Der Bundesrechnungshof gibt die Einwände gegen den Tunnel auf der B 27 bei Tübingen auf. 2023 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein.

Tübingen - Wer im Zusammenhang mit Straßenbauplänen von einem "Durchbruch" spricht, von einem "Meilenstein" oder - wie die Industrie- und Handelskammer - von einem "Feiertag für die Region", darf mit einem baldigen Baubeginn rechnen.

 

Im Fall der B27 bei Tübingen ist das trotz der schön klingenden Worte vieler Entscheidungsträger anders. Denn selbst wenn alle Planungen bestens ineinandergreifen, der Bau der Tübinger B-27-Umfahrung ohne Probleme verläuft und zudem die Finanzierung stehen sollte - dürfen Autofahrer auf eine Einweihung dieser für den Verkehr bedeutsamen Trasse erst 2023 hoffen.

Dabei wurde seit gut 20 Jahren immer wieder Optimismus hinsichtlich des Baus dieses B-27-Abschnitts verbreitet. Mancher prognostizierte Spatenstichtermin ist längst verstrichen. Dass sich nun von den Tübinger Behörden bis zum Stuttgarter Verkehrsminister alle optimistisch äußern, liegt an einer knappen Mitteilung des Bundesrechnungshofes. Der nämlich hat seine über Jahre hinweg geäußerten Bedenken gegenüber einer von Tübingen und Stuttgart geforderten Variante zurückgestellt. Dabei geht es um den "optimierten Langen Schindhaubasistunnel".

Drastische ökologische Folgen im Naturschutzgebiet

Von Stuttgart kommend wird der Verkehr laut diesen Plänen links unter der B28 Tübingen-Reutlingen hindurch geleitet. Für beide Fahrtrichtung stehen zwei knapp 2,4 Kilometer lange Tunnelröhren bereit. So wäre eine durchgehend vierspurige Verkehrsführung anstelle des Nadelöhrs durch die Tübinger Südstadt gewährleistet.

Doch diese Variante stieß dem Bundesrechungshof auf: 204 Millionen Euro werden dafür veranschlagt, mehr Geld als für alle bisher diskutierten Straßenführungen. Dabei ging es einmal um eine Tieferlegung samt vierspurigem Ausbau der bisherigen B-27-Trasse oder auch um eine weitgehend offene Verehrsführung der Bundesstraße mitten durchs Naherholungsgebiet hinter dem Französischen Viertel.

In Tübingen und auch in Stuttgart waren Ideen wie diese schon vor Jahren verworfen worden. Der Rechnungshof allerdings sprach sich bis jetzt für eine Planung aus, bei der die Fahrzeuge über die B 28 hinüber in den Schindhau geleitet werden. Drei Tunnel mit jeweils 350, 1080 und 120 Metern Länge würden den Verkehr bis zum bereits vierspurig ausgebauten Teil der B27 im Süden der Universitätstadt leiten. Das Einsparpotenzial dieser Variante sollte bei drei bis zehn Prozent liegen. Die Nachteile sind offensichtlich: Zwischen den Tunnelabschnitten durch den Schindhau würden offene Trassenabschnitte liegen. Das hätte drastische Folgen für die Ökologie in diesem Naturschutzgebiet.

Die Planungen können mit Hochdruck fortgesetzt werden

Zu diesen Folgen für die Schindhau-Trasse hat der Rechnungshof immer neue Fragen gestellt, die das Tübinger Regierungspräsidium in immer neuen Stellungnahmen beantwortet hat. Das Resultat dieses rund vier Jahre dauernden Frage-und-Antwort-Spiels hat jetzt Andreas Scheuer (CSU), der Staatssekretär im Berliner Bundesverkehrsministerium, in einem Brief an seine Tübinger CDU-Bundestagskollegin Annette Widmann-Mauz verkündet: "Mit dem Bundesrechungshof vorgelegten Nachweis, dass bei einem offenen Trassenverlauf der B27 der Lebensraum streng geschützter Tierarten beeinträchtigt wird, hat dieser seine Bedenken gegen den Bau des "optimierten Langen Schindhaubasistunnels" zurückgestellt.

Dass die Tübinger CDU-Abgeordnete und Staatssekretärin die frohe Botschaft vor dem grünen Stuttgarter Verkehrsminister Winfried Hermann erfuhr und sogleich hinaus in die Medienwelt setzen konnte, hat Hermann mächtig geärgert. An der Sache ändert dies freilich nichts. Offiziell spricht Hermann nur von einer "ungewöhnlich intensiven" Beteiligung des Rechungshofes, aber dann schnell von einem "wichtigen Meilenstein" zur Realisierung des Tunnels. Nun könnten die Planungen mit Hochdruck fortgesetzt werden.

Konkret heißt das, dass das Tübinger Regierungspräsidium die Planungen in einem Richtlinienentwurf zusammenfasst, der im Herbst 2012 vorliegen soll. Dann sind zunächst das Stuttgarter Verkehrsministerium und dann noch einmal das Bundesministerium an der Reihe, bei dem ein Sichtvermerk eingeholt werden muss. Auch für diesen Vorgang werden einige Monate angesetzt. Erst danach kann mit den Vorbereitungen für das eigentliche Planfeststellungsverfahren begonnen werden. Im

Die geschätzte Bauzeit beträgt sieben bis acht Jahre

Zuge dieses Verwaltungsverfahrens werden Pläne im Detail ausgearbeitet und Anhörungen durchgeführt, außerdem wird über Einsprüche entschieden. Zwei bis drei Jahre vergehen da schnell. Und so ist von verschiedenen Seiten von einem Baubeginn "frühestens im Jahr 2016" die Rede. Und verschiedentlich wurde vom Regierungspräsidium bereits die geschätzte Bauzeit genannt: sieben bis acht Jahre.

Gefordert wird der Ausbau der B 27 vehement von den Orten südlich von Tübingen wie Mössingen, Hechingen, und vor allem im Raum Balingen-Albstadt. Allenthalben wird eine schnelle Verbindung nach Stuttgart angemahnt. Und vieles ist bereits geschehen. Vierspurig geht es vom Tübinger Sudhaus bis nach Dusslingen. Dort wird die gesamte B 27 in Zukunft auf 482 Metern unter der bisher von der Bundesstraße geteilten Stadt hindurchgeleitet. Spätestens im Frühjahr 2012 soll der Verkehr in einer ersten Tunnelröhre fließen, das gesamte Projekt soll 2013/2014 abgeschlossen sein und 57 Millionen Euro kosten.

Wer weiter in Richtung Balingen fährt, soll in einigen Jahren bei Nehren links abbiegen können. Der neue Verlauf wird die Autos um Ofterdingen herumleiten, bei Bad Sebastiansweiler trifft die Straße dann auf den vierspurig ausgebauten Teil der B27. Ein Baubeschluss für diesen sieben Kilometer langen Streckenabschnitt ist für das Jahr 2015 denkbar. Die Kosten sollen bei rund 60 Millionen Euro liegen.