Basketball beim VfL Sindelfingen Raffaele Pascucci und seine positive Einstellung im Kampf gegen den Krebs

Die Haare sind durch die Chemotherapie ausgefallen: Aber auch das hat Raffaele Pascucci den Optimismus nicht genommen. Foto: Stefanie Schlecht

Basketballer Raffaele Pascucci vom VfL Sindelfingen ging den Kampf gegen den Krebs bemerkenswert optimistisch an. Beim Comeback erzielte er nun die schönsten Körbe seiner Karriere.

Krebs. Ein Krustentier am Strand. Ein Sternzeichen im Horoskop. Ein simples Wort mit fünf Buchstaben. Eines jedoch, das man bei einem Arztbesuch auf keinen Fall hören möchte. Raffaele Pascucci aber bekam vergangenes Jahr im Juni genau diese Diagnose. Hodentumor. In den Kampf gegen die Krankheit zog er fortan mit einem bemerkenswerten Optimismus.

 

„Da war so etwas wie eine Kugel, die sich gebildet hatte“, erinnert sich der 31-Jährige daran, wie alles beim Abtasten der eigenen Genitalien anfing. „Ich habe es gleich gegoogelt – aber das sollte man lieber nicht tun“, spuckte die Suchmaschine einige Horrorszenarien aus. Stattdessen rief er beim Urologen an und bekam angesichts der Schilderung seiner Beobachtung sofort einen Termin zur Untersuchung.

„Der Doktor wollte es mir durch die Blume sagen“, stand für diesen schnell fest, was da in seinem Patienten gewachsen war. „Ich habe ihm geantwortet, er soll es direkt rauslassen und mir die Schritte erklären, wie es jetzt weitergeht.“ Raffaele Pascucci ließ von Anfang an keine negativen Gedanken die Kontrolle gewinnen. Er wählte eine rationale statt einer emotionalen Herangehensweise. „Ich bin stabil im Kopf“, drückt er es aus, „und wollte auf alles vorbereitet sein, was passieren kann.“

Vollstes Vertrauen zu den Ärzten

Es ging nun Schlag auf Schlag. Eine Zweitmeinung holte er sich keine ein. Das verunsichert nur. „Außerdem hatte ich vollstes Vertrauen zu den Medizinern und war bereit, das zu tun, was nötig ist.“ Im Krankenhaus erleben sie selten jemanden mit einer derart positiven Einstellung, wie ihm alle versicherten.

Raffaele Pascucci wusste, dass ein Hodentumor die am häufigsten auftretende Krebserkrankung bei Männern im Alter zwischen 25 und 40 Jahren ist, dass er seinen zum Glück früh bemerkt hatte, und dass dieser nicht gestreut hatte. „Es ist die am einfachsten zu besiegende Form“, informierten ihn die Fachleute, „aber auch die, die am häufigsten wieder auftaucht.“ Und genau so kam es dann auch.

Bei der Nachsorgeuntersuchung zeigt das CT vergrößerte Lymphknoten an

Nach der erfolgreichen Operation verschwendete Raffaele Pascucci nur wenige Überlegungen daran, ob da noch etwas sein könnte. Er lebte sein Leben. Ohne Sorgen. Alle drei Monate musste er für eine Computertomografie in die Röhre. Bei der zweiten Nachsorgeuntersuchung zeigte die Maschine vergrößerte Lymphknoten im Magenbereich an. „Weil es schwierig ist, an dieser Stelle eine Gewebeprobe zu entnehmen, um festzustellen, ob die Zellen bösartig sind, wurde mir als Vorsichtsmaßnahme eine Chemotherapie vorgeschlagen“, berichtet der Grafenauer.

Erneut war er weit davon entfernt, in Depressionen zu verfallen, auch wenn das Schicksal ihm zum zweiten Mal eine reingewürgt hatte. „Das sind die Tests, die man im Leben bestehen muss“, sagt er mit einer bewundernswerten Leichtigkeit. Er ging sogar eine Wette mit seinem Arzt ein, dass jener giftige Cocktail ihn nicht umhauen würde, der zur Behandlung in drei Zyklen in ihn reingepumpt wird.

Damit lag er allerdings ziemlich daneben. „Das Immunsystem ist im Keller, der Körper ist bei Null“, stellte Raffaele Pascucci fest. Er litt häufig an Übelkeit, hatte kaum Power, schlief viel. „Zu den Kids war ich offen und ehrlich, dass ich jetzt nicht mit ihnen auf den Bolzplatz gehen kann.“ Bei seinen einwöchigen Klinikaufenthalten versorgten ihn seine Frau und seine Mutter mit Essen, auch wenn der Appetit verständlicherweise nicht wirklich vorhanden war. Seine Freunde besuchten ihn regelmäßig. Der Mittwochsstammtisch wurde kurzerhand in die Cafeteria verlegt, gemeinsam schauten sie dort Champions League an.

