Rund um die Marktstraße stehen Arbeiten an der Kanalisation an. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)
In der Kommune im Landkreis Ludwigsburg kann das Wasser bei außergewöhnlichen Niederschlägen punktuell fast einen Meter hoch stehen. Deshalb wird das Kanalnetz im großen Stil ausgebaut, was in mehrerlei Hinsicht ein Kraftakt wird.
Christian Kempf
04.12.2024 - 13:28 Uhr
Tausende Fahrzeuge quetschen sich täglich durch die enge Marktstraße in Steinheim. Man kann sich also ausmalen, welche Auswirkungen es auf den Verkehr haben wird, wenn diese Ader auf der Ortsdurchfahrt gekappt wird. Doch genau das wird im kommenden Jahr passieren. Die Stadt möchte sich gegen Starkregen wappnen und lässt deshalb die Bagger anrücken, um das Kanalnetz im Bereich des Rathauses zu verbessern. Das bedingt aber eben auch, dass die Marktstraße phasenweise komplett gesperrt werden muss – und zwar jeweils monatelang.
Das erste Mal wird ein Teilstück der Ortsdurchfahrt für Autos, Motorräder und Co. von Ende Mai bis Mitte/Ende Juli 2025 tabu sein, wenn ein neuer Entlastungskanal vom Kohler-Eck am Abzweig in Richtung Kleinbottwar bis zur Badtorstraße im Erdreich verlegt wird, erklärt der Steinheimer Bürgermeister Thomas Winterhalter.
Ebenfalls dicht gemacht werde die Verkehrsader dann von Februar 2026 bis Mitte/Ende Mai übernächsten Jahres. In diesem Zeitraum knüpfen sich die Bautrupps den Abschnitt von der Lammgasse bis zur Badtorstraße vor. Fit für Starkregen gemacht wird das Kanalnetz darüber hinaus von Mai bis September 2025 in der Badtorstraße von der Murr bis zum Backhäusle sowie anschließend bis Januar 2026 dann in der Verlängerung bis zum Rathaus. Die Arbeiten an diesen beiden Sektoren dürften zwar für die Anwohner und Passanten ebenfalls lästig sein, aber weniger für den klassischen Durchgangsverkehr.
Bürgermeister will mit Geschäftsleuten ins Gespräch gehen
Winterhalter versicherte jetzt im Gemeinderat, in dem das Projekt vorgestellt und beschlossen wurde, die Anrainer bei all dem mitnehmen und informieren zu wollen. Auch auf die Geschäftsleute, die während der Bauphase schlechter zu erreichen sein werden, wolle man zugehen. „Wir möchten Veranstaltungen für betroffene Bewohner machen, aber natürlich auch ein gesondertes Format für die Gewerbetreibenden, weil die vor ganz anderen Herausforderungen stehen als jemand, der in dem Bereich wohnt und erschwert an sein Gebäude gelangt“, erklärte der Bürgermeister.
Was die Umleitung bei der Vollsperrung der Marktstraße anbelangt, müsse man zudem das Landratsamt mit ins Boot holen. Schließlich handele es sich um eine überörtliche Straße und der auswärtige Verkehr müsse großräumig um Steinheim herum gelotst werden. „Wir haben aber auch noch ein halbes Jahr Zeit, bis es an die Vergaben der Arbeiten geht und wir starten wollen. Aber es ist uns bewusst, dass wir am offenen Herzen operieren wollen“, erklärte Winterhalter in der Sitzung.
Weitere Einschränkungen werden folgen
Der Bürgermeister machte auch keinen Hehl daraus, dass nach Abschluss der Kanalarbeiten keine Ruhe in der Ortsdurchfahrt einkehren wird. „Der Fahrbahnbelag ist am Ende“, konstatierte er. Das Land wolle die Straße deshalb schon seit Jahren sanieren, doch wegen der anstehenden Arbeiten im Untergrund habe man um einen Aufschub gebeten.
