Michael Stockton ähnelt in vielerlei Hinsicht seinem legendären Vater. Seit dieser Saison bereichert der 24-Jährige das Spiel der MHP Riesen Ludwigsburg.

Ludwigsburg - Er sieht ihm verblüffend ähnlich, spielt auf der gleichen Position, ist auch 1,85 Meter groß, besticht ebenfalls durch seine Übersicht auf dem Feld und hat eine Vorliebe für die Utah Jazz. Und der Nachname passt. Michael Stockton, der neue Spielmacher des Basketball-Bundesligisten MHP Riesen Ludwigsburg, ist der Sohn von John Stockton. Sein Vater avancierte zwischen 1984 und 2003 bei den Utah Jazz zu einem der größten Stars der nordamerikanischen Profiliga NBA.

 

Michael Stockton, der mit den fünftplatzierten Ludwigsburgern am Samstag (19.30 Uhr) den Tabellenvierten EWE Baskets Oldenburg in der MHP-Arena empfängt, ist schon jetzt der neue Publikumsliebling.

Mit einem gekonnten Handwechsel spielt der US-Amerikaner seinen Gegenspieler aus, zieht zum Korb und legt ohne überhaupt hinzusehen für seinen Mitspieler Gregory Echenique zum Dunking ab. Die Atmosphäre in der Arena schäumt bei solchen Szenen über. So wie das früher bei seinem Vater John der Fall war, wenn er seinen kongenialen Partner Karl Malone in Szene setzte. Die beiden verschmolzen seinerzeit so zu „Stockalone“.

Michael Stocktons Vater ist Mitglied der NBA-Ruhmeshalle

Für das Team, für das John Stockton 19 Jahre lang auflief, durfte sich sein Sohn in der NBA-Summerleague beweisen – einer Art Turnier, in dem sich die Spieler für Verträge empfehlen können. „Es hatte immer Vor- und Nachteile der Sohn einer Legende zu sein. Ich glaube, in diesem Fall war es ein Vorteil“, sagt Michael Stockton, auch wenn es nicht für die NBA reichen sollte. „Es macht mich unglaublich stolz, das Jazz-Logo auf der Brust getragen zu haben. Dieses Gefühl ist fast nicht zu beschreiben“, sagt der US-Amerikaner, der in seiner Freizeit oft in einem Utah-Jazz-Shirt unterwegs ist.

Das verlorene NBA-Finale seines Vaters 1998, das Michael Jordan für die Chicago Bulls entschied, hat er live in der Halle verfolgt. Auch wenn Michael nicht in die Fußstapfen von John treten konnte: würde er jetzt gegen seinen Vater auf dem Freiplatz spielen, würde es ähnlich ausgehen wie damals das Endspiel: „Er würde verlieren“, sagt Michael Stockton lachend. „Er ist mit seinen 51 Jahren immer noch ein super Spieler, aber ich bin jünger und athletischer.“

Wie gut sein Vater, der im Laufe der Saison in Ludwigsburg zu Besuch kommen möchte und 2009 in die NBA-Ruhmeshalle („Hall of Fame“) aufgenommen wurde, früher war, davon überzeugt sich Michael Stockton regelmäßig auf der Spielkonsole. „Ich versuche jedes Mal, einen neuen Punkterekord mit meinem Vater aufzustellen“, sagt der Junior.

Über Karlsruhe nach Ludwigsburg

Vor einigen Jahren hätte sich Michael Stockton nicht annähernd vorstellen können, selbst einmal sein Geld als Profi zu verdienen. Denn nach der Highschool ging er auf das Westminster College in seiner Heimatstadt Salt Lake City (USA) in die niederklassige NIAI-Liga, obwohl ihn größere Universitäten aus der ersten Collegeliga NCAA wollten. Der Sprung zum Berufssportler sollte ihm dennoch gelingen. 2011 begann er seine Karriere in der zweiten Liga in Deutschland bei der BG Karlsruhe. Er bekam sofort Spielzeit und wurde schnell zum Leistungsträger.

Zwei Jahre blieb er dort, bis er aus seinem Sommerurlaub in den Süden Deutschlands zurückkehrte: diesmal zu den MHP Riesen Ludwigsburg in die Basketball-Bundesliga (BBL). „Es war ein Schritt in die Ungewissheit. Der Reiz, BBL zu spielen, war aber so groß, dass ich das Abenteuer wagen wollte“, sagt der smarte 24-Jährige.

Der Trainer macht ihn gleich zum Kapitän

Das Risiko lohnte sich, sowohl für ihn als auch für die MHP Riesen. Denn das dritte von sechs Kindern im Hause Stockton wusste sich sofort durchzusetzen, zeigte gleich im ersten Saisonspiel eine Galavorstellung. Wohlwissend, dass in Mario Stojic ein international erfahrener Routinier im Team steht, machte der Trainer John Patrick den Neuankömmling aus der zweiten Liga gleich zum Kapitän. „Er ist vom Charakter her einfach ein Ausnahmespieler und auf dem Feld mein verlängerter Arm“, sagt der Coach. Das würdigte auch John Stockton in seiner Rede bei der Aufnahme in die Ruhmeshalle der NBA: „Michael hat einen ganz außergewöhnlicher Charakter, den ich bisher bei niemand anderem entdecken konnte.“

Der Kapitän nimmt die Verantwortung an, motiviert und sucht in schwierigen Phasen das Gespräch. Seine oft unorthodoxe Spielweise, inklusive seines wie eine Schleuder wirkenden Wurfes, bringt die Gegner zum Verzweifeln. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könnte, wie sein Vater 19 Jahre lang für denselben Club aufzulaufen, sagt Michael Stockton: „Das wäre toll, vor allem, weil hier in Ludwigsburg echt alles passt. Aber das ist eine romantische Vorstellung. In Europa ist so etwas kaum machbar, hier werden ja meist nur Einjahresverträge ausgehandelt.“