Ein gejagter Gangster vergräbt seine Beute auf einem Feld und versteckt sich in einem Stall. Der Comiczeichner Baru macht daraus einen Besuch in der Hölle bei großen und kleinen Teufeln.

Stuttgart - Ein Kerl im festlichen schwarzen Anzug, mit Feiertagskrawatte und roter Nelke im Knopfloch - so, als käme er frisch von einer Hochzeit -, gräbt mitten in einem knallgelben Weizenfeld unter sengender Sonne ein Loch. Er versenkt eine lakritzbunt gestreifte Tasche darin. Naive Menschen mögen rätseln, was das für eine Müllentsorgung sein mag. Halbwegs krimierfahrene Leser denken bei den ersten Bildern von Barus Comic „Bleierne Hitze“: Bankraub! Beuteversteck!

 

Das schizophrene Killer-Landei

Und von den ersten Bildern dieser Adaption eines Romans von Jean Vautrin an geht für alle Beteiligten alles schief. Jimmy Cobb, so heißt der Kerl im Anzug, wird gejagt, von der Polizei und von ehemaligen Kumpanen. Er versteckt sich auf einem Bauernhof, den eine ziemlich kaputte Familie betreibt. Das bietet für einen Moment Sicherheit und entpuppt sich dann als fiese Falle.

Während Cobb noch überlegt, wie er heil hier heraus und mit dem Geld über alle Berge kommt, ist die Beute schon weg. Beim Vergraben ist Cobb vom Bauernsohn beobachtet worden, einem Rotzbengel mit Gewalterfahrungstrauma und einem so starken Bedürfnis, sich als harter Gangster aus der Ohnmacht zu lösen, dass es schizophrene Formen annimmt. Der Bub spricht mit sich selbst, aus der Höhe des abgebrühten Killers herab zum Landei.

Dunkelheit im hellen Licht

Wer Krimis liest, aber keine Comics, der könnte mit Baru – nicht nur mit „Bleierne Hitze“, mit allem von Baru, auch mit „Elende Helden“ etwa oder „Hau die Bässe rein, Bruno“ – den Einstieg finden in jenes wunderbare Reich der Bildgeschichten, an dessen Eingang man nun das Schild „Graphic Novel“ gehängt hat, zwecks Gewissenserleichterung für Kulturzwanggeplagte mit chronischen Infanitilitätsängsten.

Auf den ersten kurzen Blick haben Barus Zeichnungen einen hohen Komikanteil, sie scheinen fast bizarre Karikaturen zu liefern, Clowns in Armutskulissen. Im Zusammenhang gelesen, wird diese Komik aber nur die Verweigerung der Überhöhung der verunglückten Leben. Baru zeigt zum Beispiel auch Opfer der Verhältnisse, aber er schminkt die Schäbigkeit der Leute nicht gleich wieder mit Ach-die-armen-Opfer-Pathos zu.

„Bleierne Hitze“ zeigt Baru auf der Höhe seiner Kunst, entwirft also ein tiefschwarzes Noir-Gefühl, ohne auf die Bildelemente des Noir zurückzugreifen. Die paar Bilder im Dunkeln sind der Logik der Verhältnisse geschuldet. Wo immer es geht, will Baru das Geschehen in hellstes Licht tauchen, was einen stets neu schockierenden Kontrast zum Inhalt, zur Düsternis in den Köpfen und Herzen schafft.

Gesichter, Haltungen, Gesten: passt!

Dass die Figuren aus „Bleierne Hitze“ Eins zu Eins und ohne Stilbruch in den Panels von „Elende Helden“ auftauchen könnten, hat nichts mit Schablonennutzung zu tun, sondern mit einer zusammenhängenden Interpretation der Welt. Man kann Barus Geschichten vom kaputten Leben so schauen wie die alten Gangsterfilme der Warner Bros., in denen immer wieder James Cagney, Edward G. Robinson und Humphrey Bogart auftraten. Hier sind die richtigen Gesichter, die passenden Haltungen, die überzeugenden Gesten gefunden. Man muss da nichts mehr austauschen.

Wobei die alten Warner-Bros.-Filme, diese Warnung muss sein, immer noch ein wenig aufbauender sind als Barus „Bleierne Hitze“, in dem man – sehr buchstäblich, ein wunderbarer running gag – ein Schwein sein muss, um ein bisschen Glück zu finden.

Baru/Jean Vautrin: „Bleierne Hitze“. Comic. Aus dem Französischen von Uwe Löhmann. Edition 52, Wuppertal. 110 Seiten, 20 Euro.