Ein Mailverkehr zwischen der Kandidatin Gabriele Munk und Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle offenbart tiefe Zerwürfnisse bei den Grünen. Es geht um die Wahl zum Baubürgermeister von Stuttgart. Offiziell. Doch dahinter steckt mehr.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Hinter den Kulissen haben die Grünen bei der Wahl ihres Kandidaten für das Amt des Baubürgermeisters mit harten Bandagen gekämpft. Ausweislich eines Mailverkehrs, welcher der StZ vorliegt, hat sich Gabriele Munk noch wenige Stunden vor der entscheidenden Fraktionssitzung heftig bei Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle über dessen Einmischung in das Nominierungsverfahren beschwert. „Wie stellst Du Dir ein faires, transparentes und gendergerechtes Bewerbungsverfahren vor? Wie stellst Du Dir die Übersetzung unseres Parteiprogramms in die Realität vor? Und wieso sagt der Bürgermeister der Fraktion und der externen Welt, dass und wie’s am Donnerstag zu laufen hat und hält sich nicht zurück?“, fragte Munk ihren Parteifreund am Donnerstagmorgen um 0.11 Uhr – und vermutete: „Irgendwas muss wohl doch an meiner langjährigen Profession und meiner geleisteten politischen Arbeit sein, dass ich so stark niedergeschrieben werden muss.“

 

Gabriele Munk bezog sich dabei auf eine Mail, die Werner Wölfle eine knappe Stunde zuvor der gesamten Fraktion der Grünen, dem OB Fritz Kuhn und der Landtagsabgeordnete Muhterem Aras zur Kenntnis gegeben hatte. Tatsächlicher Adressat aber war ein anderer: der Architekt Peter Conradi. Weil der Sozialdemokrat sich tags zuvor im Verbund mit anderen Stuttgarter Architekten für ein offenes Bewerbungsverfahren bei den Grünen und eine Verschiebung der parteiinternen Kandidatenkür eingesetzt hatte, sah sich Wölfle veranlasst, eine umfassende Antwort zu formulieren.

Er „schwanke noch zwischen Verärgerung und Verwunderung“, schrieb der Verwaltungsbürgermeister und fragte seinen alten Weggefährten aus der Anti-Stuttgart-21-Bewegung: „Warum gibst Du Dich für so eine Diskussion und Kampagne her?“ Gerade Conradi wisse doch um die Qualitäten des von OB Kuhn und ihm selbst propagierten Kandidaten Peter Pätzold: „Du hast stundenlang mit ihm in der Schlichtung gekämpft und gelitten.“ Aber jetzt tue Conradi plötzlich so, „als ob man nicht wissen könnte, für was er steht“.Diese Einlassung sei für ihn umso unverständlicher, als er seit Jahren „auf den Aufstand der Stadtplaner, Stadtgestalter, Architekten“ warte, so Wölfle. Der sei aber nicht erfolgt. Daher, schrieb Wölfle und bat sogleich um Verzeihung für die Deutlichkeit, „empfinde ich den Vorstoß von Euch und anderen als kurz vor heuchlerisch“.

Den Gegnern wäre ein unpolitischer Kopf willkommen

Zudem müssten die Grünen nicht nur nach dem aus ihrer Sicht geeignetsten Kandidaten suchen, sondern auch einen finden, der im gesamten Gemeinderat mehrheitsfähig sei. Doch da sei Vorsicht geboten: „Die politischen Gegner – dazu zählt übrigens immer wieder leider auch die Plus-Fraktion – haben doch kein Interesse an einem starken grünen Bürgermeister.“ Im Gegenteil: den anderen wäre „ein unpolitischer Kopf herzlich willkommen“.

Wen Wölfle damit gemeint hat, ließ er auf Anfrage der StZ offen. Wert legte er aber auf die Feststellung, dass die Mail „an den mit mir befreundeten Peter“ ausschließlich privater Natur gewesen sei. Das, so Wölfle, sei „unschwer zu erkennen, selbst wenn meine Kontaktdaten automatisiert dran hängen“. Im Übrigen habe er Gabriele Munk am Donnerstag nach dem Frühstück geantwortet und darauf hingewiesen, dass er „der Fraktion gar nichts vorschreibe“. Er sage nur seine Meinung, weil er alle bisherigen Findungsverfahren der Grünen im Blick auf die Bürgermeisterposten in der Stadt „erlebt und erlitten“ habe: „Ich mische mich ein, weil ich nicht möchte, dass wir Grünen die alten Fehler wiederholen.“

Qualität soll entscheiden, nicht die Quote

Damit erinnerte Wölfle nicht nur an seine eigene gescheiterte Wahl zum Sozialdezernenten und der später erfolgreichen Berufung zum Verwaltungsbürgermeister, sondern auch an das Prozedere, das im Jahr 1996 der Wahl des heutigen Staatssekretärs Klaus-Peter Murawski zum damaligen Verwaltungsbürgermeister voraus ging. Weil seinerzeit zwei Grünen-Stadträte – Roland Kugler und Bernhard Kübler – das Amt haben wollten und sich in der Fraktion keine valide Mehrheit für einen der beiden abzeichnete, trat plötzlich der Nürnberger Gesundheitsbürgermeister Murawski auf den Plan – auf Anraten des damaligen Chefs der Grünen-Landtagsfraktion, Fritz Kuhn. Murawski wurde gewählt und war laut Wölfle „auch sehr erfolgreich“. Aber es seien damals eben auch Wunden geschlagen worden, vor allem bei den unterlegenen Kandidaten Kugler und Kübler. Dies wolle er diesmal verhindern.

Ob’s gelingt? Auf Gabriele Munks Frage nach einem gendergerechten Bewerbungsverfahren antwortete Wölfle, dass ein solches dann gegeben sei, wenn nach Qualität entschieden werde und nicht nach Geschlecht: „So steht es im Gesetz.“

Ein paar Stunden später erklärte Munk, dass sie ihre Kandidatur zurückziehe und Peter Pätzold den Vortritt lasse.