Seit einem Jahr engagiert sich Ivo Josipovic mit einer Arbeitsgruppe für die Barrierefreiheit im Stadtbezirk. Doch die Reaktionen von Stadt und Bürgern kommen nur schleppend. Das enttäuscht den Behindertenbeauftragten.

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Vaihingen - Aufgeben ist eigentlich nicht sein Ding. Das betont Ivo Josipovic immer wieder. Der junge Mann leidet seit seiner Geburt an einer Spina bifida, einer Fehlbildung von Wirbelsäule und Rückenmark. Das hindert ihn allerdings nicht daran, sein Leben tatkräftig anzupacken. Als Handbiker bestreitet er nationale und internationale Wettkämpfe. Auch von Verletzungen hat er sich nicht kleinkriegen lassen. Nach einer mehrjährigen Zwangspause ist er 2015 wieder ins Training eingestiegen und hat bereits wieder an mehreren Rennen teilgenommen.

 

Nicht nur sportlich läuft es für Josipovic: 2016 ist er zum Ansprechpartner für Menschen mit Behinderung des Stadtbezirks Stuttgart-Vaihingen gewählt worden. Mit der Arbeitsgruppe Barrierefreies Vaihingen, die sich aus dem Bezirksbeirat heraus gegründet hat, möchte er Hindernisse im Bezirk identifizieren und abbauen. Zahlreiche Anträge hat die Gruppe bereits an die Stadtverwaltung gerichtet, mit Forderungen nach Behindertenparkplätzen, längeren Grünphasen an Fußgängerampeln oder der Einrichtung von Rampen an Treppenstufen. Die Liste ist lang, und wird mit jedem Rundgang durch den Stadtbezirk länger.

Die Rückmeldungen lassen zu wünschen übrig

Zuletzt forderten die Mitglieder eine barrierefreie öffentliche Toilette am Vaihinger Rathaus. Dafür haben sie eigens Unterschriften gesammelt. Auch Ivo Josipovic schnappte sich einen Stapel mit Listen und verteilte sie an verschiedenen Stellen im Bezirk, unter anderem beim Paritätischen Mehrgenerationenzentrum (PMGZ) gleich neben der Schwabengalerie. Doch die Rückmeldungen waren ernüchternd. Nur etwa 20 Unterschriften seien aus dem PMGZ zurückgekommen. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagt Josipovic. Gerade die Bewohner des PMGZ seien es, die regelmäßig auf ihn zukämen, wenn die Türen der Schwabengalerie wieder einmal nicht richtig funktionieren. Aber nun, wenn es um ein Handeln in Sachen barrierefreie Toilette gehe, rühre sich kaum jemand. „Es kommt einfach nichts zurück“, sagt Josipovic. „Ich bin am überlegen, das Ganze abzubrechen.“

Denn nicht nur die Bürger, auch die Stadt reagierte bislang verhalten auf die Forderungen der Arbeitsgruppe. „Monatelang kommt keine Reaktion auf unsere Anträge. Ich will doch nur wissen, wo wir stehen“, sagt Josipovic. „Ich tue das alles nicht für mich, sondern für all die Menschen mit Einschränkungen im Stadtbezirk. Und ich tue das gerne. Aber ich bin nun an einem Punkt, an dem es mir reicht“, sagt der Handbiker.

Josipovic ist noch kein Mitglied im Bezirksbeirat

Gabriele Leitz von den Vaihinger Grünen engagiert sich ebenfalls in der Arbeitsgruppe. „Die Mühlen der Stadt mahlen leider langsam“, erklärt sie. Außerdem habe es bereits erste Erfolge gegeben. So werden die Ampelphasen rund um die Schwabengalerie und den Vaihinger Markt für die Fußgänger verlängert. Am Buchrainfriedhof gebe es nun einen barrierefreien Zugang zu den Toiletten. „Es braucht nun einmal alles ein bisschen länger.“

Die Gruppe hatte auch einen Antrag gestellt, Josipovic als ordentliches Mitglied in den Bezirksbeirat aufzunehmen, mit den selben Rechten und Pflichten, die auch der sachkundige Einwohner für Migration und Integration hat. Bislang hat sich in der Hinsicht allerdings nichts getan. Die Stadt müsste die Gemeindeordnung ändern, denn ein Behindertenbeauftragter ist in der jetzigen Form nicht vorgesehen. Josipovic ist demnach kein offizielles Mitglied des Gremiums – und wurde in der Märzsitzung nach dem öffentlichen Teil der Bezirksbeiratssitzung denn auch aus dem Raum geschickt. Das ärgerte ihn ebenfalls. „Ich engagiere mich wirklich, und das wird nicht anerkannt“, sagt er. Gabriele Leitz versucht, die Situation zu erklären. „Leider ist Ivo noch kein Mitglied des Bezirksbeirats. Die Gemeindeordnung schreibt nun einmal vor, dass Nicht-Mitglieder den Saal für den nicht-öffentlichen Teil verlassen müssen.“ Solange Josipovic nicht offiziell vereidigt wurde, ist er lediglich am Tisch geduldet.

Biss zeigen für die Mitmenschen mit Einschränkungen

Leitz hat Verständnis für Josipovics Frust, appelliert aber, nicht alles hinzuwerfen. „Das wäre ein Verlust für uns. Wir sind mitten in einem Prozess, die Barrieren abzubauen. Wenn er aufgibt, wirkt sich das negativ auf unsere Arbeit aus“, sagt Leitz. Es gehe darum, Biss zu zeigen. Die Stadt weiter auf Barrieren aufmerksam zu machen und zum Handeln aufzufordern. Unstimmigkeiten innerhalb der Arbeitsgruppe seien da hinderlich. „Wir sind ein Team. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen. Und wir haben noch vieles geplant, wofür wir Ivos Unterstützung brauchen“, sagt Leitz. „Es wäre schade, wenn nun alles scheitern würde.“