Das Sanierungskonzept für den Batteriehersteller bedeutet für Kleinaktionäre einen Totalverlust. Anlegerschützer wollen das verhindern, möglicherweise vor Gericht. Die Sanierung könnte das verzögern.

Angesichts der drohenden Enteignung der Varta-Kleinaktionäre wird eine Klage von Anlegerschützern wahrscheinlicher. Das könnte auch die Sanierung des kriselnden Unternehmens verzögern. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler, warf der Varta-Führung nach einer außerordentlichen Hauptversammlung vor, die Interessen der Kleinanleger zu ignorieren. „Die Versammlung war eine Kampfansage“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

 

Die Tür sei zwar noch nicht geschlossen. „Wir sind im Verhandlungsstadium“, sagte Tüngler. Aber der Druck auf Varta müsse steigen. Eine Auseinandersetzung vor Gericht sei daher wahrscheinlicher geworden. „Wir bereiten uns jetzt ganz konkret darauf vor. Nach dieser Hauptversammlung werden wir klarer werden müssen, was denn die Konsequenzen sind, wenn das Unternehmen den Streubesitz ohne Entschädigung rausdrücken will.“ 

Werden Rechtsmittel ausnutzen

DSW-Vizepräsident Klaus Nieding hatte vor der Versammlung die Informationspolitik des Unternehmens als intransparent kritisiert und auf eine einvernehmliche Lösung gedrängt. Diese müsste seiner Ansicht nach auch im Interesse von Varta sein: „Dann käme Ruhe in die Sache rein.“ Finde man keine Lösung, werde man alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausnutzen. „Das heißt, wir werden dann zu Gericht gehen - und das kann die Dinge deutlich verzögern. Das ist nicht im Interesse der Gesellschaft, nicht im Interesse der Aktionäre - und im Interesse der Arbeitnehmer und der Kunden ist es schon gar nicht.“

Der Varta-Vorstand informierte die Anleger auf einer außerordentlichen Hauptversammlung über die Lage des Konzerns. Die Veranstaltung am Montag fand hinter verschlossenen Türen statt. Die DSW vertritt zusammen mit Partnern nach eigenen Angaben mehr als 3.000 freie Varta-Aktionäre. Auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger hatte Widerstand gegen die Pläne angekündigt. Insgesamt sind derzeit noch 49,9 Prozent der Aktien im Besitz von Kleinanlegern. Mehrheitsaktionär Michael Tojner hält über das Unternehmen Montana Tech Components 50,1 Prozent der Aktien. Doch das soll sich bald ändern.

Varta will Kleinanleger loswerden

Denn der Konzern aus dem schwäbischen Ellwangen strauchelt bereits seit einiger Zeit - und will im Überlebenskampf die Alt-Aktionäre aus dem Unternehmen drängen. Ermöglichen soll dass das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG). In einem StaRUG-Verfahren können die Interessen der Aktionäre ausgehebelt werden. 

Das Verfahren hatte Varta im Juli angemeldet. Im August vermeldete der Konzern dann eine Einigung beim Sanierungskonzept. Dahinter stehen Varta-Chef Michael Ostermann zufolge fast alle von der Sanierung betroffenen Gruppen. Das Konzept sieht im Wesentlichen zwei Schritte vor: Zum einen sollen ein Schuldenschnitt und die Verlängerung von Krediten die Verbindlichkeiten von fast einer halben Milliarde Euro auf 230 Millionen Euro verringern. 

Außerdem soll das Grundkapital der Varta AG auf null Euro herabgesetzt werden. Der Effekt: Die derzeitigen Aktionäre scheiden ohne Kompensation aus, und der Konzern verliert seine Börsennotierung. Danach sollen wieder Aktien ausgegeben werden - allerdings nur an eine Gesellschaft Tojners und den Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche. Beide lassen sich das je 30 Millionen Euro kosten. Von den Gläubigern kommen weitere 60 Millionen als Darlehen. 

Das Konzept soll nach früheren Angaben im Oktober beim Sanierungsgericht eingereicht werden. Ein Abschluss des Verfahrens wird für im Januar angepeilt. Bei Varta arbeiteten zuletzt rund 4.000 Menschen. 

Aktionäre sind sauer

Der Unmut der freien Aktionärinnen und Aktionäre darüber ist groß: „Die Anwendung des Verfahrens zur kalten Enteignung der Anleger ist aus unserer Sicht missbräuchlich“, sagte Nieding. Die Aktionäre seien bereit, dem Unternehmen zusätzliches Kapital zur Verfügung zu stellen. Sie wollten nichts anderes, als sich an der Kapitalerhöhung beteiligen zu dürfen. „Wenn das nicht gewünscht ist, wollen wir aber wenigstens erreichen, dass die bisherigen Aktionäre für den Verzicht auf die Bezugsrechte entschädigt werden.“

Der Batteriekonzern steckt schon länger in der Krise. Die Gründe dafür sind vielfältig: Neben der stark schwankenden Nachfrage nach kleinen Lithium-Ionen-Knopfzellen, zum Beispiel für Kopfhörer, stehen auch Managementfehler im Raum. Kritiker werfen Varta unter anderem vor, sich zu abhängig vom Hauptkunden Apple gemacht zu haben und zu viel Geld zu leichtfertig investiert zu haben. Zu allem Überfluss hatten Hacker im Februar die Computersysteme des Unternehmens attackiert und die Produktion wochenlang lahmgelegt. 

In den ersten neun Monaten 2023 hatte Varta rund 554 Millionen Euro Umsatz gemacht. Aktuellere Geschäftszahlen gibt es wegen des Hackerangriffs nicht. Der Geschäftsbericht 2023 wird Ende Oktober erwartet, Angaben zum ersten Quartal 2024 im November.