Wer in Stuttgart feiern geht, trifft in diesen Tagen womöglich auf einen Superhelden: Zu später Stunde schleicht Batman durch die Innenstadt. Wer steckt hinter der Maske? Ein Nachtspaziergang.

Stuttgart - Plötzlich steht er einfach da, mitten auf dem Marienplatz, in seinem schwarzen Umhang. Nicht einmal die schweren, ledernen Stiefel haben ihn verraten. Die Fledermausmaske glänzt ein wenig im Licht der nahen Straßenlaterne. „Es ist noch früh, vielleicht zu früh“, sagt Batman. „Man spürt den Alkoholpegel der Stadt.“ Ist der niedrig, wird er schief angeschaut in seinem wallenden Kostüm, das er lieber „Anzug“ nennt. Erst später, wenn der Pegel steigt, steigt auch die Neugierde der Menschen.

 

Der großgewachsene Mann in dem schwarzen Anzug biegt in die Tübinger Straße ein. Es geht Richtung Innenstadt, dahin, wo nachts die jungen Leute sind. Zweimal die Woche schlüpft er in das Kostüm, verwandelt sich für ein paar Stunden, um durch die Straßen zu ziehen und sich zusammen mit den Leuten fotografieren zu lassen – gegen eine kleine Geldspende. „Um mein Studium zu finanzieren“, sagt der 28-Jährige, der erst vor knapp drei Monaten zum Studium von Aalen in die Landeshauptstadt gezogen ist.

Die Pflicht, Gutes zu tun

Von seiner Identität will er nicht viel preisgeben, stellt sich als Batman vor. Nur die engsten Freunde, seine 60-jährige WG-Mitbewohnerin und ein paar Türsteher, mit denen er auf seinen nächtlichen Trips Freundschaft geschlossen hat, wissen, wer hinter der Maske steckt. Auch in den bekannten Comics und Filmen über Batman gibt der Milliardär Bruce Wayne im Umhang seine Identität schließlich nicht preis, um in Gotham City verdeckt gegen Verbrecher zu kämpfen. Es gehe ihm nicht um seine Person, sagt der Aalener, sondern eben um Batman. „Ich sonne mich nicht gerne im Ruhm von jemand anderem.“ Steckt also kein Superheld hinter der Maske? „Doch“, sagt der Stuttgarter. Ein bisschen Batman sei er schon irgendwie.

Zum Beispiel dann, wenn er Superhelden-Pflichten erfüllt. Eines Nachts, sagt Batman, hätten sich zwei junge, betrunkene Männer auf der Königsstraße fast die Köpfe eingeschlagen. Pflichtgemäß sei er eingeschritten und habe die Streithähne getrennt. Als den Männern bewusst wurde, wer da vor ihnen stand, seien sie friedlich auseinander gegangen, sagt Batman. Zwei Schlägereien habe er schon verhindert. Heute, sagt er, müsse er die Verbrecherjagd aber ruhen lassen, für sein Studium.

Der Anzug kostete 2000 Euro

Da ist Batman“, ruft jetzt einer aus dem Schatten der Paulinenbrücke. Der Mann mit der Maske geht weiter, bleibt erst stehen, als ein Türsteher eines kleinen Nachtklubs am Rotebühlplatz ihn anspricht, ihm die Hand gibt. Batman ist hier bekannt, stadtbekannt, schließlich kommt er seit ein paar Wochen regelmäßig vorbei. „Gut so“, sagt der Türsteher und grinst. „Dann passiert nicht mehr ganz so viel Blödsinn in der Stadt.“ Ein paar Schritte weiter. Ein Krankenwagen fährt vorbei, der Fahrer lässt das Fenster runter und ruft: „Hey, du nimmst uns die Arbeit weg!“

Seitdem er in dem Fledermauskostüm stecke, sagt der Mann mit dem dunklen Anzug, strahle er Autorität aus. Das war im letzten Jahr, als er noch als Spiderman unterwegs war, anders. Immer wieder ist er da provoziert worden. „Der Spidermann-Anzug war kein hochwertiger und saß auch nicht perfekt“, erzählt er. „Ich hatte keinen Arsch in der Hose und die Leute haben mir ständig zugerufen, ich soll ihn doch mal trainieren. Manche haben mich dann auch an der Stelle gekniffen, wenn wir Fotos gemacht haben.“ Jetzt, sagt er, sei das anders. Aus der Spiderman-Idee, die auf einer Kostümparty entstand, wurde nach und nach ein fast professioneller Plan – und eben Batman. Der Fledermaus-Anzug sei hochwertiger – 2000 Euro habe er für die originale Filmreplik aus Latex gezahlt.

