Sven Schewior ist seit dieser Saison Spielertrainer der Basketballer des SV Leonberg/Eltingen in der Landesliga – das bringt dem 30-Jährigen erstaunliche Erkenntnisse.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Manchmal fordert der Basketball-Trainer Sven Schewior von seiner Mannschaft, bestimmte Spielzüge aufs Parkett zu legen und gibt vor, wann und von wo auf den Korb zu werfen ist – aber wenn kurze Zeit später der Basketball-Spieler Sven Schewior übers Feld wirbelt, kann es tatsächlich passieren, dass der Mann diese Vorgaben so vergessen hat wie das Gedicht, das er im ersten Schuljahr vor der Klasse auswendig aufsagen musste. „Wenn du das zum ersten Mal bei dir feststellst, dann erschrickst du schon ein wenig“, sagt der 30-Jährige vom Landesligisten SV Leonberg/Eltingen.

 

Es ist kann ganz schön herausfordernd sein für einen mental gesunden Menschen, zur gleichen Zeit am selben Ort in zwei Rollen zu schlüpfen, selbst die Polizei bedient sich bei der Verhörmethode „good cop, bad cop“ (guter und böser Bulle) stets zweier Personen – aber Sven Schewior ist sowohl Trainer als auch Spieler des Basketball-Teams, und das gestaltet beide Aufgaben schwieriger. Manchmal sind seine Gedanken noch so mit den Taktikvorgaben beschäftigt, dass er sich zwar auf dem Spielfeld bewegt, aber geistig noch gar nicht zu 100 Prozent dort angekommen ist. Dem die wichtige Konzentration und die nötige Gedankenschnelligkeit fehlen – Doppelrollen zu beiden Teilen richtig auszufüllen, das ist nicht nur für Schauspieler eine Herausforderung. „Es ist nicht möglich“, sagt er, „zweigeteilt zu sein. Ich lerne aber stets dazu und komme immer besser mit den verschiedenen Aufgaben klar.“

Sven Schewior musste diese Doppelrolle erst für sich annehmen und in sie hineinwachsen, nachdem der langjährige Leonberger Basketball-Coach Niko Tokas seinen angekündigten Rückzug im vergangenen Sommer wahr gemacht hatte. Zwar hatte der Club über den baden-württembergischen Basketball-Verband sowie über persönliche Kontakte nach einem Nachfolger gefahndet, doch die Begeisterung im Kosmos hielt sich in so engen Grenzen wie wenn einer nach einer rauschenden Party ruft: „Wer hilft beim Aufräumen?“ Womöglich wäre die jahrelange Aufbauarbeit, die den Club von der Kreisliga bis in die Landesliga-Spitze führte, wie ein Luftballon an einer übermütigen Nadel zerplatzt, wenn Sven Schewior sich aus tiefer Verbundenheit zum SV Leonberg/Eltingen nicht in die Verantwortung gewagt hätte. „Ich bin hier als Basketballer seit der U16 groß geworden“, erzählt er, „wir haben gemeinsam in den Jahren etwas geschaffen und das wollten wir nicht aufgeben.“ Dass sich der Wirtschaftsfachwirt in seinem Sport bestens auskennt und dass er sich zudem nicht scheut, vor großem Publikum zu sprechen, waren zwei wichtige Voraussetzungen, weshalb er sich für die Rolle engagieren ließ.

Harmoniesucht ist ein Nachteil

Ein Fehlentscheidung war es ganz gewiss nicht, weder für ihn noch für die Mannschaft. Wenn es für die Leonberger an diesem Samstag (12.15 Uhr) beim ungeschlagenen Spitzenreiter BSG Basket Ludwigsburg II nach der Weihnachtspause in der Liga weitergeht, befindet sich der SV in der Tabelle auf Platz vier – und geht alles andere als chancenlos in die Begegnung. Zum Saisonauftakt lagen die SV-Basketballer kurz vor Schluss mit acht Punkten vorn, hielten aber dann „dem Druck und der Aggressivität der Ludwigsburger nicht mehr stand“, wie Schewior erzählt, „sodass wir doch noch verloren haben. Aber wir wissen, dass die wirklich schlagbar sind.“ Es folgen die Partien gegen Tabellennachbar TSV Kupferzell und gegen den ebenfalls ungeschlagenen Zweiten Croatia Stuttgart. „Auf solche Herausforderungen freuen wir uns, denn wir wollen beweisen, was wir können“, sagt der SV-Spielertrainer.

Schewior fühlt sich als Primus inter Pares, als Erster unter Gleichen, nicht als übergeordnete Autorität, die bedingungslosen Gehorsam einfordert. Zwar mag dabei seine Durchsetzungskraft leiden, weil „ich oft zu harmoniesüchtig und diplomatisch bin“, wie er zugibt – aber das Mannschaftsgefüge ist intakt und die Chemie im Team passt wie die Jahre zuvor. Das kalkulierte Experiment als Spielertrainer ist geglückt, auch wenn sich Sven Schewior in seiner Doppelrolle manchmal fühlt wie Doktor Jekyll und Mister Hyde – und der eine nicht weiß, was der andere tut.