Der Kino-Klassiker „Batman“ kommt am Donnerstag auch in die deutschen Kinos. Der Anschlag in Aurora in der vergangenen Woche hat die Trilogie beklemmend aktuell gemacht.

Stuttgart - Ich bin das notwendige Böse!“, erklärt der prollig-brutale Genickbrecher Bane, der mit seinen Söldnerhorden ganz Gotham in Geiselhaft genommen hat. Diese muskelprotzende Kerkerkreatur (Tom Hardy), die über ihrem zerstörten Mund eine Art schwarzen Ledermaulkorb trägt, verkündet nun „die letzten Tage der westlichen Zivilisation“ und lässt eine Atombombe auf ihre Explosion zuticken. Jetzt könnte nur noch einer die Stadt vor ihrem Untergang bewahren, aber an den glaubt zu diesem Zeitpunkt schon keiner mehr. Acht Jahre lang hat Batman (Christian Bale), der dunkle Ritter, nicht mehr gekämpft. Als er bei Banes erstem Angriff wieder sein Monstermotorrad besteigt und in seine Arena namens Gotham City rast, kommt er zu spät. Und danach verliert er und verliert immer wieder. Nie hat ein Superheld im Kino so viele Demütigungen, so viele Niederlagen, so viele Ohnmachtsgefühle ertragen müssen wie in diesem Film.

 

Und nie hat die Wirklichkeit einen Film so zynisch, so grausam, so schnell eingeholt: beim Anschlag in Colorado wurde die Grenze zwischen Fiktion und Realität perforiert. „The Dark Knight Rises“ kann jetzt nicht mehr als sommerliches Kino-Entertainment genossen werden, dieser Film ist nun verknüpft mit einem echten Massenmord. Und auf unheilvolle Weise „passt“ dieser Anschlag ja zu diesem Film, der neue Diskussionen zu den Wechselwirkungen zwischen Kino und Realität auslösen dürfte und der der westlichen Zivilisation eine eher düstere Zukunft prophezeit.

Willkommenes Ende des Ruhestands

Dabei schien Batmans Werk eigentlich getan, die ganze Stadt endlich befriedet, jeder Verbrecher dank neuer Gesetze weggesperrt. Der tote Harvey Dent wird zu Beginn noch als Verfasser dieser Law-and-Order-Gesetze gefeiert, obwohl der Polizeichef (Gary Oldman) weiß, dass dieser Staatsanwalt in Wirklichkeit ein Schurke war, Batman dagegen, der als Dents Mörder hingestellt wurde, ein wahrer Held. Der dunkle Ritter hat diese Geschichtsfälschung der Stadt zuliebe akzeptiert und sich aus seinem nachtaktiven Rächerleben zurückgezogen, er lebt nun in seiner Alltagsexistenz als Milliardär Bruce Wayne dahin. Besser gesagt: er vegetiert so dahin, geht nicht mal mehr aus dem Haus. „Sie leben nicht, Sie warten bloß, dass sich wieder etwas zum Schlechteren wendet“, sagt der besorgte Butler Alfred (Michael Caine) zu seinem am Stock hinkenden Herrn. Und es stimmt ja, Bruce Wayne hat als Batman keinen Daseinsgrund mehr. Der ewige Frieden wäre für ihn das Ende.

Sehr dunkel, sehr dämmrig

So gesehen darf sich der Held fast bedanken für das Auftauchen von Selina Kyle alias Catwoman, die von Anne Hathaway als blitzschnell von der Täterin in die Opferrolle wechselnde Juwelendiebin gespielt wird. Diese flinke Frau gibt Bruce Wayne ein bisschen Auftrieb, mit ihr sind flotte Duelle möglich. Und als dann noch Bane aus Gotham City einen Tatort macht und der schwer verletzte Polizeichef spricht: „Batman muss zurückkommen!“, dürfen wir einer therapeutischen Maßnahme zusehen, nämlich der Wiederauferstehung des dunklen Ritters. Bloß dass diese Therapie, so brachial wie der Regisseur Christopher Nolan sie im Abschluss seiner Batman-Trilogie inszeniert, tödlich enden könnte. Im Duell der dunklen Stimmen – grabgruftig versus granitgrollend – kann Batman gegen Bane noch mithalten, im Duell der Körper aber wird er zunächst gnadenlos zusammengeprügelt.