Ab 2026 könne dann jedoch die Verkehrsader auf Vordermann gebracht werden. Bei der Gelegenheit sollen unter anderem auch das klassische Kanalnetz ertüchtigt und der Straßenraum neu geordnet werden. Dabei gehe es auch um die Frage, wie der Fußgänger- und Radverkehr künftig geführt werden könnte. „Da bleibt vom Straßenraumprofil nicht mehr viel stehen. Diese Maßnahme wird auch in Bauabschnitten erfolgen und die Innenstadt einschränken“, sagte der Bürgermeister im Gemeinderat.
Das Kanalsystem rund ums Rathaus stößt an seine Grenzen
So sehr wahrscheinlich manche Anwohner und Autofahrer über die Baustelle rund ums Rathaus vom kommenden Jahr an fluchen werden, so sehr dürften zumindest die Anlieger im Nachgang jedoch froh darüber sein. Aktuell erfüllt das Kanalsystem nicht einmal den heute üblichen Standard, wonach Niederschläge, wie sie statistisch gesehen alle 30 Jahre vorkommen, verarbeitet werden können. Im Brunnenweg steht das Wasser dann bis zu 50 Zentimeter tief, in der Badtorstraße sogar bis zu 80 Zentimeter, also fast hüfthoch. Schüttet es so heftig wie im Schnitt alle 100 Jahre, können es sogar jeweils zehn Zentimeter mehr sein.
In Steinheim musste die Feuerwehr in den vergangenen Jahren mehrmals wegen Überschwemmungen ausrücken. Foto: Archiv /(Werner Kuhnle)
Durch den Ausbau des Netzes will sich die Stadt gegen eben solche, alle 100 Jahre eintretenden Wetterkapriolen schützen, die offiziell als außergewöhnliches Regenereignis kategorisiert sind. Dann werde auch der Marktplatz, der in naher Zukunft umgestaltet werden soll, nicht überschwemmt, erklärt Thomas Winterhalter.
Kanäle werden vergrößert
Wo bautechnisch möglich, ist es das grundsätzliche Ziel, das Regenwasser, das bei Starkregen von den Leitungen nicht mehr aufgenommen werden kann, oberirdisch und ohne dabei Schäden anzurichten, durch eine entsprechende Modellierung der Landschaft in ein Gewässer abzuleiten. Wegen der speziellen Topografie und einer Senke in der Badtorstraße ist dies aber in der Steinheimer Altstadt nicht möglich. „Deshalb ist die Lösung, eine kanalisierte Ableitung zu machen“, erklärte Thomas Zeltwanger vom Planungsbüro ISTW im Gemeinderat.
Im Kern werden die beiden bestehenden Kanäle vergrößert und ein zusätzlicher in der Marktstraße verlegt, der „im Endeffekt nur das Starkregenwasser aufnimmt, das über die Kleinbottwarer Straße in die Marktstraße läuft“. Darüber hinaus werde als eine Art Bypass am Tiefpunkt in der Badtorstraße eine etwa 50 Zentimeter tiefe Kastenrinne eingebaut, die mit einem Gitterrost abgedeckt ist. Dort könne das Wasser hineinfließen, wenn das restliche System zum Beispiel überlastet sein sollte und sich die Regenmengen in der Senke aufzustauen drohen. Über die abschüssig verlegte Rinne fließe das Wasser zu einem Rohr und werde schließlich direkt in die Murr eingeleitet.
Schutz gegen heftige Niederschläge
Ausbau Die Stadt Steinheim war schon mehrfach von größeren Überflutungen betroffen und hat deshalb untersuchen lassen, welche Bereiche der Gemarkung bei Starkregen in welchem Ausmaß betroffen sind und was dagegen unternommen werden könnte. Ein Ergebnis der Analyse ist, das Kanalnetz rund ums Rathaus so auszubauen, dass man künftig gegen Niederschläge gewappnet sein wird, wie sie statistisch gesehen alle 100 Jahre vorkommen.
Gebühren Die Kosten für die Bauarbeiten werden auf rund 3,5 Millionen Euro geschätzt. Die Ausgaben werden perspektivisch auf die Wasserpreise umgelegt. Die Bürger müssten sich auf steigende Gebühren einstellen, prognostizierte die Rathausspitze in der jüngsten Gemeinderatssitzung.