Jordon Crawford misst nur 1,68 Meter – kein Gardemaß für einen Basketballer. Dennoch zählt der 28-Jährige bisher zu den auffälligsten Spielern der MHP Riesen Ludwigsburg. Aber sein Vertrag läuft bald aus.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

Ludwigsburg - Wenn Jordon Crawford bei der Mannschaftspräsentation vor den Heimspielen in der MHP-Arena einläuft, fällt er zwischen den zierlichen Cheerleadern nicht groß auf. Mit seinen 1,68 Meter könnte er locker als Maskottchen durchgehen – und irgendwie ist er ja zum Glücksbringer geworden. Die Fans jedenfalls sind aus dem Häuschen. Denn der kleine US-Amerikaner trägt nicht nur die Nummer 1 auf dem Rücken, er ist inzwischen die Nummer eins auf dem Platz.

 

Zwergenaufstand bei den Riesen.

Wer daran zweifelte, der wurde spätestens am Montagabend eines Besseren belehrt. Da zog Crawford auch beim Punktspiel in Bamberg seine Show ab, markierte 24 Punkte. Beim Vorjahresmeister also, der trotz seines deutlich reduzierten Etat immer noch zu den Top 3 der Liga zählt. Mit seinem achten Assist, das sind die Pässe, die im direkten Anschluss zu Punkten führen, konnte er sein Team zwar noch in die Verlängerung retten, zum Sieg reichte es trotzdem nicht ganz. Der Umbruch der Riesen ist in diesem Jahr eben enorm groß mit elf Neuen – Crawford ist einer davon.

Skopje war ein Kulturschock

Dabei kam er zu seinem Vertrag wie die Jungfrau zum Kinde. Über Freunde und Berater erhielt er ein Probetraining, doch letztendlich hatte er es der kurzfristigen Abstellung Karim Jallows ins deutsche Nationalteam zu verdanken, dass die Reise weiterging – nach Olbia auf Sardinen: Vorbereitungsturnier und Härtetest. „Dort war er unser bester Spieler“, erinnert sich Coach John Patrick, der sich für eine Verpflichtung stark gemacht hatte.

Das klappte auch, zumindest bedingt. Crawford besitzt zunächst einen Kontrakt bis Ende November, dann weiß man, wie die Verletzungssituation aussieht, so der Grundgedanke. „Natürlich tue ich alles dafür, um länger hier bleiben zu können“, betont Crawford. „Ich liebe Ludwigsburg“. Nach Stationen in den USA und Mexiko hatte er zuletzt beim mazedonischen Pokalsieger MZT Skopje gespielt – das war ein kleiner Kulturschock. Nicht nur wegen dem Essen. „Ich war der einzige Ausländer“, erinnert sich Crawford. Die Kollegen haben zwar englisch gesprochen, aber mehr schlecht als recht.

In Ludwigsburg ist das anders, angefangen beim Trainer. Der große Stücke auf den kleinen Crawford hält. Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit. „Ich bin immer offen für alles neue“, sagt der Profi, „und beim Spielstil richte ich mich ganz nach dem Trainer.“ Das Energiebündel hat sich an die aggressive Ausrichtung schnell gewöhnt, auch wenn die Defensive insgesamt bisher noch nicht wie gewünscht funktioniert, das hat die Niederlage am Mittwoch in der Champions League gegen das starke Team von Avellino schonungslos aufgedeckt, selbst unter Berücksichtigung der Belastung mit zwei schweren Spielen innerhalb von 48 Stunden für die Riesen.

Meiste Spielzeit in der Liga

Die spürt Crawford mit am meisten, weil auf seiner Position die Alternative fehlt. Der eigentlich für die Startformation geholte Thomas Wilder spielt bisher eine untergeordnete Rolle (und vielleicht bald gar keine mehr), und Konstantin Klein kommt nach seinem Handbruch erst langsam zurück ins Team und ist zudem kein klassischer Spielmacher.

Deshalb steht Crawford mehr auf dem Feld als gedacht– im Schnitt bisher 36:14 Minuten, so viel wie kein anderer Spieler in der Liga. Dabei betont er immer wieder: „Für mich muss Basketball auch Spaß machen.“ Wer Crawford agieren sieht, spürt durchaus die Freude am Spiel, verbunden aber mit harter Arbeit. „Das hat ihm niemand zugetraut. Er ist unsere Mighty Mouse“, sagt Patrick, die mächtige Maus – so wurde einst Damon Stoudemire bei den Toronto Raptors genannt, mit 1,68 Meter so groß (oder doch klein?) wie Crawford. Der sagt, er habe mit seiner Größe nie Probleme gehabt, „das bin ich von Kind an so gewohnt“.

Apropos Kind: das gibt es auch noch im Leben des JC. Alaynah heißt die zehnjährige Tochter, der ganze Stolz aus einer früheren Beziehung. Sie lebt bei den Großeltern in Cincinnati/Ohio. Jeden Tag wird telefoniert und kommuniziert. „Ich vermisse sie sehr“, sagt Crawford. Dennoch will der Profi, dessen Vater ihn schon als kleiner Knirps zum Sport gebracht hat, gerne hier bleiben, es sei denn es kommt doch noch ein Angebot aus der NBA, der Traum eines jeden Basketballers. „Auch meiner“, sagt der 28-Jährige. Isaiah Thomas heißt sein Vorbild, der Spielmacher der Denver Nuggets hat mit 1,75 auch nicht gerade eine Gardemaß. Sogar noch kleiner als er war die NBA-Legende Muggsy Bogues – 160 Zentimeter. Was zeigt: Körpergröße ist nicht alles, selbst im Basketball. Und wer weiß, vielleicht flattert noch ein lukratives Angebot auf den Tisch, es muss ja nicht gleich aus der NBA sein. Denn während Crawford zunächst selbst um seinen Zeit-Vertrag bangen musste, hat sich die Situation grundlegend geändert. Patrick will den Spieler gerne halten, weiß aber auch: „Dazu gehören immer zwei Seiten.“ Ende November werden die Karten neu gemischt – und Crawford hält einige Trümpfe in der Hand.