Er will nicht nur spielen

Sehr dunkel, sehr dämmrig sehen diese Bilder aus. Auch der metallisch-martialische Soundtrack haut drauf, als gäbe es kein Morgen. Hier braut sich ja auch die Entscheidungsschlacht des Westens zusammen, hier wird die Börse gestürmt, hier wird der Endzeitkapitalismus angegriffen – und der aus den Abwasserkanälen (!) der Stadt hervorbrechende Bane wütet dabei wie die Allegorie eines nihilistischen Terrorismus. Nein, dieser Film will nicht nur spielen, so wie früher mal die naiveren der Superhelden-Comic-Adaptionen, er führt sich auf mit solch dröhnendem Ernst, dass die wenigen Ironieeinschübe sehr deplatziert wirken. Die Frage ist tatsächlich, ob das Superheldengenre so viel Ernst aushält, ob dieser Film zumindest jüngeren Zuschauern nicht zu viel zumutet. Pubertäre Macht- und Ermächtigungsfantasien jedenfalls werden von diesem Batman kaum mehr befriedigt.

Aber da ist ja noch viel anderes da: ein junger und in Ansätzen schon heldentauglicher Polizist (Joseph-Gordon Levitt), eine schöne und philanthropische Ökounternehmerin (Marion Cotillard), ein asiatisches Verlies mit Kletterturm oder ein klobig-wuchtiges Flug-Batmobil. Insgesamt ein Übermaß an Personen, Handlungen, Schauplätzen und Rückblenden – und vor allem ein Übermaß an Ambition. Denn diese 165 Minuten lang im Hochbetrieb wummernde Geschichte tippt viele Themen nur an, geht dann aber nicht wirklich in die Tiefe. Sie wuchert eher in die Breite und verspricht in ihren einzelnen Szenen, so spektakulär diese auch jeweils sein mögen, immer ein bisschen mehr, als der Film im Ganzen halten kann.

Am Ende kommt die Wendung

Zum Beispiel dienen da diese Analogien zur französischen Revolution. Bane öffnet die Gefängnisse und verkündet: „Die Mächtigen werden aus ihren dekadenten Nestern gezerrt!“ So sind nun Bilder von Frauen zu sehen, die aus ihren Pelzmänteln gerissen werden, und von Männern, die ein Schnellrichter bei Showtribunalen zum Tode verurteilt. „Wie die Reichen so maßlos leben und anderen so wenig lassen“, so hat sich ja auch Selina empört, die in diesem Krieg lange zwischen den Fronten hin- und herschwankt. Aber was Bane da anrichtet, ist ja auch sehr widersprüchlich: Er will dem Volk die verkommene Stadt zurückgeben, und er will diese Stadt gleichzeitig zerstören.

Das Volk ist sowieso der gewalttätig-dumpfe Mob, weit entfernt von Occupy- und anderen Bewegungen. Heißt dies, dass die da unten nicht gehört, sondern vernichtet werden müssen? Heißt dies, dass sich in dieser Superheldenstory, die übrigens lange Zeit ohne Batman auskommt, ein reaktionäres Pamphlet versteckt? Nun, wenn Christopher Nolan seine Geschichte durch ihre vielen Windungen und auch durch einige Genres hindurchgejagt hat, ist er beim Kriegsfilm angekommen. Bei einem Krieg (sowohl Batman als auch Bane benutzen dieses Wort sehr bewusst!) des alten Regimes gegen aufbegehrende Kräfte, die sich durch Terror bemerkbar machen.

Am Ende ist zudem noch eine Wendung zu bestaunen, nämlich die Wandlung und Denunzierung einer Figur, die etwa den Tea-Party-Anhängern große Freude bereiten dürfte. Und am Ende ist Gotham City nicht nur visuell immer näher an New York herangerückt, es herrscht auch emotional eine Stimmung wie nach den 9/11-Anschlägen. Nein, „The Dark Knight Rises“ ist nicht mehr augenzwinkerndes Genre-Geplänkel mit eingebildeten Gefahren, er überschreitet vielmehr die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit, nimmt reale Terrorismusängste auf und verwandelt sie in einen technischen und moralischen Aufrüstungsappell. Dass der Kampf aber nicht wirklich zu gewinnen ist, dass der Alarm- der Dauerzustand bleiben wird, auch das ist diesem Film anzusehen. Der Anschlag bei der Kinopremiere scheint diesen Befund nur zu bestätigen, er fügt sich auf schreckliche Weise ins Bild.