Seit vergangenem Sommer wird in Ludwigsburg teils hitzig über eine Unterkunft für rund 100 Schutzsuchende debattiert. Nun wurde das Projekt gekippt, Geflüchtete werden wohl trotzdem in der Hackstraße einziehen.

Ludwigsburg : Emanuel Hege (ehe)

Die Wogen schlugen hoch, als im September die Anwohner zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in der Hackstraße in Ludwigsburg-Hoheneck informiert wurden. Kritik, Sorgen, lautstarke Ablehnung – die Stimmung war angespannt. Ende Oktober glättete Oberbürgermeister Matthias Knecht die Wogen und entschuldigte sich bei einer weiteren Veranstaltung für die schlechte Kommunikation im Vorfeld. Doch all das war letztlich vergebens: Die Flüchtlingsunterkunft wird nicht gebaut.

 

Denn um das Gebäude in Modulbauweise zu bauen, brauchte das Landratsamt als Bauherr eine Änderung des Bebauungsplans für das Grundstück. Der Bauausschuss des Ludwigsburger Gemeinderats entschied sich jedoch mehrheitlich gegen diese Anpassung. CDU, Freie Wähler, FDP und AfD stimmten dagegen. Die SPD enthielt sich. Lediglich die Grünen votierten geschlossen für die neue Nutzung.

Chance verpasst?

Die Ablehnung bringt das Landratsamt in eine schwierige Lage: Es muss Geflüchtete im Rahmen der sogenannten vorläufigen Unterbringung auf alle Kommunen im Kreis verteilen – auch auf Ludwigsburg. Doch die Stadt liegt im Vergleich zu anderen Kommunen zurück. Früher oder später wird sie mehr Menschen aufnehmen müssen. Entsprechend konsterniert reagierten die Verantwortlichen auf die Entscheidung.

Gerade jetzt, da der Flüchtlingszuzug nachlasse, hätte man sich vorbereiten sollen, sagt Ludwigsburgs Baubürgermeisterin Andrea Schwarz. „Bis heute müssen Geflüchtete teuer in Hotels untergebracht werden. Es wäre klug gewesen, diese teuren Unterkünfte aufzugeben und eine nachhaltige und günstige Alternative zu bauen.“

Auch das Landratsamt bedauere die Entscheidung der Stadträte, vor allem weil es auf die Bedenken der Anwohner und Lokalpolitik eingegangen sei, sagt Pressesprecherin Franziska Schuster. Beispielsweise wurde die Kapazität von 114 auf 102 Geflüchtete verringert, zudem der Aufenthaltsbereich in den hinteren Bereich des Geländes verlegt. Doch offenbar konnten diese Anpassungen die Gegner des Projekts nicht umstimmen.

Das konkrete Bauvorhaben ist nun vorerst vom Tisch, das Grundstück jedoch bleibt im Blick des Landratsamts. Sollte der Flüchtlingszuzug anhalten, will man das Gelände weiterhin nutzen, sagt Schuster – notfalls mit Containern. Anders als beim Modulbau braucht es dafür keinen Beschluss des Gemeinderats.

„Argumentation macht keinen Sinn“

Der Arbeitskreis Asyl Ludwigsburg sieht in der Entscheidung ein fatales Signal. Durch das Aus für den Modulbau müssten unter Umständen wieder Wohnungen angemietet, Container aufgestellt und vielleicht sogar Turnhallen belegt werden, schreiben die Ehrenamtlichen in einer Pressemitteilung. Genau diese Notlösungen würden regelmäßig kritisiert – sowohl von Bürgern als auch von Lokalpolitikern. Gleichzeitig würden sich nun die gleichen Personen gegen langfristige Ansätze wie den Modulbau wehren. „Diese Argumentation macht keinen Sinn“, so der Arbeitskreis.

Auch Grünen-Stadträtin Christine Knoß äußert Unverständnis. Das geplante Gebäude sei nicht nur eine pragmatische Lösung gewesen, sondern auch eine Investition in den Stadtteil. Das Gebäude hätte später als soziale Einrichtung oder Wohnraum genutzt werden können. Kritik an möglichen Müllproblemen oder einem Anstieg von Unsicherheit hält sie für unbegründet: „In keinem anderen Stadtteil hat eine Unterkunft zu größeren Problemen geführt.“

Ganz anders sieht das Jochen Zeltwanger, Stadtrat der Freien Wähler – und selbst Anwohner in Hoheneck. Er verweist auf die Lage des Grundstücks in einer engen Sackgasse und auf die Größe der Fläche: Für rund 100 Menschen sei das Areal schlicht zu klein. Kleinere Unterkunftseinheiten mit etwa 50 Personen seien aus seiner Sicht verträglicher. Zudem fürchtet er eine Überlastung der ohnehin schon vollen Grundschule im Stadtteil – „die platzt jetzt schon aus allen Nähten“.

Kritik übt Zeltwanger auch am Verfahren: In den vergangenen Jahren seien mehrere Bauanträge für das Gelände – etwa für einen Wohn-Gewerbe-Mix – abgelehnt worden, weil es sich formell um eine Gewerbefläche handele. „Und jetzt sollen wir plötzlich zustimmen, nur weil das Landratsamt baut“, sagt er. Er betont jedoch, dass er und andere Stadträte grundsätzlich nicht gegen eine Unterkunft seien – sie müsse aber durchdacht und im Zusammenhang mit dem angrenzenden Areal des ehemaligen Hotels Krauthof geplant werden.

Containerlösung kennt nur Verlierer

Ob in der Hackstraße am Ende Container aufgestellt und Geflüchtete dort untergebracht werden, wird sich in den kommenden Monaten und anhand des Zustroms zeigen. Zufrieden wäre damit wohl niemand.

Nicht die Behörden und Steuerzahler, denn Container seien eine der teuersten Unterbringungsalternativen, sagt Andrea Schwarz. Nicht die Geflüchteten und deren Helfer – wegen der schlechten Lebensqualität, sagt Grünen-Stadträtin Christine Knoß. Und nicht die Anwohner in Hoheneck – weil das Landratsamt damit zeige, dass es ihre Sorgen nicht ernst nehme, sagt Jochen Zeltwanger.

Unterschied zwischen vorläufiger und Anschlussunterbringung?

Vorläufige Unterbringung
Diese Phase betrifft Geflüchtete direkt nach ihrer Zuweisung an einen Landkreis. Die Unterbringung liegt in der Verantwortung des Landratsamts und dauert in der Regel bis zu 24 Monate – oder bis der Asylantrag entschieden ist. Untergebracht wird meist in Gemeinschaftsunterkünften oder speziellen Einrichtungen – der Modulbau in Hoheneck wäre eine Unterkunft der vorläufigen Unterbringung gewesen.

Anschlussunterbringung
Nach Ablauf der vorläufigen Unterbringung oder bei anerkanntem Schutzstatus geht die Zuständigkeit an die Städte und Gemeinden über. Ziel ist eine dezentrale Unterbringung – also zum Beispiel in angemieteten Wohnungen oder kleineren Einheiten. Hier beginnt meist auch die stärkere Integration vor Ort.