wird auch bei Gebäuden über sieben Meter Höhe ermöglicht. Dadurch wird der Einsatzbereich von Holz als Baustoff deutlich erweitert. Bislang war da der Brandschutz vor. Das Gebäude muss aber für eine vorgegebene Zeit Feuer widerstehen können.

Mehr Sonnenkraft

Es soll deutlich leichter werden, Dachflächen mit Solaranlagen zu bestücken. Bisher wird die Nutzung auf angemieteten Dachflächen mit Solaranlagen als gewerbliche Nutzung angesehen, was eine langwierige behördlichen Genehmigung erforderte.