Manchmal verlassen ihn die Superkräfte

Ausgelacht wird er seither nicht mehr, und überhaupt läuft es als Fledermaus besser. Mehr Fotos, mehr Geld, mehr Facebook-Likes. Warum? Batman glaubt, dass jeder Batman liebt. „Weil er keine Superkräfte braucht und trotzdem ein Superheld ist“, sagt der Mann im Kostüm. Dann hallt sein Name durch die Königsstraße und eine Gruppe junger Frauen nähert sich – ein Junggesellinnenabschied. Das Torwandschießen auf ein Stück Karton mit einem Loch in der Mitte geht null zu null aus. „Du spendest uns etwas und wir dir“, sagt die künftige Braut. „Meine Spendenbüchse ist eine Einbahnstraße“, kontert Batman. „Verstehst du dich mit Supermann?“, fragt eine andere. Batman zuckt nur mit den Schultern. Lässt sich ein paar Mal fotografieren, sammelt Münzen ein, steckt die Büchse wieder an den goldfarbenden Gürtel. „Und wo ist dein Bat-Mobil?“, mischt sich ein junger Mann ins Gespräch ein. „Das fahre ich nicht, sonst löst die Stadt Feinstaubalarm aus“, erwidert Batman, zupft seinen Umhang zurecht und zieht weiter, die Königsstraße abwärts.

Wie ist es, als einer unterwegs zu sein, den alle nur als Superhelden kennen? Manchmal, sagt Batman, klappe es nicht, nicht mit den guten Taten, nicht mit den Superkräften. Auf dem Heimweg, nach einer Nachtschicht, habe er vor kurzem ein Auto mit eingeschalteten Warnblinklichtern am Straßenrand entdeckt. „Sprang nicht mehr an“, erzählt er. „Wenn man die Kupplung im zweiten Gang kommen lässt“, erklärte er den Autobesitzern in der Nacht, „dann kriegt man den Motor manchmal zum Laufen.“ Zu dritt hätten sie es versucht, damals, der Mann am Steuer, Batman hinten am Kofferraum, mit aller Kraft den Wagen schiebend. „Hat aber leider nicht funktioniert“, sagt er. „Die Frau fand die Aktion toll, aber ihr Mann war nicht so begeistert von mir.“

„Alkohol ist böse. Er muss beseitigt werden“

Aus der Ruhe bringt ihn so etwas nicht. Er sei eher ein gelassener Typ, sagt Batman und lacht. Die vielen Betrunkenen, die manchmal pöbeln, ignoriert er einfach. So wie die, die ihm am Schlossplatz Marihuana anbieten. „Damit kannst du fliegen wie Superman“, sagt einer. Oder die Kritiker, die auf den breiten Treppenstufen vor dem Königsbau sitzen, die ihm vorwerfen, er würde nur die Betrunkenen ausnutzen. „Die Leute macht es glücklich, Batman zu sehen“, sagt der Aalener. „Und sie müssen für ein Foto ja nicht unbedingt zahlen.“

Die Stiftskirchenglocken schlagen, es ist gerade Mitternacht. „So langsam spürt man, dass der Alkoholpegel steigt“, sagt Batman. Seine Schicht ist noch lange nicht vorbei: für gewöhnlich dauern seine nächtlichen Streifzüge zu den Party-Hotspots in der Innenstadt mindestens bis fünf Uhr morgens. Meist enden sie in irgend einer Bar, mit ein paar Bieren. „Alkohol ist böse“, sagt Batman, „der muss beseitigt werden.“ Auch in dieser Nacht ist das so. Irgendwann landet der maskierte Mann im spanischen Restaurant Cortijo, lässt sich eine Gitarre in die Hand drücken. Spielt „Nothing else matters“ von Metallica. Er habe mal in einer Band gespielt, sagt er.

Das Geschäft lief gut in dieser Nacht, um die 140 Euro hat er gesammelt. Läuft eigentlich immer gut, sagt Batman, und überlegt deshalb, bald zu expandieren. Eine Agentur aufzubauen, sich buchen zu lassen, als Stuttgarts Batman auch in andere Großstädte zu reisen. In den USA sei das ziemlich verbreitet, weiß der 28-Jährige. „Dort kann man einen Ironman für 360 Euro die Stunde buchen.“ Was man für die Stunde kriegt? Einen Superhelden eben.