Weiterhin: kein Gram, kein Grübeln. Auch deshalb, weil er sich bei den Ärzten bestens aufgehoben fühlte: „Die Urologie im Krankenhaus Sindelfingen hat einen wahnsinnig guten Job gemacht“, betont er mit Nachdruck. Unterstützung und Stärke zog er nicht nur von dort: „Als mir die Haare ausgefallen sind, standen plötzlich 20 Kumpels mit abrasiertem Kopf bei mir im Zimmer“, erzählt er. „Das ist in so einer Phase verdammt wichtig und bringt die Motivation, die Extrameile zu gehen.“

Raffaele Pascucci flachste sogar, dass er durch die aggressive Behandlung zumindest ein paar überschüssige Pfunde verlieren würde. Die Schwestern schüttelten in dieser Hinsicht den Kopf. Wassereinlagerungen sorgen eher für das Gegenteil, erläuterten sie ihm. Dafür gibt es allerdings Entwässerungskuren. „Die Chemo hat sich extrem weiterentwickelt“, nickt der Malermeister. „Der Körper wird vergiftet – das sagen sie einem ganz ehrlich –, aber gleichzeitig auch geschützt. Das nimmt einem die Angst.“

An Basketball, seine große Leidenschaft seit der Kindheit, war natürlich erst einmal nicht zu denken. Optimistisch wie er ist, war Raffaele Pascucci aber sicher, bald wieder mit seinem VfL Sindelfingen auf dem Feld stehen zu können. Von den Doktoren gab es schließlich grünes Licht dafür. „Sie meinten lediglich, ich solle halt nicht unbedingt einen Marathon laufen oder Tiefseetauchen betreiben.“

Mit ganzem Herzen auch an der Seitenlinie dabei: Die große Leidenschaft von Raffaele Pascucci ist Basketball. Foto: Stefanie Schlecht

Mitte Mai war es schließlich soweit. In der Relegation gegen seinen ehemaligen Verein SV Böblingen Panthers. Bei einer knappen Führung spürte Raffaele Pascucci: „Jetzt war die Zeit gekommen, wo ich rein muss.“ Als er im letzten Viertel den Court betrat erhoben sich alle im Publikum. Standing Ovations von den Fans beider Lager. „Das war sehr emotional. Ich war nah dran an den Tränen“, räumt der Korbjäger ein. „Das reinste Gefühlschaos.“

Und dann der große Moment. Der orangene Ball kam zu ihm, und er verwandelte gleich seinen ersten Dreier. Sowas verlernt man nicht. Ein Steal später setzte er zum nächsten Distanzwurf an, und wieder witschte das Ding durch die Reuse und das Netz. „Das waren mit die schönsten Treffer meiner Karriere“, nickt Raffaele Pascucci. „Meine Teamkollegen wollten auf mich zu rennen und mich in die Luft schmeißen, haben es aber sein lassen, damit sie keinen Bandscheibenvorfall bekommen“, lacht er.

Kommende Saison hat er fest eingeplant, mit seinen Mannschaftskameraden in der Landesliga oben mitzumischen. Ohne dabei an sein persönliches Schicksal zu denken. „Man darf sich nicht einsperren oder komplett runterziehen lassen“, verweist Raffaele Pascucci noch einmal auf die Kraft des positiven Denkens. „Es gibt Mädchen und Jungs, die tapfer gegen den Krebs kämpfen. Alles kleine Helden. Da kann ich als erwachsener Mann es mir nicht rausnehmen, in Selbstmitleid zu verfallen.“

Raffaele Pascucci

Basketball-Karriere:
Seine Laufbahn begann er im Alter von zehn Jahren in der U12 des VfL Sindelfingen. „Ich hatte mich eigentlich für Fußball entschieden“, erinnert er sich schmunzelnd, „aber dann stand mein Kumpel Arber Shabani in der Tür und hat mich überredet.“ Zu seinen weiteren Stationen zählten die SV Böblingen Panthers und der VfL Kirchheim in der Regionalliga. Eine Sportauszeit hatte familiäre und berufliche Gründe, ehe er gemeinsam mit vielen alten Freunden wieder in einer Mannschaft bei seinem Heimatverein auflief. Der heute 31-Jährige kann Point Guard, Shooting Guard und Small Forward spielen und ist ein ausgemachter Experte für Dreipunktewürfe.

Leben
Geboren wurde er als Sohn italienischer Eltern in Sindelfingen, aktuell lebt er mit seiner Frau und zwei Kindern in Grafenau. Mit „Raffys Diner“ war er bis vor nicht allzu langer Zeit im Gastronomiebereich selbstständig. „Das war eine mega Erfahrung, hat Spaß gemacht und lief echt gut“, erzählt er. „Damals hatte ich aber noch keine eigene Familie.“ Als er dann verheiratet und der Nachwuchs da war, klappte es mit dem Fulltime-Job von Montag bis Sonntag nicht mehr. Also kehrte er nach fünf Jahren in seinen ursprünglichen Beruf zurück. Ab 2023 drückte er nochmal die Schulbank und bestand die Prüfung zum Malermeister.

Hilfsbereitschaft
„Ich wäre bereit, Leuten, die auch die Diagnose Krebs bekommen, jederzeit zu helfen“, meint er diese Aussage wörtlich und macht Betroffenen Mut, sich via Instagram bei ihm zu melden. „Wenn nötig, kann ich ihnen Tipps geben und vielleicht auch Stärke.“

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